Little Angels + Skin +
The Temperance Movement
16. Dezember 2012, Sheperd’s Bush Empire, London
Good Ol’ Fashioned English Rock ’n’ Roll
Das ist doch wirklich schön: Der London-Trip zu Gingers Geburtstagskonzert ist fix, die Zugfahrt (ja, damit kommt man auch auf die Insel!) gebucht, das Hotel reserviert und die Feinplanung beginnt ... und wie in den Vorjahren ist auch 2012 für den Vorabend beste musikalische Unterhaltung geboten: mit den Little Angels und Skin spielen zwei wiedervereinigte englische Hard Rock-Bands im Shepherd’s Bush Empire auf, die man zu Hause sicherlich erst einmal nicht zu sehen bekommt. Auf London ist halt Verlass!
Erste Überraschung beim Einlass: der Laden ist rappelvoll! Und das Shepherd’s Bush Empire ist nicht der kleinste ... hätte ich nicht gedacht, dass die beiden Bands, die musikalisch ja eigentlich jenseits von sämtlichen Trends liegen, noch so viele Fans ziehen. Der Altersdurchschnitt ist natürlich recht hoch, aber die Fans von früher haben die beiden nicht vergessen; unsere Freunde von der Insel sind bei einheimischen Rockbands ja traditionell schon immer sehr euphorisch gewesen (weshalb in den 90ern gerne auch mal Durchschnitt wie Terrorvision als große Zukunftshoffnung gehyped wurde) und die erfolgreichen Comeback-Auftritte beider Bands beim großen Download Festival werden auch dafür gesorgt haben, dass man wieder größere Hallen füllt.
Bevor die „Oldies“ jedoch die Bühne entern, darf aber erst einmal eine junge Band den Anheizer machen; der Fünfer trägt den wenig einprägsamen Namen THE TEMPERANCE MOVEMENT (habe ein wenig Probleme an diesem Abend, mir den Namen zu merken ... liegt sicher NICHT nur an den britischen Pints ...) und sind mir bislang völlig unbekannt; kein Wunder, gibt es die schottisch-britische Band erst seit knapp einem Jahr, aber zu einer selbstvertriebenen EP haben sie es schon gebracht. Gerne lässt man sich überraschen, das Outfit der Band (cooler 70ies-Look mit Schlapphut) lässt schon einmal aufblicken und was die nächste gute halbe Stunde folgt, haut mich ohne Übertreibung um wie kaum ein Gig einer mir unbekannten Band zuvor: die Jungs treten auf wie Vollprofis, rocken äußerst cool mit großem Black Crowes-Einschlag irgendwo im Dreieck Classic Rock, Blues Rock, Southern Rock und haben einen Sänger in ihren Reihen, der mit einer Stimme gesegnet ist wie eben der junge Chris Robinson und den teils eingängigen, teils sehr jammigen Songs die Krone aufsetzt. Die spielen erst seit letztem Jahr zusammen??? Nicht zu glauben, aber so schreiben sie es in Ihrer Bio. Meine späte Entdeckung des Jahres 2012 und ein ganz dicker Tipp an alle Rockinteressierten. EP kostet 5 Pfund, Vinyl einen Zehner auf ihrer Homepage.
