Wovenhand –
Nihilist hält Weltgericht
17. September 2012, Zoom, Frankfurt am Main
Luzifer ist tot – Es lebe David Eugene Edwards
„The Laughing Stalk“ ist seit Tagen auf Dauerrotation. Keine Ahnung, was das für eine Platte ist. Hypnose-Folk, Highspeed-Americana mit Trance-Pausen, eine moderne Bergpredigt, Soundtrack zum Suizid? Scheiß auf das Musik-Schubladen-Denken, wenn es eine Band gibt, für die keine Kategorie eine Kategorie ist, dann Wovenhand. Konsequente Weiterentwicklung von Sixteen Horsepower, nach dem Ausstieg von Pascal Humbert (b) die Chance zur Um- und Neudeutung nutzend, Verschmelzung der Stile, düsterer-düsterster Americana- und Indieeklektizismus.
„The Threshingfloor“ war schon wenig freundlich, „The Laughing Stalk“ ist brachial. Und, heavy, Leute, heavy! Bad Seeds und Neubauten-Hacke, hat die Regler malträtiert, auch das letzte Saitenschwingen wurde bis zur Selbstanzeige gejagt. Chancenlos! Ohne Gnade! Auge um Auge, Zahn um Zahn!
Und nun die Liveaufführung: Im Frankfurter Zoom (vormals Sinkkasten, die überflüssigen Stühle sind abmontiert) besteigt der Prediger um 21:20 Uhr die Kanzel und liest uns die Leviten! Der Club ist voll, von der kleinen Bühne wabert ein Indianer-Mythologie-Mantra zu uns herab. Zehn Lange Minuten, dann tritt der Erlöser vor seine Gefolgschaft, wortlos, ohne Geste und zelebriert seine Songs. Nach „Closer“, spätestens nach „The Laughing Stalk“ (dritter Song) ist Edwards nicht mehr von dieser Welt. Auf der Stirn ein schwarzer Punkt (könnte auch ein Einschussloch sein) die Nase mit indianischen (mutmaßlich) Symbolen verziert, der Blick entrückt, diabolisches Augenflackern, werden mit Empathie Gitarre (Gretsch) und Mandoline heißgespielt. Das Bibelzitat „Hüte dich vor den Gezeichneten“ erhält eine aktuelle Bedeutung. Wer auf der Suche nach musikalischer Hingabe ist – ein Wovenhand-Konzert liefert die Antwort. Ordy Garrison (einziger „Überlebender“) am Schlagzeug organisiert den notwendigen Rhythmus für das wahrhaftig nicht leichte Menü. Jungspund Gregory Garcia jr. hat die Botschaft seines Meisters noch nicht vollständig verinnerlicht. Auf einem Wovenhand-Gig gibt es nichts zu lachen, schlimmer, auch nichts zu grinsen. Gleichwohl erzeugt Garcia einen ziemlich heftigen heavy, fast metallenen-industrial-Basssound, der sich nahtlos in das neue Klangkonzept von Wovenhand einfügt. Wortlos Chuck French an der Gitarre, ohne mit der Wimper zu zucken, mindestens gleiches Level wie Edwards, die Hostien gibt’s zu Recht. Phänomenaler Gitarrist, der auch optisch die Band-Attitüde erfüllt. Botschaft verstanden.
Edwards – nein alle sind ohne einen Schritt zu viel, klatschnass, hypnotisiert, aber musikalisch voll gegenwärtig. Nach siebzig kurzen Minuten kehrt das Indianer-Mantra zurück, ohne einmal (an diesem Abend) das „Banjo des Todes“ (Florian) gespielt zu haben. Den Jüngern gelingt es, Wovenhand zurückzuholen, freilich nur für zwei Songs. Mehr ist bei einem derart intensiven Hochamt auch nicht drin.
Der Merchstand ist umlagert. Wir fahren – überwältigt wäre das falsche
Wort – fassungslos durch die Nacht.
2012 kann nichts mehr passieren. Wir sind Wovenhand-Zeugen! Seufz!
Ich bitte um Absolution.
Gunther Böhm
Die Band:
David Eugene Edwards: g, banjo, mandoline, voc
Gregory Garcia jr: b
Ordy Garrison: dr
Chuck French: g
Die Platten:
(Fast alle stehen im Schrank, die Lücken habe ich, darauf sei ausdrücklich hingewiesen, durch Informationen auf der Bandseite geschlossen)
Wovenhand:
Woven Hand (2002)
Blush Music (2002)
Blush - mit Ultima Vez (2003)
Consider The Birds (2004)
Mosaic (2006)
Puur - mit Ultima Vez (2006)
Ten Stones (2008)
The Threshing Floor (2010)
Black of the Ink (2011)
The Laughing Stalk (2012)
Sixteen Horsepower:
16 Horsepower EP (1995)
Sackcloth 'N' Ashes (1995)
Low Estate (1997)
Hoarse (1998)
Secret South (2000)
Folklore (2002)
Olden (2003, Sessions)
Live March 2001 (2008)
Yours Truly (2011, CD1: Best of / CD2: B-sides & Rarities)