The Band Of Heathens
03. Mai 2011, Ebene 3, Heilbronn
Superjamming
(Um es vorwegzunehmen: Black Crowes werden die nicht mehr…)
Bei einem Heathenskonzert weiß man immer, was einen erwartet (Rootsmusic vom Feinsten) aber nie, was man bekommt (Spielart der selbigen, countrylastig, Jamrock, etc.)
Zusätzlich gehört der Fan ähnlich der der Deadheads, nur nicht zahlenmäßig so groß, zur, na ja, inzwischen darf man das schon Heathensfamilie nennen. Viele der ca. 120 Heidenanbeter kennen wir aus Austin, Texas, einige fahren der Band permanent hinterher. Man kennt sich, ohne der im Kreis „Eingeweihter“ oft üblichen „Eitelkeitsattacken der Auserwählten“ – sehr angenehm! Das K 3 ist vielleicht nicht die optimale Location (obwohl es in Austin schon Schlimmeres gibt), dafür ist es das Publikum auf jeden Fall sehr sachkundig!
Auch der Soundmeister hat einen nahezu perfekten Job gemacht. Hin und wieder hat er übersehen, dass da drei Gitarristen auf der Bühne rumhängen, sein Versäumnisse aber immer schnell ausgebügelt.
Nach über einem Dutzend erlebter Shows der musikalischen Reinkarnation der THE BAND, LITTLE FEAT, GRAM PARSONS und weiß der Teufel welcher Bands der Fraktion „Handemade Americana Southern Style“, es war noch nie ein schwacher Gig dabei, sieht man über die Releaseparty von „TOP HAT CROWN & THE CLAPMASTERS SON“ in Austin (März 2011) mal großzügig hinweg. Und was soll schon schiefgehen – fehlt doch glücklicherweise der „Austin-Gastorgler“!
Heute Abend ist eindeutig Starkstrom angesagt, die ruhigeren Momente sind in der Unterzahl und wenn, enden diese fast immer in einem bedrohlichem Gitarrenfinale, z. B. „Hanging Tree“ – aber der Reihe nach.
Die Setlist, die Florian und ich zwischen zwei Weizengläsern auf einem Schmierzettel erfasst haben hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
„Gravity“ als Opener, in der bisherigen Liveumsetzung eher ein Colin-Brooks-Stück denn eine Gordy-Quist-Nummer, zeigt schon mal deutlich auf, wo es heute langgeht, dominante Gordyslide und jamming von der ersten Sekunde an – genau das, was die Texaner am besten drauf haben. Singen können alle drei, ohne Abstriche, bei „Say“ kommt das Soultimbre von Ed Jurdi glasklar aus den Amps. Beim Country-Soul-Heuler „Second Line“ zeigt Mr. Quist neben seiner unstrittigen instrumentalen Klasse, das er ein ebenso starker Sänger ist.
Mit „Hanging Tree“, das mir 2008 in Hannover schon saugut gefallen hat, zieht die Band heute Abend zum ersten Mal alle Register ihres Variantenreichtums. Ein sich langsam bis zu Ekstase steigernder Song, der in ein sensationelles Gitarren- und Slidefinale von Gordy Quist mündet. Sonderapplaus! Es folgen „The Other Broadway“, wieder mit Ed Jurdi an den Leadvocals, „Polaroid“ und „Heart On My Sleeve“, hier mit Colin Brooks am Mikro.
Gerade „Heart On My Sleeve“ hätte Platz auf jedem besseren Stonesalbum.
„Nothing To See Here“ ist nicht „andächtig und anrührend“ und schon gar nicht „Byrdslastig“ wie auf der aktuellen Scheibe, was dem Song deutlich hilft.
Mit „Enough“ stellt auch Colin seine Klasse, wie wenn dies nötig wäre, zum wiederholten Mal unter Beweis. Ohnehin ist er der „Rocker“ der Band und beherrscht perfekt alle Spielarten auf sechs Saiten. Keine Ahnung, wohin sich die Band entwickeln könnte, wenn die zusammenbleiben. Der einzige Wermutstropfen an diesem Abend im Rootshimmel, ist einer meiner Heathens-Song-Favoriten, „Look At Miss Ohio“, gleichwohl ein „Song“, heute aber zu ruhig, da rettet auch das Gitarrenfinale nicht. Mit „Shine A Light“, „This I Know“ und dem fulminanten „Medicine Man“ von der neuen LP „Top Hat Crown & ...“ geht's zur gefühlt zehn Minuten langen Jamrocknummer „Motherland“, welche leider das drohende Ende erahnen lässt. Und so kommt es dann auch, mit dem Riffrockstück „Wilson & Otis“, auf dem schon erwähnten Hannover-Livemittschnitt gut „nachzuhören“ geht der offizielle Teil viel zu schnell zu Ende.
Es hat sich wieder (einmal) bewahrheitet:
Kein Konzert der Band Of Heathens gleicht dem anderen!
Klar, obwohl man der Band die „Show-Strapazen“ schon ansieht (gestern stand Aschaffenburg im Tourfile) müssen sie nochmals auf die Bühne. Sonst geht hier keiner! „Should Have Known Better“ gerät zur Jamorgie, für „Gris Gris Satchel“ muss Labelmastermind Edgar Heckmann drei Minuten Überzeugungsarbeit leisten. Mit dem Gospel klingt wieder einmal ein denkwürdiger Heathensauftritt aus. Was der Song eigentlich bedeutet, weiß ich bis heute nicht.
Die Rhythmusarbeiter John Chipman (dr und selten voc) und Seth Whitney (b und nie voc) haben ihren Job astrein erledigt. Wenn ich von einer vorgehaltenen Waffe gezwungen werde (und nur dann) den Musiker der Show zu küren, dann war dies der Abend des John Chipman, reduziert, aber immer auf der Höhe, unaufgeregt den Beat haltend, aber nie langweilig!
Beim Schreiben dieser Zeilen läuft der frühere musikalische Output dieser immer noch recht jungen Band. Unglaublich welche Preziosen alle drei Studioalben parat haben! Das einzige was der Band fehlt, ist ein Rockshouter und etwas mehr Bühnenpräsenz. Die Chancen hierfür sind wohl eher gering.
Denn: Black Crowes werden die nicht mehr, müssen sie aber auch nicht!
Alle Konzertbilder mit freundlicher Genehmigung von Gudi Bodenstein
Setlist:
Gravity
Say
Second Line
Hangin' Tree
The Other Broadway
Polaroid
Heart On My Sleeve
King Of Colorado
Nothing To See Here
Enough
Mohair Sam
Miss Ohio
Shine A Light
This I Know
Medicine Man
Motherland
Wilson And Otis
Should Have Known Better
Gris Gris Satchel
CD-Empfehlungen:
Band Of Heathens: Same
Band Of Heathens: One Foot In The Ether
Band Of Heathens: Top Hat Crown & The Clapmasters Son
Band Of Heathens: Live At The Blue Rose Christmasparty 2008
Colin Brooks: Chippin Away At The Promised Land
Gordy Quist: Here Comes The Flood
Gunther Böhm, 07. Mai 2011