Joe Bonamassa
13. Oktober 2011, Jahrhunderthalle, Frankfurt
Vollgas auf dem Blues-Freeway!
B-O-N-A-M-A-S-S-A, Gitarrenwunderkind, Blues-Erneuerer, stileinreißend, stilbildend, Workaholic, Bluesaholic, Musicaholic, B.B.King-Schüler, Klebstoff zwischen Blues- und Hard ’n’ Heavy-Fraktion, der Mediator des Unvereinbaren, Black Country Communion-Sidekick, gefragtester Studiogast der Szene, der große Schweiger, der lieber seine Gibson sprechen lässt…Gast, Frontmann, Rockstar, ach was, einer der besten lebenden Gitarristen auf diesem Planeten – da sind sich branchenübergreifend alle Fraktionen einig.
Blues-Gitarren-Wunderkinder gab es ja zu Hauf, der leider viel zu früh verstorbene Jeff Healey etwa, oder evtl. Kenny Wayne Sheperd und Johnny Lang. („… man sollte ihm die Finger brechen…”, Jimmy Thackery) Der Schreiber dieser Zeilen hat sich für diesen Abend für ein Walter-Trout-Shirt entschieden. Ich schwöre, keine Provokation…, …wer steht auf der Rückseite als Headliner? Joe Bonamassa!
Florian I hat mich überzeugt, und wenn ein Heavy-Hipster mir einen Blueser empfiehlt, (kenne bis dato nur die aktuelle „Dust Bowl“ und die auch nur wg. der Zusammenarbeit mit John Hiatt, „Tennessee Plates“) da muss an der „Sache“ was dran sein. Mit Florian II (a.k.a. der Klääne) rocken und rumpeln wir uns am Whiskeystand ein, bei 70,00 € für’s Ticket kommt’s dann auch nicht mehr drauf an. It smells like Rock ’n’ Roll!
Die Location mit der ordentlichen Akustik ist optimal gewählt. Dass mit ca. 2.500 Zahlenden wesentlich weniger dem Schwingen der sechs (zwölf) Saiten gefolgt sind als möglich, liegt auch an den Preisen. 2.500 aus der „Gemeinde“ sind nicht wirklich viel für einen Musiker mit diesem Status. Immerhin sind es 2.476 mehr als vor neun Jahren, und die sind seinerzeit vermutlich auch nur wegen des einen Freibieres (Blues and Beer and Burgers, aha!) gekommen – wie Bonamassa augenzwinkernd zurückblickt. Sorgen um seine Rente müssen wir uns freilich nicht mehr machen.
JB weiß wo er herkommt und wem er Referenz schuldet, Gallaghers „Cradle Rock“ erzeugt zum Start beim bunt gemischten Szene-Volk (vom Musiklehrer über den Feuilleton-Leser bis zum „Heavy-Schwein“ ist alles vertreten) glänzende Augen. Die Erinnerung ist bekanntlich das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben wird. Und wie er Moore’s „Midnight Blues“ zelebriert, ist unglaublich. Vergesst die Schubladen, spätestens jetzt ist Bonamassa in Frankfurt gelandet. Seine Jünger, von denen mindestens die Hälfte selber dann und wann eine Gitarre um Wohlstandsbauch schnallt, starren ihn ungläubig mit heruntergeklappter Kinnlade an. Atemberaubend. Egal, dass mir Gary Moore eigentlich nicht so gefällt. Bei allem gebotenen Respekt vor dem großen Techniker Gary Moore, der hat manchmal das Mögliche unmöglich gemacht, bei Bonamassa ist es umgekehrt. Der hat das Feeling, was auch immer er spielt. JB donnert mit irrer Geschwindigkeit über den Blues-Freeway und nimmt auch noch links (Hard) und rechts
(Rock ’n’ Roll) der Straße gerne ein paar Anhalter mit.
Den Kontakt zum Publikum sucht er nicht wirklich, JB stolpert des Öfteren gefährlich über die Gitarrenkabel und ist Eins mit seiner Arbeit. Mehr als ein paar „Thank You“ erreichen uns (vorerst) nicht. Zentraler Song seines bisherigen Schaffens ist wohl „The Ballad of John Henry“, der Fast-Hit, der nicht fehlen darf und ebenso zündet wie die o. g. Coverversionen, Blödsinn, Interpretationen, oder etwa „Sloe Gin“. Die Band liefert den perfekten Support für ihren Chef, der keinerlei Zweifel aufkommen lässt, dass er es ist, der Gibson umhat. Auch optisch hebt er sich im Maßanzug und mit Designerbrille von seinen Sidekicks ab, aber, und das ist auch schon selten, bloß gestellt werden diese nicht, so wie es z. B. ein Rory Gallagher mit seinen Musikern „vollzog“. Donnernder Applaus kommt nicht auf, eher höfliches „Crescendo“, liegt aber definitiv am allgemeinen Staunen seiner Fans. So ist es auch klar, dass die Band nach kurzem Bitten für zwei Songs zurückkommt, „Cheap Sunglasses“ von ZZ TOP, beendet einen Abend – we celebrated the guitar. Für mich persönlich war’s manchmal (selten) eine Note zu viel, dass ändert nichts am Fazit: Bonamassa, Bonamassa, Hail, Hail, Blues ’n’ Roll! Und „Cheap Sunglasses“ muss er wohl nie mehr tragen.
Gunther Böhm
Die Band:
Joe Bonamassa (Gitarren)
Carmine Rojas (Bass)
Tal Bergman (Drums)
Rick Melick (Keyboards)
Rekonstruierbarer Teil der Setlist:
Cradle Rock
Tennesse Plates
Midnight Blues
Dust Bowl
Happier Times
You Better Watch yYurself,
Woke Up Dreaming
Sloe Gin
Bird On A Wire
The Ballad Of John Henry
Cheap Sunglasses
Die Platten:
A New Day Yesterday (2000)
So It’s Like That (2002)
Blues Deluxe (2003)
Had to Cry Today (2004)
You & Me (2006)
Sloe Gin (2007)
The Ballad of John Henry (2009)
Black Rock (2010)
Black Country Communion (2010, Black Country Communion)
Dust Bowl 2011)
Two (2011, mit Black Country Communion)
Don’t Explain (2011, mit Beth Hart)
Driving Towards the Daylight (2012)
Die Live-Alben:
A New Day Yesterday – Live (2003)
Live from Nowhere in Particular (2008)
Live from the Royal Albert Hall (2009)
Live Over Europe (2012, mit Black Country Communion)
Joe Bonamassa – Beacon Theatre - Live from New York (2012)