Steve Miller
31. Oktober 2012, Tempodrom, Berlin
A Space-Cowboy Retired!
… you probably wouldn’t remember, I probably couldn’t forget (Jungle Love), so, oder doch umgedreht? Das Temopdrom ist noch nicht einmal halbvoll, der Venue, der wie der stabilere Bruder eines großen Zirkuszeltes daherkommt, müsste passen. Reichlich Alben hat er ja, darunter sogar ein paar Millionenseller und das Dauerairplay (The Joker, Rock’n Me, Jet Airlainer … undundund …) sorgt dafür, dass kein „auditives Vergessen“ eínsetzt. Aber, hey, wo sind die Leute, an der Dame Hertha kann’s nicht liegen und der Merchstand ist auch seltsam leer.
Mein erstes Steve Miller Erlebnis ist fast so lange her, wie der Zeitraum in der SM seine Deutschland-Abstinenz kultivierte. Ich zähle zurück auf Sommer 1993, Phoenix, AZ, 27th./Ecke Indian School Road, ein ziemlich abgefucktes Pub, ein wildes Wettsaufen mit ein paar Amis und eine Jukebox aus der auf „Heavy Rotation“ Millers „Rock’n Me“ bollert. Die Zeilen
I went from Phoenix, Arizona
All the way to Tacoma
Philadelphia, Atlanta, L.A.
Northern California where the girls are warm
So I could be with my sweet baby, yeah
vergesse ich wohl nie mehr. Dauerohrwurm. Dazu Billardqueues zu veritablen Luftgitarren umgedeutet. Ein Held für eine Wüstennacht. Am nächsten Morgen hatte der Autor erhebliche Gleichgewichtsstörungen und vier Steve-Miller-Cd’s im Rucksack. Der kürzeste Weg vom Sound zur Tat. Keine Frage, nach fast 25 Jahren Entzug, da wird die Chance genutzt, auch wenn Berlin nicht gerade neben Heidelberg liegt.
Was ihn wirklich interessant macht, Miller kommt vom psychedelischen Blues, etwa die „Quicksilver-Ecke“, mit viel Feedback und noch mehr Wah-Wah hat er schon kurz vor Hendrix und auch später,
Some people call me the space cowboy yeah
Some call me the gangster of love
Some people call me M-A-U-R-I-I-I-I-I-I-I-I-I-C-E
Cause’ I speak of the pompetous of love
experimentiert. Kein Verzerrer, der nicht eingestöpselt und kein Pedal das nicht freigelassen wurde. Einst ein Pionier. Schräges Zeug gibt’s auch, erinnert sei an die Tour mit den weißen Anzügen und dem Tiger, oder dem Hinterhecheln nach Quote, das Album „Italian X-Rays“ etwa. Egal, der ist erste Liga. Mit dem Bluesoutput „Bingo“ kam die Aufmerksamkeit zurück, nicht nur meine, Blues-Billboard-Album-Charts Nr. 1, auch wenn die Scheibe ihn wenig facettenreich zeigt und phasenweise überproduziert wirkt.
However, der „Laden“ ist also nicht gerade voll, was soll’s, kann ja dennoch gut werden, mit dieser Music-Bio. Auf dem Bühnenvorhang ist der Space-Cowboy. So wie ich ihn mir mit geschlossenen Augen vorstelle: Texas-Wüsten-Overall (ZZ Top-like) bedruckt mit Stars, Cowboyhut, Revolver und Gitarre. Vorhang auf, Augen wieder auf und aus den Boxen dröhnen babylonisch-blecherne Geräusche die eher an eine Aneinanderreihung akustischer Signale als an Sound erinnern. „Jungle Love“, das scheint Programm, geht völlig unter. Nach drei, vier Songs verlieren wir die Hoffnung auf Linderung. Keine Risikobereitschaft, die Setlist ist antizipierbar, kein Blues, auch nicht die Nummern, die geradezu danach schreien, „Further On Up The Road“ z.B., lauer „All Your Love“, Retortenblues, mit einem Vokalartisten (Sonny Charles) der ohne Zweifel singen kann, aber fast alle Songs „kaputtsoult“ und einer eigenartigen Choreo, die wie Joe Cocker auf Entzug anmutet. Bei Aretha Franklin, nein, halt, bei Diana Ross im Backgroundchor wäre Sonny Charles passende erste Wahl. Bassist J. Petersen und sein Bewegungs-Alter-Ego an der Gitarre, Kenny Lee Lewis, beide schon ewig in der Band, spielen dass, worauf man eigentlich keine Lust mehr hat, Rücken-an-Rücken-Gepose in Stadion-Schwanz-Rock-Manier. Erstaunt-begeisterte Blicke über ein abgeliefertes eigenes Kabinettstückchen inklusive. Einzig Keyboarder Joseph Wooten besticht solistisch durch seine Klasse, insofern davon überhaupt was im Innenraum ankommt. Sehr, sehr schade, dass sich ein unstrittig phantastischer Musiker und Bandleader vom Schlage eines Steve Miller überhaupt auf eine derartige Show einlässt und sich selbst zur lebenden Juke Box degradiert. Der erste Teil kommt ein wenig wie eine Weihnachtsfeier in der Geriatrie rüber, auf und vor der Bühne. Honoriert wird von den Mittfünfzigern mit bravem Applaus, die erst bei „Jet Airliner“ den Hintern hoch bekommen. Jetzt ist doch noch richtig Stimmung unterm Zeltdach und SM vermag es zumindest, diese für den kurzen Rest der Show hinüberzuretten. Ein sehr guter und vier passable Songs sind zu wenig. Leider. Eines wird sich aber beim Hören der Zeilen
I went from Phoenix, Arizona
All the way to Tacoma
Philadelphia, Atlanta, L.A.
Northern California where the girls are warm
So I could be with my sweet baby, yeah
nie mehr ändern: Meine Gänsehaut!
People talk about me baby
Say I’m doin’ you wrong, doin’ you wrong
But don’t you worry baby don't worry
Cause’ I’m right here at home
Schon möglich, beim nächsten Mal!
Die Band:
Steve Miller: Gitarre, Vocals
Kenny Lee Lewis: Gitarre
Gordy Knudtson: Schlagzeug
Jacob Petersen: Bass
Joseph Wooten: Keyboards
Sonny Charles: Vocals
Setlist:
Jungle Love
Take the Money and Run
The Stake
Abracadabra
Mercury Blues
Further On Up The Road (Bobby „Blue“ Bland cover)
Shu Ba Da Du Ma Ma Ma Ma
All Your Love (Otis Rush cover)
Kow Kow Calqulator
Ooh Poo Pah Doo (Jessie Hill cover)
Texas (Eric Johnson cover)
Sugar Babe
Serenade
Wild Mountain Honey
Gangster of Love
Dance Dance Dance
The Window
Encore:
Living in the U.S.A.
Space Intro: Fly Like An Eagle
Fly Like an Eagle
Jet Airliner
Swingtown
Space Cowboy
Encore 2:
Rock’n Me
The Joker
Gunther Böhm