Guns N‘ Roses + No One Is Innocent
11. Juni 2012, Zenith, Strasbourg
Welcome… To The Jungle?
Zig Jahre ist es her, dass sich die Gunners zu einer richtigen Tour in Deutschland bzw. Europa blicken ließen... viele Jahre, in denen einiges passiert ist. Die Band ist bis auf Axl und Dizzy Reed eine komplett andere, der längste Running Gag der Musikgeschichte, „Chinese Democracy“ erblickte 2008 tatsächlich das Licht der Welt und Axl Rose war eigentlich immer mehr in den Klatschmedien als in der Rockpresse vertreten. Vier Jahre nach „Chinese Democracy“ war es dann tatsächlich soweit... und da ich die Gunners zur Hochphase nie live sehen konnte (da war ich einfach noch zu jung... im Gegenteil zu meinem älteren Bruder, live in Stuttgart mit Faith No More und Soundgarden im Vorprogramm!!), doch eine späte Gelegenheit, eine Lücke zu schließen und die alten Kracher mal live zu hören. Auf nach... na ja, Deutschland war auf der Europa-Tour nur mit einem Open Air in Gladbach auf der Tourkarte, also auf ins nahe Elsass!
Vor der Halle wurde meist deutsch gesprochen, klar, wir waren schon um kurz vor sieben dort, da lief das EM-Spiel Frankreich gegen England noch, weswegen sich die Halle eher später mit französischen Fans füllte. Wer genau Vorband machen sollte, das wusste im Vorfeld eigentlich keiner, da nirgends etwas angekündigt war. Zumindest hingen dann aber NO ONE IS INNOCENT-Shirts neben allerlei hässlichen Gunners-Fummeln für 30 Euro am Merch-Stand. Da es im Zenith nicht viel zu sehen gibt, nahmen wir gleich unsere Plätze ein (Sitzplätze sind zwar weniger Rock ‘n‘ Roll, aber irgendwie hatten wir welche) bzw. ließen uns von einer niedlichen Platzanweiserin dorthin führen und uns ein „Bonne spectacle“ wünschen. Um dreiviertel Acht entschied sich dann mein Kumpel Andreas, noch ein 6-Euro-Heineken zu kaufen, war ja noch ein bisschen hin bis zum Beginn... eine gute Idee, aber als er dann um viertel nach neun (!!) wieder zurück auf den Rängen war, waren nicht nur No One Is Innocent schon seit einer Viertelstunde durch, sondern auch der Abbau schon fast erledigt. Zwei Bierstände hatten die Franzosen aufgemacht, und vor jedem standen rund 500 Menschen minimum... also musste ich ihm nach einigen wüsten Beschimpfungen auf das Organisationstalent unserer westlichen Nachbarn erzählen, was er verpasst hatte: NOII hatten es geschafft, mit ihrem punkigen Sound und ihren französischen Texten und Ansagen recht gut Stimmung zu machen und konnten die große Bühne auch gut ausfüllen. Meine Französischkenntnisse reichten zwar leider nicht, um die wohl politischen Texte zu verstehen, aber musikalisch überzeugte das nach kurzem Anlauf durchaus; harter, moderner Alternative-Rock mit einer derben Punk-Schlagseite á la den Briten Gallows z. B., versehen mit Soundeffekten vom Keyboarder. Rockte gut!
