Heidelberg Deathfest II
11. März 2017, Heidelberg, Halle 02
Heidelberg Schlachtfest
Meine Heimatstadt Heidelberg ist für viele Dinge berühmt: Altstadt, Heidelberger Schloss, Brückenaff', Universität, zahlreiche Studentenkneipen ... aber selbst, wenn man die Liste der Dinge, für die die Perle am Neckar zurecht Weltruhm genießt, auf 100 aufblähen würde, einiges würde definitiv nicht draufstehen. „Lebhafte Konzertszene“ z.B., „Rock 'n' Roll“ oder gar „Extrem-Metal“. Hierfür muss man in der Regel ausweichen; zumeist auch nicht nach Mannheim, aber Weinheim bietet regelmäßig Abhilfe, Frankfurt und Stuttgart sowieso oder diese süddeutsche Fächerstadt mit ihrer Stadion-Ruine, Name ist mir gerade entfallen.
Umso schöner, dass im März nun schon die zweite Auflage des Heidelberg Deathfest in der Halle 02 stattfindet - letztes Jahr leider zeitlich verpasst, aber 2017 second chance! Und das Lineup ist für die Halle 02 und vor allem Heidelberg wirklich außergewöhnlich, hier ist Death Metal nicht gleich Amon Amarth oder Six Feet Under, hier steht härtetechnisch oberste Region auf dem Plan ... Old School Death Metal, Goregrind, Brutal Death, Slam Death... gut, für den Großteil unserer Leser rangiert das alles unter „K“ wie Krach, aber die Veranstalter haben schon ein schönes, in diesem Bereich recht abwechslungsreiches Package geschnürt.
Ein paar Wochen vor dem Event dann ein leicht komisches Gefühl ... KRAANIUM, die norwegischen Slam Deather, gestrichen. Flüge zu teuer, können sie sich nicht leisten. Hm ... schlechter Vorverkauf? Halbleere Halle? Wird das ein Flop wie das Frankfurt Deathfest (so hieß es glaube ich) vor ein, zwei Jahren? Um das Fazit voran zu stellen: nö. Die Halle ist äußerst gut gefüllt, die Stimmung super und die KRAANIUM-Geschichte hat der Veranstalter New Evil Music (der auch sehr viel in Weinheim macht) auf sich genommen – die Band treffe keine Schuld. Vielleicht haben sie einfach die Flugkosten von Norwegen nach Deutschland unterschätzt.
Mindestens 11 Stunden Lärm stehen heute also auf dem Plan – PLASMA aus Frankfurt machen um 13:50 Uhr den Anheizer, ein paar Minuten später treffen auch wir ein. Für die frühe Uhrzeit sind schon erstaunlich viele Leute da und supporten die Hessen, die ein wenig mit dem Sound zu kämpfen haben. Tief gestimmte Gitarren, sehr tiefer, stark verzerrter Gesang, Goregrind halt ... da kann natürlich vieles schnell im Soundmatsch versinken. Mir läuft das nicht so recht rein, ziemlich simples Gerumpel. Aber sympathisch kommen sie rüber und vielen gefällt es, von daher bin ich hier nicht die Mehrheit.
Kurz vor dem Deathfest hatte dann noch eine zweite Band abgesagt, Mucupurulent, die eigentlich eine CD-Release-Show machen wollten. Gründe hierfür habe ich keine gefunden – vom Ersatz habe ich dann auch erst erfahren, als sie auf der Bühne standen – ABRASIVE aus Stuttgart. Das Schwaben-Trio fährt einen anderen Sound auf als der Opener, ihr technischer Brutal Death erinnert mich ziemlich an Dying Fetus, was ja keine schlechte Referenz ist. Ein neues Album haben sie auch, das man – wie Sänger / Gitarrist Ralf nicht müde wird, zu erwähnen – am Merchstand kaufen kann. Überhaupt sind die drei so ziemlich eine der nettesten Death Metal-Bands, die ich bislang gesehen habe, freuen sich sehr, hier zu sein, bedanken sich zig mal und liefern dazu ein amtliches Brett ab. Gute und sympathische Band, definitiv. Mal im Auge behalten!
Anschließend dürfen die quasi Lokalmatadore FRAGMENTS OF UNBECOMING auf die Bühne. Die haben etwas dabei, was es den Rest des Tages nicht mehr groß geben wird ... das müssen diese sogenannten Melodien sein! 30 Minuten lassen die Jungs aus dem Odenwald den schwedischen Melodic Death Metal der 90er auferstehen – starke Show, schöne Setlist und der präsentierte neue Song lässt das wohl dieses Jahr kommende neue Album umgehend auf die Einkaufsliste wandern. Überhaupt muss man mal festhalten, dass es in meinen Ohren - und das ist jetzt KEINE Übertreibung – in Europa keine Band gibt, die diesen alten 90er-Schweden-Sound besser spielt als unsere Nachbarn. Kein Klargesang, kein Keyboard – „The galler“ oder „Terminal spirit disease“ z.B., das sind die Vorlagen, die FOI weiterführen. Weiter so!
FLESHLESS aus Tschechien machen anschließend Schluss mit lustig und Melodie. Das osteuropäische Urgestein hatte ich irgendwie anders in Erinnerung, oldschooliger irgendwie. Pigsqueals hatte ich keine im Ohr, aber Sänger Vladimir punktet mit extremen Vocals und der Death Metal des Quartetts bewegt sich definitiv im Brutal Death-Sektor. Guter Auftritt, den ich anders erwartet hatte. Zwei kleine Funfacts am Rande: die Jungs spielen ohne Bass (zwei Gitarren) und Gitarrist Ludek erhält definitiv den Award für den besten Vokuhila des Wochenendes.
