The Rolling Stones
10. Juni 2014, Waldbühne, Berlin
Rock Out With Your Cock Out!
Im Juni 2003 habe ich einen (heiligen) Eid geleistet: Nie mehr live zu den Stones! Gründe für das Rock ’n’ Roll-Zölibat gibt es zu Hauf: Völlig überzogene Preise, mit AC/DC eine „Vorband“ die schnörkelloser abrockte als der eigentliche Headliner und den Stones eindrucksvoll demonstrierte, wo der Rock-Hammer hängt, Chrissie Hynde aparter als Mick Jagger, eine defekte Videoleinwand … eine Tour später (oder waren es zwei?) wurden die „Onkelz-Schwachköpfe“ engagiert, da war die Luft dann endgültig raus, wie es schien, für immer.
Nicht mehr viel übrig von dem Fieber der vergangenen Jahre, seltsam teilnahmslos wurden die Tourneeankündigungen in der letzten Dekade registriert. Die dann inflationäre Ausmaße annahmen, Keith & Co. waren häufiger in deutschen Stadien als Roger Chapman am Bierstand, was zu nicht mehr ganz vollen Arenen führte. Für die Stones, Mann!
In München, 1990, wurde zweimal hintereinander das Olympiastadion ausverkauft, nach achtjähriger Abstinenz und ohne neues Album, Steel Wheels war da schon wieder zwei Jahre Geschichte. Der Sänger der schottischen Anheizer muss was verwechselt haben:„Good Evening. We’ve 80.000 today“, worauf dann 79.999 mit ihrer Eintrittskarte demonstrativ Richtung Bühne winkten. Gun? Die spielen heute eine so große Rolle in der Historie der populären Musik, wie der Fakt, das die schon lange pulverisierten Dave Clarke Five in 1965 den Glimmer Twins mal Platz 1 in den Singlecharts abjagten.
Damals in München schüttet es sintflutartig, bei den ersten Takten von „Sympathy for the Devil“ hört es schlagartig auf, soviel Magie hat kein Papst drauf. Oder ’95 in Basel, die Feuerwehr musste das St. Jakob’s Stadion mit Spritzwasser abkühlen, die Temperatur kurz vor dem Siedepunkt, von den im Steigflug befindlichen Schwarzen Krähen optimal eingeheizt (die weder dem Hauptact Respekt zollten noch von diesen mit nur einer Silbe erwähnt wurden, was nicht wunderte, hatte Chris kurz zuvor verkündet: Die Stones? Hhm, ich stehe eher auf die Faces und auf Humble Pie!), da rollten und rockten die Steine durch ihr Voodoo Lounge Programm Thru’ and Thru’ oder so ähnlich.
Der Grund für den Rückfall ist bestimmt keine Voyeursperspektive so nach dem Motto: mal sehen wer zuerst umkippt, auch mit der Meinung des geilen Diktators Zappa, „dass viele Leute nur auf ein Stones-Konzert gehen weil sie hoffen, dort einen geblasen zu bekommen“, kann ich nicht so richtig was anfangen. Es ist vielmehr die Sehnsucht, verklärt mit einem gehörigen Schuss Romantik, noch einmal live die größte weiße Rhythm ’n’ Blues Band zu erleben, die es je gab und dann „meinen Frieden finden“. Ein Abschied mit Anstand, ein Blues-Farewell, die haben uns alles bedeutet.
Es ist soweit, feuchte Finger gleiten um Mitternacht über die Tastatur, Blues-Beer-Burger-Kumpel Florian steigt um 0:03 Uhr aus der „Ticket-Auktion“ aus, alle Server zusammengebrochen und überhaupt mit 200 €uronen für die Show auf der Waldbühne viel zu teuer. Kann man wohl sagen. Wir telefonieren, ich resigniere ebenfalls und fahre meine Kiste runter. Andererseits hat der Autor dieser Zeilen ca. 600 Stones-Alben im Schrank, die einen mittleren fünfstelligen Betrag abwerfen würden, kein Gedanke daran … letzter Versuch um 0:25 Uhr, der Rechner wird doch nochmal angefeuert, vier Klicks, unglaublich, ich habe zwei Karten für die legendäre Waldbühne die von den Stones-Fans gleich einem Orkan 1965 auseinander genommen wurde. Ein Zeichen, ohne Pakt mit dem Teufel!
