Bruce Springsteen & The E-Street Band
25. Mai 2012, Commerzbank Arena, Frankfurt
Der Boss im Feindesland
Bei Springsteen bin ich noch relativer Newcomer; natürlich kannte ich einiges aus dem Radio, viele Songs kennt man halt einfach. Mich mit seinem Schaffen aber genauer zu beschäftigen, das habe ich erst in den letzten Jahren getan, eigentlich eine Bildungslücke, die ich da begonnen habe zu schließen; die ersten sieben Alben und einiges Neues stehen mittlerweile in der Sammlung. Demnach habe ich aber den letzten Auftritt in der Region verpasst, Dezember 2007 in Mannheim. Da ihm aber natürlich ein gigantischer Live-Ruf vorauseilt, war ein Freitag-Abend-Trip nach Frankfurt Pflicht, auch wenn das ganze mitten im feindichen Stadion stattfand...
Auf dem Weg hin stellt mein Kumpel Flo noch die Frage: „Wie kommt der überhaupt auf den Spitznamen The Boss?“ Konnte ich spontan nicht beantworten, aber... na ja, der Reihe nach. Ein ausverkauftes Stadion verspricht viele Menschen, und auf der Homepage der ComBa-Arena wird schon im Vorfeld vor Verkehrschaos gewarnt. Also am Flughafen günstig geparkt und in wenigen Minuten mit der S-Bahn zum Stadion. Ein guter Tip! Rund um das Stadion sind die üblichen Freß- (mittlerer Qualität...) und Merch-Stände (35 Euro das Shirt!!!) aufgebaut, und so richtig viel ist noch nicht los, als wir gegen halb sieben eintreffen; wir haben „nur“ normale Stehtickets, dürfen also nicht in den teuren „Front of Stage“-Bereich (eine Unsitte, die leider immer öfter zu sehen ist), aber Höhe der Mittellinie sieht man auch recht gut. Eine Vorband gibt es heute nicht, der Boss steht pünktlich um 20 Uhr auf der Bühne und eröffnet mit „Badlands“... und was die kommenden Stunden folgt, das ist einfach nur ganz ganz großer Rock ‘n‘ Roll. Über drei Stunden später liegt Springsteen völlig ausgepumpt auf dem Drumriser, lässt sich von seinem Drummer Max Weinberg mit einem Schwamm Wasser ins Gesicht wringen und rafft sich auf undendliche Zugaberufe des enthusiastischen Publikums noch zu einem letzten, dreißigsten Song überreden. Gut, letzteres war bestimmt ein bisschen Show, „Tenth Avenue Freeze-Out“ ist ein Standard, aber der Typ wirkt die ganze Zeit über dermaßen authentisch, echt und einfach nur sympathisch, dass man ihm auch das noch abnimmt. Von der ersten Sekunde an hatte Springsteen die gesamte Arena im Griff, führte seine 15-köpfige E Street-Band (natürlich alles Weltklasse-Musiker) durch eine Setlist, die nicht besser hätte sein können; neues, gemischt mit den obligatorischen Klassikern und einigen Raritäten, wuchtiger Rock ‘n‘ Roll gemischt mit wirklich emotionalen Balladen, das neue „Jack of all trades“ ist so eine Gänsehautnummer, oder auch eine sehr reduzierte Version von „The river“. Zwischendurch, und das war für mich als Springsteen-Konzert-Neuling schon unerwartet, suchte er immer wieder den Kontakt zum Publikum, schüttelte Hände, ließ sich ein bisschen durchs Publikum tragen oder sang in ein Handy, das er von einem Fan erhalten hat. Zu „Waitin‘ on a sunny day“ holte er zwei Kinder auf die Bühne, die textsicher den Refrain mitsangen und zum Zugabenblock drehte er dann völlig auf... die ganze Show über wurden diverse Schilder im Publikum mit Songwünschen hochgehalten und drei davon erfüllt der Boss spontan; ein Blick auf die Setlisten der Vortage zeigt, dass das definitiv keine Show war, „Cadillac ranch“, „Sherry darling“ und „Glory days“ standen noch nie auf der Setlist. Ich könnte jetzt noch lange weiterschwärmen... sogar den schwierigsten Part des Abends schafft er grandios: anstatt eine Ansage in Richtung Clarence Clemons zu machen, ging beim letzten Song, oben erwähntem „Tenth Avenue-Freeze Out“ auf die entsprechende Textzeile hin das Licht aus und zwei Minuten wurden in vollkommender Stille Bilder seines verstorbenen Saxophonisten auf den Videoleinwänden eingeblendet. Nicht wenige Besucher düften hier Tränen in den Augen gehabt haben. Nach dreieinviertel Stunden entließ der Boss sein begeistertes Publikum in die Frankfurter Nacht.
Auch ein paar Tage nach dem Gig bin ich noch begeistert und mir sicher, dass es dieser Auftritt locker in meine Alltime-Top-10 geschafft hat. Hier hat einfach alles gestimmt, besser kann man Rock ‘n‘ Roll in Stadien nicht zelebrieren. Und auch die anfangs gestellte Frage nach seinem Spitznamen ist klar beantwortet: er IST einfach der Boss, der größte Rockmusiker der Welt.
Setlist:
Badlands
We take care of our own
Wrecking ball
Out in the streets
Death to my hometown
My city of ruins
Spirit in the night
The E street shuffle
Jack of all trades
Youngstown
Darkness on the edge of town
Johnny 99
Working on the highway
Shackled and drawn
Waitin' on a sunny day
Summertime blues
The promised land
The river
The rising
Lonesome day
We are alive
Thunder road
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Rocky ground
Born in the U.S.A.
Born to run
Cadillac ranch
Sherry darling
Glory days
Dancing in the dark
Tenth Avenue Freeze-Out
Florian Störzer