Anschließend begann das Warten auf Godot, äh, Axl. Man weiß ja nie, wann er Lust hat, auf die Bühne zu gehen, demnach stellten wir uns auf eine mehrstündige Wartezeit gedanklich ein, und waren überrascht, dass kurz nach zehn die Lichter schon wieder ausgingen, die imposante Bühne enthüllt wurde und die achtköpfige Band unter tosendem Beifall auf die Bühne kam. „Chinese Democracy“, der Titelsong, war der Opener, und auch Pyros und fünf (!) Videoleinwände konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Song außer einem breitbeinigen Stadionrock-Riff nur einen großen Haufen heiße Luft zu bieten hat. Aber gut, „Welcome to the jungle“, It‘s so easy“ und „Mr. Brownstone“ folgten, aber irgendwie... klar, hier stand eine komplett andere Band auf der Bühne, die im Grunde nur noch den Namen der Rocklegende trägt, aber schnell wurde klar, dass die alten Dinger heute nicht zünden. Das war steril, natürlich kompetent gespielt, aber diese dreckigen alten Rocksongs mit dieser Multimediashow, das passte nicht. Mit „Sorry“ von Chinese Democracy, „Rocket queen“ und „Estranged“ folgten drei weitere Nummern, ehe das erste von viel zu vielen Soli folgte und nach der Sterilität der Show den zweiten großen Kritikpunkt zeigte: Axl‘s neue Leute sind objektiv gesehen klasse Musiker, können natürlich alle super spielen, aber zum einen sind sie alle fürchterliche Poser (v. a. DJ Ashba und Bumblefoot) und zum anderen besitzt keiner auch nur ansatzweise die Ausstrahlung, das Charisma oder einfach die Klasse eines Slash. Jeder spielte ein viel zu langes Solo und teilweise auch noch einen eigenen Song und langweilte damit. Richard Fortus solierte als erster, dann ging‘s weiter in der Setlist und mit dem folgenden Chinese Democracy-Block auch gleich zum dritten großen Kritikpunkt: die Songs der „neuen“ Platte können allesamt gar nix, „Shackler‘s revenge“ z. B. ist grauenhafter pseudo-moderner Industrial-Rock-Mist und verdient den Namen Guns N‘ Roses nicht... solchen Sound haben Filter vor 15 Jahren schon viel besser gemacht. Leider standen insgesamt sieben davon in der Setlist und ich überlegte mir zwischenzeitlich, ob ich nicht auch noch mal kurz Bier holen gehe... aber mit „You could be mine“, „Sweet child o‘ mine“, „November rain“ und „Civil war“ durfte man dann doch mal endlich gute Songs hören. Na ja, genug gemeckert... was war positiv? Einfach gesagt: Axl! Der sang gut, wirkte fit, motiviert und sogar freundlich... an ihm kann man nichts kritisieren außer seinen albernen Cowboyhüten. Dass er sich ab und zu mal zu Ruhepausen hinter die Bühne verzog, das war absolut ok, er ist nicht mehr der Jüngste und bei einer Gesamt-Spielzeit von drei Stunden (!) auch absolut verständlich. Vielleicht wollte er auch einfach diesen Solomist seiner Mietmusiker nicht hören.
Viertel nach eins war dann Schluss... und im Grunde war ich auch froh, dass es vorbei war. Eigentlich habe ich im Vorfeld gerechnet, in erster Linie negatives über Axl sagen zu können, aber das meiste, was für mich nicht gepasst hat, hat nicht mit ihm direkt zu tun: nervige Mitmusiker (v. a. die Gitarristen), viel zu lange Show dank überflüssiger Soli und Solo- und Coversongs, sterile und überladene Show, die nicht zu den alten Songs passte sowie komplett „das dreckige“ vermissen ließ und natürlich (und das geht an Axl...) zu viele Songs vom miesen neuen Album. Trotzdem war es nett, mal die alten Klassiker zu hören, aber beim nächsten Gunners-Gig in der Nähe werde ich es mir lieber mit einer Pulle Jack Daniels in meinem Wohnzimmer gemütlich machen und dreimal am Stück „Appetite for destruction“ laufen lassen.
Setlist:
Chinese democracy
Welcome to the jungle
It‘s so easy
Mr. Brownstone
Sorry
Rocket queen
Estranged
Shackler‘s revenge
Richard Fortus Guitar Solo
Live and let die (Wings Cover)
This I love
Better
Motivation (Tommy Stinson song)
Dizzy Reed Piano Solo (Baba O‘ Riley)
Street of dreams
You could be mine
DJ Ashba Guitar Solo (Ballad of death)
Sweet child o‘ mine
Instrumnetal jam (Another brick in the wall Pt. 2)
Axl Rose Piano Solo (Goodbye Yellow Brick Road/Someone saved my life tonight)
November rain
Glad to be here (Bumblefoot song)
Don‘t cry
Civil war
Knockin‘ on heaven's door (Bob Dylan cover)
Nightrain
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Instrumental jam
Madagascar
Whole lotta Rosie (AC/DC cover)
Intrumental jam
Patience
Instrumental jam
Paradise city
Florian Störzer