Irgend so ein Typ, der ziemlich „Indie“ sein will (den Namen hab ich vergessen) räsoniert in einer Musikzeitschrift (den Titel musste ich vergessen) über die anstehende Welttournee wie unspannend und uncool das wohl werden wird, weil jeder, der sich ein wenig mit Musik auskennt, die Setlist quasi schon „pre-listening“ auf ’nem Zettel notieren könnte. Mag ja sein, das hat auf der einen Seite auch was mit Respekt vor den eben nicht wenig zahlenden Fans zu tun, andererseits gibt’s es auch genug Gegenanzeigen, die „Stripped“-Tour etwa oder auch „No Security“. Abwarten Alter, die zeigen’s dir. Ganz bestimmt!
Es ist Stones-Wetter, wie Langzeitkumpel und Stones-Weggefährte Tommy feststellt, entweder regnet es wie aus Kübeln oder es ist extrem heiß, die Waldbühne ist mit 36 Grad gut angewärmt. Der Planet sticht, die Gratisschnäpse beim Spanier kippen wir unbemerkt in einen Blumenkübel, auch unsere Tourneen sind nicht mehr so ausgedehnt wie einst.
Über die Roots-Groove-Rocker Temperance Movement hat Metal-Mastermind Florian ja schon auf dieser Seite berichtet. Die passen perfekt als Vorband und ziehen sich ehrenhaft aus der Affäre, ist keine leichte Aufgabe und einen derartigen Adelsschlag kann man durchaus auch vermasseln. So heute jedenfalls nicht, gut gelöst, kauft das Album Leute und geht im Herbst zu der Tour, die haben das verdient.
Start Me Up, ah ja, stimmt also doch mit der Vorab-Setlist? Auf jeden Fall steht die komplette Waldbühne kollektiv von den Bänken auf, Start Me Up, los geht’s, Fackeln brennen, das Publikum brennt und vor allen Dingen brennt die Band ein Feuerwerk an Spielfreude ab, das so schon lange nicht mehr auf einer Stones-Tournee zu erleben war. Hammerhart!
Der Riffmeister an den fünf Saiten hat seinen Gitarrensound noch mehr auf ein sehr archaisches Mindestmaß reduziert, spätestens bei „It’s only Rock ‘n‘ Roll“ ist klar: Ronnie inzwischen auch. Das ist schräg und das ist saucool.
Weiß nicht, was die Indie-Type mit der Setlist gemeint hat, „You Got Me Rockin“ (das schneidend-scharf runtergebrettert wird) „Tumblin’ Dice“ oder „Waiting On A Friend“ etwa, von Mick mit 2,5 Griffen auf der akustischen geklampft, oder doch „Doom And Gloom“, „Get Off Of My Cloud“ oder gar ein bedrohlich anschwellendes von Loops befreites, fast infernalisches „Out Of Control“.
Nein mein Lieber, die überraschen und wer vorher nicht recherchiert hat wird heute fast überrumpelt. Da juckt es kaum, dass sich Mick von Lisa häufiger sekundieren lassen muss, „Waiting On A Friend“ oder „Gimme Shelter“ und wie Keith und Ronnie „You Got The Silver“ zu Grunde richten, das hat schon wieder Stil. Der musikalische Höhepunkt der perfekten Sommernacht ist ein ganz anderer: „Midnight Rambler“ mit Mick Taylor an der Leadgitarre.
Auf dramatische Weise wird deutlich, welch musikalischen Aderlass die Band nach seinem Abgang zu verkraften hatte, Mick Jagger ist noch immer am meisten er selbst, wenn er Blues-Harp spielt, wie 1973 auf dem Brüssel-Bootleg! Klar, da werden auch geschickt ein paar Hits (die haben ja nun mal genug davon) eingeschmuggelt, das unvermeidliche „JJF“, „Honky Tonk Women“, das in einer honkytonk-Version daherkommt oder „Brown Sugar“. Macht nix, macht überhaupt nix.
„I saw her at the reception …“ und alle echten Stones-Fans stimmen tausendfach ein „You Can‘t Always Get You Want“, ja, leider, dass Solo wird mehr vom formidablen Chuck Leavell als von einem der beiden Gitarristen gespielt, ein wahrer Jammer wenn man nur daran denkt, dass Mick Taylor in der Garderobe sitzt-der darf dann freilich bei „Satisfaction“ nochmal ran. Ein Feuerwerk und ab zur S-Bahn.
Das wird ein paar Tage dauern um zu begreifen: wir waren Zeugen eines musikhistorischen Momentes, ohne jede Überhöhung. Blues, R ’n’ B und saucooler Rock, der Kreis ist geschlossen. Der Abschied mit Anstand! Wir wollten den Blues, nun haben wir ihn!
