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Bob Dylan and Mark Knopfler

25. Oktober 2011, SAP-Arena, Mannheim

Money for nothing? – A unique evening

Diese Kollaboration, die schon bei der ersten Pressemitteilung Gänsehaut erzeugt, wird, so viel ist sicher, die SAP-Arena locker ausverkaufen, wenn auch bestuhlt. Sich über die Preise von bis zu über 100 Euro aufzuregen ist, angesichts der allgemeinen Fan-Abzocke, inzwischen müßig. Dumm, wenn Teile des Auditoriums glauben, dass nicht geliefert was bestellt wurde. Da stehen Musiker auf der Bühne und keine lebenden Jukeboxen!

Die musikalischen Gemeinsamkeiten der Troubadore liegen nun schon über 32 Jahre zurück, haben doch Bob Dylan und Mark Knopfler (u. a. mit Pick Withers, dr, ebenfalls Dire Straits) 1979 die erste der drei „Christusplatten“ „Slow Train Coming“ eingespielt. Später (1983), in der „Post-Jesus-Ära“ die logischerweise mit „Infidels“ eingeläutet wurde, ergänzen sich Mark Knopfler und Mick Taylor an den Gitarren kongenial. So, irgendwie so ähnlich, haben sich große Teile des Publikums dann auch die abendliche „Reunion“ vorgestellt, die keine ist, und, wie sich später zeigen wird auch keine sein kann.

Das Dire-Straits-Mastermind eröffnet den Abend und legt vom ersten Lick an einen perfekten, glasklaren Sound hin in gewohnt brillanter Spielweise. Der Mann, der wie kein zweiter J. J. Cale ganz offensichtlich so nah auf die Bünde geschaut hat, das die Grenze zwischen Plagiat und Weiterentwicklung eines erprobten Schemas immer undeutlicher wird, hat nichts von seiner einstigen musikalischen Klasse eingebüßt. Knopflers Gitarre steht so konsequent im Mittelpunkt, dass die perfekte Sessionband oft zur Zutat degradiert wird.
Die drei (!) weiteren Gitarristen sind nicht immer wahrzunehmen. Angenehm, dass die Pfade, die Applaus garantieren, permanent verlassen werden. Knopfler ist stets bemüht nicht den Dire-Straits-Sound und sich somit selbst zu reproduzieren. Er setzt fast ausschließlich auf sein Soloprogramm der Jahre 2000–2011, wobei „Sailing To Philadelphia“ von dem gleichnamigen 2000er Silberling, der Kronjuwel unter lauter Songdiamanten ist. Überhaupt pendelt der Sound mehr zwischen Folk, Country und Laid Back, als dass der radiokompatiblere Straits-Output bedient wird. Herrlich auch „Marbletown“ aus 2002, hier zeigt einer der weltbesten Picker, was er alles noch so drauf hat. Der Opener „What It Is“ erinnert klanglich noch am ehesten an wohl für immer vergangene Tage. Erst zum Finale wird das Publikum bedient, mit einem der größten Rocksongs aller Zeiten – „Brothers In Arms“. Und erst jetzt springt auch der Funke endgültig über. Die einzige Zugabe, des mit 70 Minuten reichlich knapp bemessenen Sets ist „So Far Away“, der entbehrliche Schunkler von 1985. Das Publikum feiert.

Beim 2011er Mark Knopfler ahnt man, was man bekommt – Virtuosität, musikalische Brillanz, das Streben nach Perfektionismus mit einem im Mittelpunkt stehenden Chef, der nichts anbrennen lässt. Bei Leibe keine Rock ‘n‘ Roll-Attitüde, aber besser als der gegenwärtige musikalische Offenbarungseid der Radiostationen. Allemal!

Und „His Bobness“? Bis zu diesem Moment ward er nicht gesehen!

Was war auf dem Ticket zu lesen? „A unique evening...

Hier noch zur Vollständigkeit die Trackliste:
• What It Is 2000
• Cleaning My Gun 2009
• Sailing To Philadelphia 2000
• Hill Farmer´s Blues 2002
• Privateering 2011
• Song For Sonny Liston 2004
• A Night In A Sommer Long Ago 1996
• Marbletown 2002
• Brothers In Arms 1985
• Speedway At Nazareth 2000
Zugabe:
• So Far Away 1985

Nach ca. einer halbstündigen Umbaupause steht einer der letzten lebenden Rockpoeten vor der erwartungschwangeren Schar von Dylan-Afficiniados die ihm messianische Wirkung zuspricht. Schon während der Straßenbahnfahrt zur Location sind die Dylan-Pilgerer eindeutig in der Überzahl. Das Mainzer Konzert vor einigen Wochen wurde von Fans wie Kritikern gleichermaßen bejubelt. Da ist es nicht unerheblich, dass man sich eine kritische Distanz bewahrt. Das Gute bei Dylan ist, dass man eben nicht weiß, was man bekommt, außer der Tatsache, dass er kaum noch zur Gitarre greift und sich eher hinterm Keyboard verschanzt. Das Unerwartete, ja sogar das (musikalisch) Unfassbare wird zur Methode, wird zum System erhoben. Gerade weil er sein Publikum ernst nimmt wie kein Zweiter, verkauft er seine Songs nicht wie der billige Jakob auf dem Jahrmarkt die Wollsocken.