Setlist:
Aint't no telling
Only friend
Be lucky
Midnight black
Take it back
Serenity
SKIN hatte ich zu ihren erfolgreichen Zeiten gar nicht als so richtig starke Band in Erinnerung; die Videos zum Debut, klassischer UK-Hard Rock, liefen damals (1994 ... Mann, ist das so lange her???) bei MTV rauf und runter, mit dem Zweitwerk „Lucky“ klang man dann ein bisschen mehr nach Zeitgeist, um sich mit dem Drittwerk „Experience electric“ dann leider den Grunge-Gnadenschuss zu verpassen. Ein Jahr später, 1998, dann vorerst Schicht im Schacht. Das Comeback-Album „Breaking the silence“ aus 2010 ging dann irgendwie an mir vorbei ... wie gesamt, nie groß auf dem Zettel gehabt. Aber in England waren sie schon immer recht angesagt und heute Abend, das ist die passende Location, das passende Publikum und schon zünden die Nummern mächtig. „Experience electric“ wird mal gepflegt unter den Teppich gekehrt; mehr als die Hälfte des Sets besteht aus Debut-Nummern, dazu zwei „Lucky“-Songs (der Quasi-Titelsong „How lucky you are“ war schon immer ein Kracher), zwei neue Tracks dazu, von denen vor allem der Gute-Laune-Rocker „Stronger“ überzeugt und schon feiern Band und Publikum eine amtliche 90er-Rock-Party, bei der vor allem eben die Hits des Debuts richtiggehend abgefeiert werden („House of love“, „Money“ und „Look but don’t touch“). Klar, die Lyrics sind teilweise immer noch unter aller Kanone („Tower of strength“, ey ...), aber Schwamm drüber: Neville MacDonald hat immer noch eine klasse Rockröhre, Gitarrist Myke Gray kann keine Sekunde stillstehen und tanzt teilweise wie ein Derwisch über die Bühne; allen nimmt man das Motto des heutigen Set-Openers voll und ganz ab: „Born to Rock ’N’ Roll“. Eine sehr unterhaltsame 90er-Hard Rock-Show, mit allem, was dazugehört: eingängigen Riffs, Stadionhymnen, Mitsingspielchen und ein wenig sympathischem Posing. Gunther hätte es voll und ganz gehasst.
Setlist:
Born to Rock ’N’ Roll
Money
How lucky you are
House of love
Stronger
Shine you light
Tower of strength
Take me down to the river
Perfect day
Look but don’t touch
Lange ist es her, dass die LITTLE ANGELS mal in heimischen Gefilden waren; 1993 habe ich sie vor Bon Jovi in Mannheim gesehen; damals als Jon Bon noch ernstzunehmende Musik aufnahm … super war’s! Ein Jahr später war traurigerweise auch hier Ende (bei den Little Angels leider natürlich ...), ohne in Deutschland jemals ansatzweise den Durchbruch geschafft zu haben. Aber in UK ... ihr wisst schon, englische Bands und so: 2012 dann die überraschende Download-Reunion und diese Tour. Und heute Abend fahren die kleinen Engel die große Palette auf: sieben Mann stehen auf der Bühne, die Band plus eine kleine Horn Section. Hier wird handgemacht musiziert und nicht gesampelt, Chapeau! „She’s a little angel“, „Kickin’ up dust“, „Boneyard“ – OK, der Weg für heute ist geebnet. Die Band spielt perfekt zusammen bei tollem Sound, die Horn Section gibt dem ganzen den leichten Funk-Touch und Toby Jepson ist nicht nur optisch in den letzten 18 Jahren kaum gealtert, sondern singt wie ein junger Gott und trifft wirklich JEDEN Ton. Reihenweise eingängige Klassesongs haben sie ja sowieso auf ihren drei (vier mit der EP-Compilation) Alben, der erste ganz große Höhepunkt dann „Don’t pray for me“, der Fast-Titelsong des Debuts, von Toby akustisch und solo eingeleitet und sehr emotional gesungen, Gänsehautgarantie, sehr schön gemacht. Die rockigen Nummern werden sowieso abgefeiert, bei Material wie „Back door man“, „That’s my kinda life“ oder „The way that I live“ geht heute Abend auch nichts schief und vor allem bei den ruhigen, balladesken Songs zeigen die Fünf plus Zwei, dass sie gestandene, erstklassige Musiker sind. Die Setlist lässt kaum Wünsche offen; lediglich die Frage, ob ein Bryan Adams-Cover sein musste, kann man unterschiedlich beantworten ... egal, nach 75 Minuten dann das furiose Finale mit „Young gods“ und London steht noch einmal Kopf. Was Mannheim 1993 schon andeutete, wurde heute Abend eindrucksvoll untermauert: eine klasse Band, die mal wieder unverdientermaßen in Deutschland niemanden interessiert hat. Leider wird wohl auch demnächst wieder Schluss sein.
Setlist:
She’s little angels
Kickin’ up dust
Boneyard
Radical your lover
The way that I live
Back door man
That’s my kinda life
Don’t pray for me
Soapbox
Womankind
I was not wrong
Kids wanna rock
Too much, too young
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I ain’t gonna cry
Young gods (Stand up, stand up)
Ein super Abend und die perfekte Einstimmung für den Folgetag.
Florian Störzer