Die (nicht vorhersehbare) Setlist:
Start Me Up
You Got Me Rocking
It's Only Rock ’n’ Roll (But I Like It)
Tumbling Dice
Waiting on a Friend
Doom and Gloom
Get Off of My Cloud
Out of Control
Honky Tonk Women
You Got the Silver (Keith Richards on lead vocals)
Can’t Be Seen (Keith Richards on lead vocals)
Midnight Rambler (with Mick Taylor)
Miss You
Gimme Shelter
Jumpin’ Jack Flash
Sympathy for the Devil
Brown Sugar
Encore:
You Can’t Always Get What You Want
(I Can’t Get No) Satisfaction (with Mick Taylor)
Ich gebe es zu: es ist ein komisches Gefühl von einer Band Abschied zu nehmen, die so viel bedeutet hat, die mehr war als nur die Musik, die ein Lebensgefühl egal wo, in Noten packen konnte, Antihaltung, ach was „Sex, Drugs & Rock ‘n‘ Roll“ oder eben Rock out – with your cock out“. Wenn das nach fast 40 Jahren noch immer so ist (für mich), dann muss was dran sein. Sogar das Firmenlogo unseres Kurzzeittonträgervertriebes hatte eine recht eindeutige Herkunft.
Noch einmal, in 8 Tagen wird es heißen:
Ladies & Gentlemen:
„The Rolling Stones“
Düsseldorf, Esprit-Arena, 19. Juni 2014
Die Berlin-Show wirkt nach wie Donnerhall, eine epochales Live-Erlebnis, zu keiner Zeit aufgeblasen, die knapp zweieinhalb Stunden haben so ordinäre Begriffe wie Rock ’n’ Roll und Blues wieder heraufbeschworen! Endlich! Es bleiben acht Tage Zeit um sich durch den immensen Output an Studio- und Livealben zu wühlen, acht Tage um das Beben zu spüren, acht Tage für Verzichtbares (Emotional Rescue), acht Tage für Alben die zu Unrecht unterbewertet sind, (Goats Head Soup) acht Tage für Platten, die unerreicht sind, die unerreicht bleiben werden. Für immer! Allein die musikalische Auswertung der unglaublichen Anzahl an Live-Bootlegs der Tourneen von 1969–1973, würde, sagen wir mal, achtzig Tage in Anspruch nehmen. Das Feuer war am Erlöschen, fast ausgepisst, träge weiterqualmend.
Doch seit ein paar Tagen weiß ich wieder was Pete Townshend von The Who gemeint hat: „I’m still a Fan!“ Yes,Sir!
iPod, Autoradio, CD-Player und Plattenspieler sind seit einer Woche auf „Heavy Rotation“. Nichts dem Zufall überlassen, bestens vorgeheizt.
Start Me Up!
Schon auf dem Mannheimer Bahnhof ist diese eigenwillige Melange aus Stones-Proll, („Salt oft the Earth“) Vergangenheitsjunkies (die „Time waits for no one“ als ihren urpersönlichen Soundtrack okkupieren) und Edel-Fans („Luxury“) denen kein Mittel zu knapp ist, am Start. Und, hey, auch das ist Rock ’n’ Roll.
Es fehlt an Vorstellungskraft, dass der Waldbühnenabend wiederholbar ist. Macht‘s noch einmal, Keef & Mick! Shake your hips! Das Fieber steigt, die Esprit-Arena (blöder Name, früher hießen die Arenen Glückauf-Kampfbahn, Rote Erde oder von mir aus auch Rheinstadion, was immerhin zu einer gewissen lokalen Identifikation führte) ist, klar, sold out, seit Monaten, auch klar. Und dennoch: anders als in Berlin, lungern auf dem Messegelände reichlich Ticketgauner rum. Die haben sich offensichtlich ziemlich verspekuliert, jedenfalls ist weit und breit niemand in Sicht, der den Geschäftemachern auf den Leim geht.
Die Erfahrung ist neu: Eine Stadion-Show in einer Halle – das Dach ist geschlossen, im Front-of-Stage-Bereich türmen sich riesige zusätzliche Boxen übereinander, neben einer Batterie an Dixies, auch im Innenraum. Vor vier Dekaden hat der Riffmeister hinter die Amps gepinkelt, bei den Stones 2014 scheint alles straff durchorgansiert, nichts ist Zufall. Auf einen Vergleich der Veranstaltungsorte wird aus Barmherzigkeit verzichtet, wer die Waldbühne kennt, weiß was ich meine!
