Black Cat Bone
10. Oktober 2014, Mannheim, HBF
Lonesome „S“
Es regnet. Rudi verweigert. Florian zieht trickreich die Infos ab: „Nö, auf Blues hab’ ich keine Lust“. Ist egal, wird für heute Abend um ein „B“ reduziert, Blues & Beer reicht völlig aus. Ich lege das Totenkopf-Ornat an, wie immer nur an hohen 12-Takt-Tagen. In allerletzter Sekunde der Sprung in die S-Bahn Richtung Rhein-Neckar-Delta, ohne Fahrkarte, fast stilecht, wie früher. Anständig beim Öler nachgelöhnt, muss ja alles seine Ordnung haben. Vor dreißig Jahren bist du da schon ins Schwitzen gekommen, auf’m Weg zur Diestelmannmugge mit Fahrkarte? Hmhm, das Ticket war fünf Bier wert. Ständig auf der Flucht vorm Knipser – der vorne mit der Kelle raus, wir am Zugende wieder rein. Reichsbahntramper, Reichsbahnblues, das ist vorbei, irgendwo beim Marsch durch die Blues-Instanzen hängengeblieben? Ich wische das weg, höre Dave Alvin. Zugtramper, da mach ich was in der vorübergehend stillgelegten Blues-Kolumne. Wird auch wieder mal Zeit.
Der Tag beginnt fad, Freitag, laue Woche abgehakt, das immer gleiche Lamento, Kundenprobleme zwischen Unterschichtfernsehen und Atemlos.
Suche ewig nach der „Taylormade-CD“ zum eingrooven. „Ist ja auch kein Wunder“ höre ich eine sanftmütige Stimme (und dennoch voller Ironie) „dass du nichts mehr findest (gemeint ist eher ´wenn du nicht mehr weißt, was du alles hast, brauchst du auch nichts mehr kaufen´ – war ein netter Versuch) bei der Anzahl“. Jaja, und was ist das? Im Triumpfgefühl ziehe ich Black Cat Bones aus dem Blues-Schuber, alles schön an seinem Platz! Die Sache mit dem fehlenden „s“ verschweige ich. Im Auto dreht sich „Barbed Wire Sandwich“, zentnerschwerer Britblues, eher rau, mit Rod Price an der Klampfe der die Blues-Licks durch die erschlafften Aden jagt und für das Wochenendadrenalin sorgt. Wieder eines dieser Alben, dass mühelos mit dem Prädikat „Sonderklasse“ auskommt. Das einzige, der Bones, später spalteten sich Free und Foghat ab. Für heute sind die Prognosen andere …
Die Sache mit dem Blues auf’m Bahnhof ist nicht neu. Es gibt wohl keinen Ort auf der Welt, der Fernweh, Heimweh und Vergänglichkeit besser symbolisiert, Friedhöfe mal ausgenommen. Einst (also vor’m Marsch durch die Instanzen) haben wir mit Hohner-Blues-Harp und schlecht gehopftem Bier (ach was, gehopft, da war Rindergalle drin, das ist Blues) auf Bahnsteig 4 abgehangen. Sehnsuchtsvoll den Zügen hinterhergeschaut – gen Westen. Authentisch war das schon! Neu ist das wirklich nicht, der Bahnhofsblues, (Reichsbahnblues) aber eine coole Idee, allemal.
Der Bügelfalten-Jeanstyp mit akkuratem Zöpfchen (das wohl Freakness demonstrieren soll) grinst breit von der Bühne. Irgend ein Mannheimer Werbeverein macht nicht mehr mit, blablabla, „aber ich wäre nicht ich“, (Originalzitat) blablabla, wenn ich nicht, blablabla … cool will der sein, stolziert Gockel gleich durch seine Bewunderer, ein Lächeln hier, ein joviales Schulterklopfen dort, Bussi links, Bussi rechts, man kennt sich schließlich - ich mache den Bahnhofsblues. „Ichichich“, kriegt kaum noch Luft! Die Kulturtype mit WE-Freakness ist so cool, dass er die Promotante mit ihren Schokoriegeln ermahnt. Mann, die macht auch nur ihren Job.
Mick-Taylor-Sammler kennen die „Taylormade“, liegt nicht im Blues-Schuber, file under Stones. Ein ordentliches Album mit guter Slidearbeit des Protagonisten und einer soliden Backingband. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Keine Ahnung warum Mick das gemacht hat?
