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Henrik Freischlader

10. Oktober 2012, Jubez, Großer Saal, Karlsruhe

Blues? Stilgemetzel!

Gudi hat uns vor Wochenfrist nach der US Rails Show (Heilbronn) gewarnt: „Leute, der ist laut, und wenn ich das schon sage, ist was dran. Und irgendwie kalt.“

Mit der aktuellen LP „House In The Woods“ spielt sich der knapp 30jährige endgültig auf den nationalen Gitarrenolymp. Nicht wirklich eine Scheibe, die Bluespuristen innehalten lässt, aber der Spagat zwischen Hendrix, Stevie Ray Vaughan und den gelegentlichen Funkattacken eines Lenny Kravitz gelingt. Perfekte Produktion, klanglich nicht ohne Wärme, die ihre stärksten Momente bei den ruhigen Nummern (Breaking My Heart Again) findet. Sehr empfehlenswertes (Rock-) Album, dass ohne Studiomätzchen und Overdubs live eingespielt wurde. Nervosität kommt nur bei der zitierten Ahnenreihe Freischladers auf, das Blueschamäleon Gary Moore (war ohne Zweifel ein fantastischer Gitarrist) steht weder bei „Bang-Your-Head-Florian“ noch bei mir im oberen Drittel des Zettels. Unsere Live-Novizin Nadine geht ohne Vorlasten zur Blues-Messe, Henrik, wer…?

Überraschung Nummer 1 – die Show findet im großen Saal statt (blieb uns bisher verborgen), Überraschung Nummer 2 – ein für diese Verhältnisse riesiger Merchstand mit allen denkbaren Ablassbriefchen (sogar Tapes inkl. Walkman) und last but not least, Überraschung 3 – es ist ziemlich voll! Jaja, Henrik, wer…? Cool, dass die Band am zweitschwierigsten Konzerttag der Woche (lt. Florian nach Montag) an einem Mittwochabend so viel Freaks zieht. Der Blues erlebt wohl das längste Revival der Musikgeschichte – seit 100 Jahren!

„What time is it?“ sind die ersten Worte des Gitarrenzauberers und da die gewünschte Antwort auf sich warten lässt, liefert diese Henrik Freischlader gleich mit: „It’s Showtime!“. O.K., haben verstanden. Gleich bollerts aus den Amps, die Strat ist sein Hackbrett, drauf hat er’s ohne Frage. Eindeutig, ein Wanderer zwischen den Welten, dessen instrumentale Klasse zu groß ist um sich auf ein kleines, wiederkehrendes Schema einzulassen. Die ersten drei Nummern entspringen ausnahmslos „House In The Woods“ ohne Gegniedel, in vier Minuten abgehandelte Songs, knochentrockener Rockanteil, nicht so übel. Narzisstische Soli? Bisher Fehlanzeige. Bluesfeeling? Kommt noch, bestimmt. Als der Spannungsbogen einzuknicken droht, liefert er ein starkes „In The Skies“ ab, vom noch viel stärkeren gleichnamigen Peter-Green- Album. HF inszeniert regelrecht den Green’schen Laid-Back-Sound, clever arrangiert und, hey, Deja vu, so läuft die Bluesmugge. Leider, sorry, die Ansagen fallen von Nummer zu Nummer stärker ab. Freischlader hängt sich selbst in den Musikrahmen (s)eines Bildes einer exklusiven Galerie und wir stehen ehrfurchtsvoll vorm Gitarrenmessias: „Hab an ’ner Musikhochschule einen Blues-Gitarren-Workshop belegt, kann das ja gar nicht, aber Leute, wichtig, wenn ihr die A-Saite spielt, immer ein wenig die E-Saite mit anschlagen.“ Was soll das? Rock the House, Baby, …it’s Showtime!

Vorläufiger Höhepunkt des Abends wird „The Bridge“ von „Recorded By Martin Meinschäfer“ (der auch heute Abend den Sound verantwortet), hier lässt der Blues-Apologet die Saiten glühen, die Rhythmusfraktion spielt sich die Seele aus dem Leib und Fuhrhop wechselt entrückt zwischen Hammond und Keyboard, blickt mit leeren Augen ins Muggenvolk, wendet sich ab, um uns gleich noch einen schrägeren Blick hinterher zu schicken. Wenn Du genau hinschaust, das ist ein Hühnerfuß in der linken Louisiana-Hemdtasche, Augen zu, Dr. John, Augen auf, Fuhrhop oder Mac Rebennack auf Junk, oder wer? Egal. Hammersong! Es geht. Es geht vor allen Dingen abwärts. In der zweiten Hälfte der Show wechseln sich nicht identifizierbare aber austauschbare Rock-Blues-Nummern ab, garniert von wenig relevanten Ansagen, die auch nur zaghaftes Gelächter im Publikum hervorrufen. Ein kurz angeschlagenes Riff, „…Stadion Rock ist nicht mein Style.“
Sprach’s und versumpft in einem zwanzigminütigen sinnentleertem Musikschulengejamme(r), dass nur dem Ego des Hauptprotagonisten dient und mit der Absage „Gestern Abend kam’s nicht so an“ gerechtfertigt wird. Nein, heute Abend auch nicht! Als wir endgültig kapitulieren wollen, sendet die Band mit „Come Together“ eine wirklich gelungene Beatles-Botschaft an die Leute, es wird sogar getanzt, wobei nicht klar ist, ob das Freigänger waren, die einfach Spaß hatten.
Bei den ruhigeren Nummern flackert sogar Feeling auf. Gut möglich, dass bisher zwölf Shows in vierzehn Tagen Tribut fordern. Und es stehen noch sechsundvierzig (!) weitere Gigs innerhalb kürzester Zeit im Tourfile. Was bleibt ist eine perfekte Band, die es an diesem Abend nicht vermocht hat, uns zu berühren. Eigentlich ein Blues-Todesurteil, da die Platten das Gegenteil dokumentieren, stirbt die Hoffnung keinesfalls. Die Ablassbriefe am Merchstand bleiben auch liegen, denn …es gibt Tage, von denen wir sagen, wir lieben sie nicht! (Prediger 12, 1) Gudi, stimmt – kalt war’s!

Gunther Böhm


Die Band:
Henrik Freischlader: Gitarren, Vocals
Theofilos Fotiadis: Bass, Vocals
Björn Krüger: Drums
Moritz Fuhrhop: Hammond, Keyboard
Die Platten:
The Blues (Henrik Freischlader Band, 2006)
Get Closer (Henrik Freischlader Band, 2007)
Henrik Freischlader Band Live (3 CD‘s) (2008)
Five Live In The Kitchen (2008)
Recorded By Martin Meinschäfer (2009)
Tour 2010 Live (2 CD’s, 2010)
Still Frame Replay(2011)
The Soul Of HFB - Funk ’n’ Blues Ballads (2 CD Compilation, 2012)
House In The Woods (2012)