„Basslos“ – das ist ein Attribut, das man den holländischen Slam Deathern KORPSE nun wirklich nicht an Revers heften kann. Slam Death, diese extreme Form mit vielen Breakdowns, langsamen Parts und verzerrten Growls (mal einfach beschrieben), ist nicht ganz meine Baustelle, vieles ist mir zu monoton, habe da sehr wenig in der Sammlung und auch mit z.B. den Sparten-Zugpferden Devourment kann ich nicht viel anfangen. Musikalisch ist das bei KORPSE auch so, aber – und das spricht natürlich für die Band – sie liefern eine sehr agile Show, auf der Bühne ist immer Action und sie reißen das Publikum mit. Vor allem Basser Mart, der eine seiner letzten Shows spielt, geht ab wie ein Zäpfchen. Musikalisch wie gesagt, nicht mein Bereich – aber Auftritt top.
Anders dann natürlich bei den JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELEN. Die sind geil. Schön, dass sie wieder da sind. Ihr hektischer und nicht immer unbedingt eingängiger Grind kommt auch live super und auf der Bühne ist auch dank des doppelten Frontmanns Christian und Martin gut Betrieb; Christians Auftreten und seine gar un-grindigen Tanzbewegungen geben dem ganzen einen Touch, der das Gesamtbild schön abrundet – JAKA sind irgendwie anders, Musik, Auftreten, die sehr geilen, intelligenten (teilweise sarkastisch/bösartigen) Texte, da fällt mir kein Vergleich ein. Beide Daumen hoch! Auch hier ein Funfact am Rande: bestes Backdrop des Wochenende, ein bemaltes Bettlaken.
Anschließend steht wieder Goregrind auf dem Programm – JIG-AI aus Tschechien, eingesprungen für die anfangs erwähnten Kraanium. Allerdings ist es jetzt bereits knapp 19 Uhr und der Hunger macht sich bemerkbar, viele Palmbräu-„Bierchen“ (heißen wirklich so!) benötigen noch ein bisschen Grundlage ... da der Foodtruck vor der Halle 02 bereits ausverkauft ist, heißt die Alternative Burger King. Schade, hätte JIG-AI schon angeschaut, aber schon in der Maslowschen Bedürfnispyramide steht halt Essen ganz unten. Und zwei Stunden warten ... nee, war nicht.
Pünktlich zu DERANGED sind wir wieder in der Halle – auch die schwedischen Brutal Deather sind wieder am Start, neuer Frontmann, gleicher Sound. Das ist natürlich nicht die typische Schweden-Schule, sondern eine Stufe höher auf der Härteskale, tiefe Growls, Tempo durchgehend Überschall – für mich ein wenig monoton, aber auch das ist Geschmackssache. Am Auftritt an sich gibt es auch nichts auszusetzen, die können spielen und haben ihre Nische.
Auch ULTIMO MONDO CANNIBALE haben ihre Nische und werden als drittletzte Bands stark abgefeiert. Aber hier muss ich sagen: da bin ich raus. Die verstehe ich einfach nicht. Auch das italienische Trio frönt dem Goregrind, trägt Masken ähnlich mexikanischen Wrestlern und musikalisch ist das vielleicht OK, wenn auch nicht überragend - aber dieses verzerrte Gegurgel als Gesang, das zerrt hier schon an den Nerven. Nee, nicht meins. Aber vielen gefällt es, von daher auch wieder eine Geschmacksfrage.
Auch der Co-Headliner, die spanischen Veteranen HAEMORRHAGE, sind im Goregrind-Lager zu Hause. Aber die machen wirklich ALLES richtig. Angefangen von der Optik – Sänger Lugubrious blutverschmiert, Band in OP-Kitteln und Mundschutz – über das Auftreten mit dem agil-durchgeknallten Frontmann bis zu den Songs – hier treten die Grooves in die Magengrube und die Blastbeats strecken dich zu Boden. Der fette Sound krönt den Hammerauftritt – 45 Minuten mit einigen veritablen Hits in Programm, die Pathologen aus Spanien sind für mich der Überraschungssieger. Leider gibt's kaum CDs am Merchstand, klar, sind ja auch größtenteils indziert.
Mittlerweile ist es schon nach 23 Uhr und Zeit für den Headliner; auch die holländische Todesmaschine GOD DETHRONED ist wieder da und das wurde auch Zeit; die haben nur geile Platten und waren live immer sehr stark. Henri hat mittlerweile neben ex-Drummer Michiel eine neue Besetzung am Start und ein neues Album kommt im Mai. Einen neuen Song gibt es heute als Vorgeschmack, ansonsten einen bunten Querschnitt durch alle Alben außer dem Debut, fetter Sound, schönes Bühnenbild mit dicken umgedrehten Kreuzen und auch Henris Gesang pendelt sich nach anfänglichen leichten Problemen schnell ein. Auch hier gilt: schön, dass sie wieder da sind! Ein absolut würdiger Headliner.
Als God Dethroned dann nach einer Zugabe die Bühne verlassen (das war glaube ich die neue Nummer), ist es weit nach 0 Uhr ... knapp 11 Stunden extremer Sound mit vielen starken Bands in einer tollen Location und das Ganze in Fußmarschentfernung von zu Hause. Dem Vernehmen nach gibt es das Heidelberg Deathfest auch 2018; Pflicht natürlich, so etwas muss man supporten, und der Veranstalter wird sicherlich ein angemessenes Paket schnüren. Schön auch, nach dem Festival zu lesen, wie sich viele Bands und Musiker bei Facebook bei der Orga bedankt haben für das gelungene Event. Alles im Lot also, vielleicht ist Heidelberg ja metaltechnisch doch noch nicht verloren? Wir waren die aktualisierte Liste ab!
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Mardya Larose!
Florian Störzer