Eigentlich kann nichts schiefgehen, die Sache mit dem „s“ habe ich längst vergessen, der Kultur-Narziß hat die Bühne geräumt (endlich), die Show ist „fer umme“, Bier 1,55 €, hier und da „Fachpersonal, Fender- und Strat-T’s, die Mannheimer Rainer-Langhans-Varinte mit „The Brew“-Shirt und ein donnernder Texas-Blues-Opener „Further On Up The Road“, sehr groovy, elektrifiziert, sexy, aufgeladen- von Bobby „Blue“ Bland“ glaube ich zumindest. Die Bahnhofs-Amps glimmen, das Keyboard zu laut und voll diabolischer Ekstase. Die Lautstärke bekommt der Soundtüftler nach ein paar Anläufen in den Griff – den Tasten-Beelzebub nicht.
Shuffle it all, die Bühne ist warm für Tanja Telschow. Mit Vocal-Ladies hab ich’s ja nicht so: zuerst Janis Joplin, dann Janis Joplin, dann Patti Smith, dann Lucinda Williams. Halt, stop, Carolyn Wonderland, evtl. Dana Fuchs, das war’s dann aber auch.
Ein paar Monnemer Bluesenthusiasten fachsimpeln über eine „Blues-Röhre“. Hmhhmh, naja, Röhre, die Stimme ist passabel, sicher in den Tonlagen, mit leichtem Vibrato, phrasierend, mir fehlt die Blueserdung. Sehr, sehr funky, was ja nicht schlecht sein muss, mit Clarence Gatemouth Brown im „Schwarzen“ konnte ich nicht rechnen. Die Show kippt Richtung Funk & Soul (um), komisch, immer wenn ich mich geordnet zum Bierholen zurückziehen will, bekommen die Tübinger die Kurve. Formidabel Freddie Kings „Pack it Up“, klar, Blues-Funk (is a fact), brodelnd, pluckernd, mitwippend, shake your hips, Baby, und wahrlich, da ist Tanja bestens ausgestattet. Der Bahnhof strahlt. Es ist 20 Uhr. Kurpfalz-Feierabend.
Der andere König, Albert, wird von einer zufällig anwesenden „Voice of Gemany“ (klar, die laufen einfach so in Mannheim auf dem Bahnhof rum) bei „Born Under A Bad Sign” völlig zerlegt, abmontiert, ausgefranst, zerschreddert – und in einem furiosen Finale wieder zusammengesetzt. That’s Funk, Baby, wobei sich Tanja Telschow’s Begeisterung, die sich hinterm Tieftöner versteckt, sichtbar in Grenzen hält, Voice-Zugabe, nochmal kurz die Protagonistin an die Wand singen, Pause, Bierholen, zweiter Set und siehe da: die Reihen lichten sich etwas. 0-Euro-Macker halt. Scheiß drauf. Ich wollte auch verschwinden, aber irgendwie fesselt & fasziniert mich die Show. Viel zu gut für Ignoranz.
Black Cat Bone sind zumindest Grenzgänger des Blues. Kann sein, dass das früher anders war. Ein famoses „I Just Wanna Make Love To You“ beendet die Bahnhofsnacht.
Mit Hubert Sumlin in die Woche gestartet, die Britblueser haben die Latte extrem hoch gelegt. Die Tübinger (die ohne „s“) – unten durch gesprungen sind sie nicht, aber souverän außen vorbei gelaufen. Und Abi Wallenstein zeigt uns die Wurzeln, 7.11., schön mit Fahrkarte.
Die Band:
Tanja Telschow (voc)
Stephan Wegner (b)
Uli Wagner (dr)
Gunter Richter (l-g)
Martin Holzner (keyb)
Die Alben:
Black Cat Bone (1980)
Am Arsch der Welt (1983)
Live (1984)
Livin' On The Hog (1985)
Delta Blues (1990)
Men Smart, Women Smarter (1991,Katie Webster & BCB)
Blue Shadows (1994, BCB feat. Chris Farlowe und Guitar Crusher)
Message To Man (1995, Guitar Crusher feat. BCB)
Taylormade (1997, BCB feat. Mick Taylor)
First, Second, Third ... The Early Years (1999)
Viewpoint (2009)
Live At The Pavillon (2013)
Gunther Böhm