Er beginnt seinen Teil des Abends, seitlich zum Publikum hinter der Orgel stehend, mit „Leopard-Skin Pill-Box“ von der epochalen „Blonde On Blonde“ LP. Und schon jetzt ist klar, dass er, wie gewohnt, seiner Intuition folgen wird. Ever change the never ending tour!

Er ächzt und ätzt, die Orgel wummert, den Synapsen des jetzt noch geneigten Publikums wird schon zu Beginn alles zugemutet und abverlangt. Dylan, weder ein begnadeter Instrumentalist und schon gar kein begnadeter Sänger, bellt die Songfetzen ins Publikum, roh, unbehauen, geradezu unerhört. Bei „Don´t Think Twice, It´s All Right” greift er zur Gitarre, das einzige Mal an diesem Abend, was ihm der stets zuverlässig spielende Charlie Sexton nicht krumm nimmt. Nicht sichtbar (zumindest für mich) und schlimmer noch, nicht hörbar, ist auch Mark Knopfler zu Beginn der Show für vier Songs auf der Bühne, die er auch ebenso unauffällig und grußlos verlässt. „A Unique Evening...“ – aha!! Und jetzt lichten sich auch schon die Reihen. Ignoranten und Romantiker flüchten aus der Halle, vermutlich sind die Feuerzeuge leer. In „Mississippi“, komplett umarrangiert und bei, ebenfalls von „Love And Theft“, „Summer Days“ sitzt der Groove zwischen „His Bobness“ und seiner wandlungsstarken Band perfekt. Der magischte Moment des Abends ist jedoch der neue Anzug der ehemaligen Folk-Endlosschleife „Desolation Row“. Nobelpreisverdächtig, nicht nur die Lyrics. Die Metamorphose vom Storytelling-Folk-Song zum krachenden Rhythm and Blues Klopfer, die fast bedrohlich klingt, zeigt wie ernst Bob Dylan sein Publikum nimmt und er eben nicht zum 327. Mal in der Urfassung „Blowin In The Wind“ anbietet. Das hefitg rockende „Highway 61 Revisited“ leitet den vokalen Höhepunkt des Abends ein, unstrittig „Forgetful Heart“, die Stimme macht, was er möchte, und Dylan steht im Stile eines Entertainers mit Botschaft vor einer riesigen Sternenwand. Dies sind die Augenblicke eines jeden Dylankonzertes, die jede einzelne Show für sich zu einem Monolith werden lassen (können).

Die Songauswahl, die in der lokalen Presse kritisiert wurde, pendelt zwischen den early sixties und dem Ouevre der Platten nach der Jahrtausendwende. Den Weg geht er allerdings schon einige Zeit konsequent, sodass die Aufregung verwundert. „All Along The Watchtower“, bis zur Unkenntlichkeit überarbeitet und „Like A Rolling Stone“, Achtung! Durchatmen! ziemlich nah am Original - beschließen einen denkwürdigen Abend, an dem nichts war, wie erwartet.

Er könnte es einfacher haben! Wahrhaftig! Auf diesem Level können wohl nur Tom Waits und Keith Richards ihrem Publikum Ähnliches zumuten, ohne dass sie ihre „Credibility“ komplett verspielen. Was wäre das für eine Band?

Nach donnerndem Beifall posiert er apostelgleich mit offenen Händen direkt vor seinem Publikum als wolle er sagen: „Ja, so ist‘s!“

Dylan stellt, anders als Mark Knopfler, immerhin seine Band vor. Dies sind allerdings auch die einzigen Worte, die er an diesem Abend sprechen wird – geht man davon aus, den Gesang als Gesang gelten zu lassen.

Schade, dass da von Veranstalterseite und evtl. auch von den Künstlern, wer will das schon wissen, ein wenig Etikettenschwindel betrieben wurde. Das war alles: Brillant, klasse Sound, unerwartet...nur eins war der Abend nicht: Ein gemeinsamer Abend! Ich bin mir nun aber auch nicht mehr sicher, ob ein gemeinsamer Song wie „Sweetheart Like You“ überhaupt funktioniert hätte.

Beim Verlassen der Halle schnappe ich noch von zwei selbsternannten Dylanjüngern (die nerven immer ein wenig) ein paar Satzfetzen auf: „Saugut, die neue Fassung von „Blowin In The Wind“, ja, finden wir auch, schade nur, dass er es nicht (an diesem Abend) gespielt hat. Unerwarteter Abend mit unerwartetem Ausgang! Nicht Old-Fashioned! Freaky!

Hier noch die Songs:
• Leopard-Skin Pill-Box 1966
• Don´t Think Twice, It´s All Right 1963
• Things Have Changed 2000
• Mississippi 2001
• John Brown 1962
• Spirit On The Water 2006
• Summer Days 2001
• Desolation Row 1965
• Highway 61 Revisited 1965
• Forgetful Heart 2009
• Thunder On A Mountain 2006
• Ballad Of A Thin Man 1965
• All Along The Watchtower 1967
• Like A Rolling Stone 1965
Zugabe: Fehlanzeige

Gunther Böhm