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Bolt Thrower, Morgoth, Incantation

28. September 2014, Aschaffenburg, Colos-Saal

This time it’s war!

Bolt Thrower sind ein Phänomen. Obwohl das letzte Album ganze acht Jahre zurück liegt, scheint die Band nach wie vor laufend in ihrer Popularität zu steigen. Woran liegt es, dass das britische Death Metal-Schlachtschiff trotz jahrelanger Album-Funkpause immer größere Festival-Bühnen füllen kann? Neben der grandiosen Musik sicherlich zu einem großen Teil an der bodenständigen und sympathischen Art der Briten und an ihrer konsequent durchgezogenen DIY-Mentalität: Merchandise gibt es nur bei Konzerten, zu Spottpreisen, Touren werden selbst organisiert, die Ticketpreise niedrig gehalten und das Billing mit hochkarätigen Vorbands bestückt. So auch auf der 2014er „Overtures of war“-Tour: man spielt die selben Clubs wie auf der letzten, auch schon mehrere Jahre vergangenen, Tour, und das obwohl z.B. auf dem Summer Breeze seinerzeit bis zu 2000 Leute alleine den bandeigenen Merchstand belagerten, verlangt knapp 18 Euro und holt mit der wiedervereinigten Sauerländer Legende Morgoth einen echten Leopard-Panzer ins Vorprogramm; die Schützenhilfe teilen sich je nach Auftrittsort drei weitere Bands, von denen u. a. in Aschaffenburg die US-Amerikaner Incantation ran dürfen. Sicherlich eine gute Wahl, sieht man nicht alle Tage. Dass die Schlacht auch noch im Colos-Saal in Aschaffenburg stattfindet, rundet das ganze ab, einer der schönsten Kriegsschaupl... äh ... Clubs in Deutschland. Gemütlich, schön gelegen und immer mit einer Top-Akustik gesegnet. Natürlich sind wir früh vor Ort, gibt ja endlich mal wieder Merch. 12 Euro das Shirt, unfassbar. Kein Wunder, dass wieder ein Andrang herrscht, als wären Care-Pakete abgeworfen worden – jeder greift zu, wir nur für den Hausgebrauch (ich zwei Bolt Thrower-Shirts, ein Hoodie und eine äußerst cooles Morgoth-Shirt, ebenfalls für einen Zwölfer), aber manche andere Zivilisten kehren mit Bergen von Textilien in allen Größen zurück – vielleicht die Angst vor dem nuklearen Winter, vielleicht aber auch ein kleines Zusatzgeschäft über ebay ... das bringt die Verknappung mit sich ...

Egal, Zeit für Musik! Incantation eröffnen das mehrstündige Dauerfeuer. Obwohl die Amis auch schon 25 Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel haben, bin ich mit ihrem Material kaum vertraut – hat sich nie ergeben. Ihr technischer Death Metal kommt sehr finster aus den Boxen, pendelt zwischen doomig bis Blastbeat-Gewitter und wird mit tiefen, fast unmenschlichen Growls von Bandchef John McEntee gekrönt. Leicht ins Ohr geht das keineswegs, aber spieltechnisch ist das schon ziemlich over the top – könnte man sich mal bei Gelegenheit genauer mit beschäftigen.

Setlist Incantation:
Dirges of Elysium (Intro)
Shadows of the ancient empire
Vanquish in vengeance
Oath of armageddon
Portal consecration
Profanation
Impalement of divinity
The ibex moon
Carrion prophecy
Impending diabolical conquest

Wie immer sind die Alliierten mit anständigen Spielzeiten ausgestattet; während Incantation 45 Minuten ran durften, bleibt Morgoth eine ganze Stunde Zeit, um dem Old School Death Metal zu frönen. Richtig altes Kampfgerät kommt zum Einsatz, die kurze Phase der modernen Kriegsführung („Feel sorry for the fanatic“, 1996) wird totgeschwiegen – „Cursed“, „Resurrection absurd“ und „The eternal fall“, das sind die Alben bzw. EPs, aus denen sich die Setlist zusammensetzt. Klassiker folgt auf Klassiker, der sympathische Frontmann Marc Grewe gröhlt, als hätte es die jahrelange Pause nie gegeben und bei der Gitarrenfraktion Harald und Sebastian sind zwar die Haare etwas kürzer geworden, aber die Riffs sitzen wie eh und je. Einen viel besseren Anheizer hätten Bolt Thrower kaum einladen können, die Publikumsreaktionen sind euphorisch und bereits nach wenigen Songs hallen „Morgoth“-Sprechchöre durch das Rund. Zwei neue Songs, „God is evil“ und „Die as deceiver“, unlängst als 7" veröffentlicht, kommen auch zu Live-Ehren und machen Hoffnung auf ein cooles Comeback-Album. Schön, dass die Reunion nicht nur eine kurzfristige Live-Geschichte war!

Setlist Morgoth:
Cursed (Intro)
Body count
Exit to temptation
Suffer life
Sold baptism
God is evil
Under the surface
Resistance
White gallery
Die as deceiver
Burnt identity
Isolated
Pits of Utumno

Okay, aber jetzt auf die Knie und in den Staub, Unwürdiger. Und dann lass dich von Bolt Thrower, der britischen Kriegsmaschine überrollen. Die britischen Kriegshelden werden von Aschaffenburg triumphal empfangen, ehe eine 75minütige Schlacht beginnt, die wie immer ihresgleichen sucht. Diese Grooves, diese Soundwand, diese Gitarrenleads, diese Melodien – das ist Death Metal in Reinkultur, hier zelebriert eine Legende ihren völlig eigenständigen Sound und hinterlässt nichts als verbrannte Erde. Das Colos Saal steht wie erwartet Kopf und ... shit, bei diesem Groove, diesen Melodien, dieser puren vertonten Macht, da bringt es gar nichts, irgendwie Worte zu suchen, die das beschreiben, das muss man live am eigenen Körper erlebt haben. Und hier verbietet sich auch irgendwie jegliche Kritik. Karl Willets’ Growls waren schon einmal kräftiger? Mag sein, aber auch in etwas heiser gehört da keine andere Stimme hin. Der Sound ist anfangs noch nicht ganz eingependelt? Ja, und? 75 Minuten gibt es eine sehr oldschoolige Setlist auf die Ohren, immer wieder springen Stagediver in die Menge und beim Titelsong des „The 4th crusade“ Albums kann sich eine Stagediverin gar nicht entscheiden zu springen, kniet erst vor Bassistin Jo Bench, um dann mit Karl gemeinsam den Song zu grunzen. Überragend, wie nicht anders erwartet – warten wir gespannt, was die Zukunft bringt ... vielleicht ja doch irgendwann mal neues Material, und wenn nicht, dann tourt halt einfach weiter, kommt alle paar Jahre mal in die Clubs und haut und diese Grooves!!! diese Melodien!!! und dieses Feeling!!! um die Ohren. Und lasst all die Kriegsdienstverweigerer wie mich ausrasten.

Setlist Bolt Thrower:
Intro (Battle for Britain Theme)
War
Remembrance
Silent demise
World eater / Cenotaph
Inside the wire
Warmaster
This time it's war
Where next to conquer
The 4th crusade
No guts, no glory
... for victory
The killchain
Powder burns
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At first light
When cannons fade

Florian Störzer