In Berlin rockte die Stones-Gemeinde ausgelassen ab, so eine Art innerer Zirkel, Eingeweihte, Fans der ersten und zweiten Stunde, regelrechte Spezialisten, die mit ihrer Detailbesessenheit auch manchmal nerven – in der Esprit-Arena, die nahezu doppelt so viel Volk aufsaugen kann, trifft sich eher ein Eventpublikum, das über das Vorverkaufsrecht der BLÖD-Zeitung zum Ticket kam. Um nicht missverstanden zu werden: die haben das gleiche Recht auf Party beim „Wirtschaftsunternehmen Stones“ und sie bestehen in Ihren Trekkingsandalen und Outdoorjacken (unter denen oft ein Zungenshirt aufgespannt ist) auf ihr teuer erworbenes Recht. Gutsituierte Mittfünfziger mit Randlosbrillen, die es irgendwie geschafft haben, die „Satisfaction“ kennen, „Honky Tonk Women“ aber nicht Temperance Movement. Die Groove-Rocker machen sich den Boden, die Stones brauchen das nun weiß Gott nicht mehr, fruchtbar. Und Temperance Movement lösen mit ihrer ureigenen Stilmixtur aus Crowes, Humble Pie, Faces und, ja, den Stones die Aufgabe bravurös.
Die brennen vor Spielfreude. Lichterloh. Die Gratwanderung aus „Seventies-Heldenverehrung“ und Transformation in die Gegenwart gelingt scheinbar mühelos. Ohne Kitsch. Ohne Kopie! Sind ja auch nicht Stones oder Faces, sind Temperance Movement. Immerhin. Nochmals, kauft das Album, geht zu den Shows im Herbst. Und sie wissen wem sie den Rock ’n’ Roll-Ritterschlag zu verdanken haben:
„The Greatest Fucking Rock ’n’ Roll Band In The World: The Rolling Stones!”
HimmeldieSterne, was ist das für ein irrer Sound, fast schwermetallisch dröhnt JJF aus den Boxen, laut, gefährlich, kompromisslos. Keith grätscht gleich zweimal die Bühne ab und gibt den Kurs vor. Hier ist kein Raum für Romantik, heute geht’s noch schneller nach vorne. Jagger-Gockel braucht kein Seiden-Sakko, zwei Drehungen um den Zeigefinger und weg damit. Das Seidenhemdchen? Weg damit und ab auf die Zusatzbühne, rock out with your cock out! Das ist derb, alter Vater. Die 43.000 werden kräftig an den Ohren gezogen und durchgeschüttelt. Keef taumelt von schrägem Riff zu noch schrägerem Riff, bei „It‘s only Rock ’n’ Roll“ (auf den Punkt!) schiebt er ein unerwartetes Solo nach, waffenscheinpflichtig, und grinst Ronnie diabolisch an. Nicht wenige Biedermänner sind entsetzt, Attacke an Fronleichnam. Die schwüle Country-Soul-Ballade „Tumblin’ Dice“, präsentiert von einem all gegenwärtigen Chuck Leavell meets Richards-Hookline, ist einer dieser Momente die Lebensgefühl und Sound perfekt verschmelzen lässt. Ein Blick an das Hallendach: Gram Parsons lächelt.
Erst das sehr selten live gespielte „Worried About You“ von der unterschätzten „Outtake- und Resterampe Tattoo You“ lässt durchatmen.
Mick spielt Keyboard, testet passabel Falsettgrenzen aus, naja mit 70. „Waiting on a friend“ vor Wochenfrist kam da cooler, vielleicht sogar cleverer. Dafür wird „You got the Silver“ von Keith und Ronnie mindestens so ramponiert geschrammelt wie einst. Ziemlich rostige (Achtung: nicht eingerostete) Angelegenheit, mit einer Stimme, die nur eine Mutter lieben kann. (Mick Jagger)
Heutzutage wird das unter „Roots“ abgelegt, lange bevor (1969) die Americana-Schublade geöffnet wurde.
Der Mittelpunkt der Show ist sicher wieder das dräuende, infernalische, bluesgetränkte „Midnight Rambler“ von Mick Taylor geadelt, Keith und Ronnie als Adjutanten, mit Mick‘s voluminösem Bluesharpspiel, ein wahrhaft böser, zwölfminütiger Chicago-Blues. Das Disco-Mätzchen „Miss you“, huhuhuhu-huhhuhu-huhu, befreit dann die Verängstigten von der Bluesgeisel. Keith’ alter Ego, Bobby Keys, bekommt sein Sax-Solo und demonstriert, warum er seit vielen Jahren unverzichtbarer Teil der Studio-und Liveproduktionen ist. Im Tourneefilm „Cocksucker Blues“ stellt der Texaner andere Qualitäten unter Beweis …
Leider, wir kennen die Dramaturgie, biegt die Band nach der „Ode an den Teufel“, mit einem teuflischen Shouter, so langsam Richtung „Zugabe“ ein, die, rein zufällig versteht sich, (ist ja schließlich eine Zugabe) von einem Chor samt Dirigentin, „You can’t always get what you want“, unterstützt wird. Nette Idee. In den Siebzigern hätten die Choristinnen Aftershow miteinander in Micks Garderobe vorsingen dürfen, in den Achtzigern dann nacheinander. Beim unvermeidlichen „Satisfaction“ hat sich auch der letzte Rheinländer (oder der holländische Freund) von seinem teuren Sitzplatz erhoben.
