Pretty Things
28. Mai 2014, Bensheim, Rex
God Give Me The Strength (To Carry On)
Muss ich mir Sorgen machen?
Scheinbar hat meine Überzeugungskraft nachgelassen. Florian I denkt „das ist wohl eher nichts für mich“, Florian II (aka. der Kleine) schlägt Neil Young vor, hä (?), in welchem rockhistorischen Kontext stehen die britischen Rhythm ’n’ Blueser zum kanadischen Erfinder des Endlosfeedbacks (??), Willy hat Wichtigeres vor („das nächste Mal gerne wieder“ – bleibt zu hoffen, dass es ein nächstes Mal geben wird), halt, Rudi hat ein Jobticket und keinen eindimensionalen Musikfundus und im Pass ein Geburtsdatum, das Dir um Haaresbreite den Gratiszugang ermöglicht. Fast. Coole Sache, Jobticket Heidelberg – Bensheim, 2 Dosenbier (machen schlau), Bensheim – Heidelberg ein paar Bier weiter und einen absolut soliden Auftritt im Gepäck.
Die Urväter Phil May (voc) und Dick Taylor (g) demonstrieren unkaputtbaren R ’n’ B, ohne das Genre, dass das britische Bluesrevival dann letztendlich losgetreten hat, auch nur ansatzweise ins lächerliche zu ziehen, wie heutzutage irgendwelche knapp beschürzten, zumeist farbigen, Botoxtussen. Auch eine Art von Verleugnung.
Dick Taylor, der bekanntermaßen bei einer anderen Band für Bill Wyman seinen Platz räumen musste, ist bestimmt nicht der Virtuose an der Gitarre, das Feeling für den Blues-Klassiker „Little Red Rooster“ oder die Psych-Orgie „L.S.D.“ hat er allemal, so locker wie Phil May mit urwüchsiger Kraft seinen Vocalpart beherrscht. Gradlinige Rockmusik mit hohem Wiedererkennungswert, erstklassiges Handwerk, auf das sich unzählige 70er-Heroen berufen, Led Zeppelin oder Kiss, um nur zwei zu nennen. Völlig unrelevant, ob die Pretty Things nun ihren Klassiker „Don’t Bring Me Down!“ anbieten oder nicht, John Mayall verzichtet schließlich auch auf „Room To Move“.
Nach allen Eskapaden, dem kommerziellen Aus, dem kreativen Niedergang, ungezählten Besetzungswechseln sind die Pretty Things im aktuellen Jahrzehnt des neuen Jahrtausends angekommen, als das was sie sind: Eine schnörkellose Rockband im 50. Jahr ihres Bestehens.
Und „Mehr“ wäre ja auch irgendwie zu viel!
Die Alben (Auszug):
The Pretty Things (1965)
Get The Picture? (1965)
Emotions (1967)
S. F. Sorrow (1968)
Parachut (1970)
Freeway Madness (1972)
Silk Torpedo (1974)
Savage Eye (1975)
Live (1978)
Cross Talk (1980)
The Monster Club (1981)
Live At The Heartbreak Hotel (1984)
Out Of The Island (1987)
On Air (1992)
Knights Of The Blues Table (1997)
Resurrection (S. F. Sorrow, 1998)
... Rage Before Beauty (1999)
All Light Up (EP/2000)
Balboa Island (2007)
Parachute Reborn ( 2012)
Sehr empfehlenswert die Werkschau: „Unrepentant“ (SPV/DCD)
Gunther Böhm