Chaos in der S-Bahn, tausend Gedanken. War’s das? War’s das für immer?
Im Hotel dann ein weiteres, unterschätztes, Album. „It‘s only Rock ’n’ Roll”
Good Night! Sleep Time!
Die Setlist:
Jumpin‘ Jack Flash
Let‘s Spend The Night Together
It's Only Rock ’n’ Roll (But I Like It)
Tumbling Dice
Worried About You
Doom and Gloom
Street Fighting Man (by request)
Out of Control
Honky Tonk Women
You Got the Silver (Keith Richards on lead vocals)
Can’t Be Seen (Keith Richards on lead vocals)
Midnight Rambler (with Mick Taylor)
Miss You
Gimme Shelter
Start Me Up
Sympathy for the Devil
Brown Sugar
Encore:
You Can’t Always Get What You Want
(I Can’t Get No) Satisfaction (with Mick Taylor)
Abspann:
Das Tischtuch schien zerschnitten, alle Brücken abgebrochen. Als die Alben immer lauer und die Shows immer pompöser wurden, haben wir uns verabschiedet. Das musikalische Weltkulturerbe der Alben von 1968–1972 bleibt bestehen. Viele Weggefährten machten sich auf, um U2 oder die Dire Straits zu entdecken. Andere schwadronierten beim Freitagabendbier über die Genialität der neuen Yes (schlimm) oder den umgekrempelten Triosound der neuen Genesis (noch schlimmer). Uns war das ziemlich egal. Wenn schon von Keef und Co. kein „Love in Vain“ mehr zu erwarten war, dann mussten es eben die Originale sein (Robert Johnson) oder deren Gralshüter, Canned Heat, Eric Burdon, John Mayall, Alexis Korner … Wir tauchten tief in den Blues ein und verschwanden, wie es schien, für immer in den Südstaaten.
Sicher, es gibt wohl keine Band (außer der Glaube einiger unbelehrbarer Dylan-Fans an den letzten Scheiß aus dem Proberaum, der nie hätte veröffentlicht werden dürfen) die durchweg auf höchstem Level Alben eingespielt hat. Die kreativen Tiefpunkte verfehlten bei uns ihre Wirkung nicht. So enttäuschend für manchen „Emotional Rescue“ und „Undercover oft the Night“ auch gewesen sein mögen, so sicher ist auch, dass selbst auf diesen unrelevanten Platten der Stones-Historie Perlen zu entdecken sind. „All about you“ um nur eine zu nennen. Beim Schreiben dieser Zeilen läuft „Emotional Rescue“ gar nicht mal so übel … Ab „Steel Wheels“ ging es, step by step, ja auch wieder aufwärts, die Shows allerdings waren immer noch überproduziert. Mehr fürs Auge, nichts für die Seele, dass was die Stones eigentlich ausmacht. Wer braucht schon aufblasbare Puppen und feuerspeiende Monster? Was Bob Dylan für Inhalte und das Liverpooler Quartett für Harmonielehre war, waren die Stones für das Lebensgefühl. Sie haben den Blues wieder, ungeschminkt, rau und erdig. Endlich! Wir hatten die Fährte verloren, sind einfach abgebogen, die Witterung ist wieder da. Wir haben den Blues. Täglich. Dabei bleibt es.
Ich denke oft darüber nach, wie ein anständiger Abgang der größten Band aller Zeiten aussehen könnte. Der ist ja schließlich noch möglich. Mick Taylor ist partiell wieder an Bord, vielleicht wäre Bill Wyman sogar zu einer finalen Studioproduktion bereit. Macht noch mal ein Bluesalbum, lauter Coverversionen, Howlin’ Wolf, Slim Harpo, Chuck Berry, Muddy Waters, Bo Diddley, Memphis Slim, Willie Dixon, um nur ein paar zu nennen. Nur noch dieses eine Album, der Kreis hätte sich geschlossen.
Gunther Böhm