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Wishbone Ash

18. Februar 2014, Alte Seilerei, Mannheim

Phoenix Rise

Tittelbach war einer der coolsten Typen, damals. Lange Loden, vollfettig, Mittelscheitel, filterlose im Mundwinkel und immer ein paar Takte näher dran – an den Weibern und an der angesagtesten Mugge weit und breit. Die drehte sich freilich nicht in 33 1/3 auf’m Plattenteller, sondern maximal auf Magnetofon Spulenbändern. Die Stones waren Religion, erste Selbstversuche mit Kräuterschnaps und anderen Beschleunigern verliefen erfolgreich. Nächtelang vorm Radio abgehangen für „Radar Love“,„ Aqualung“ und „The King Will Come“.

Da zerrt Tittelbach das fundamentale Gitarrenalbum „Argus“ an. Du lieber Himmel, was für eine Scheibe, nicht das die Stones und der Blues plötzlich nichts mehr wert waren, „Argus“ war der Gitarrengegenentwurf zu all dem Rubettes-, Mud-, Slade- und was weiß ich für postpubertärem Geplärre. Die in Vinyl gepresste Legitimation zum „Andershören“, kein „Drei-Akkord-Geklimpere“, filigrane Songs, die urplötzlich von jazzy Arrangements zu heavy sägenden Gitarrensound mutieren. In Rekordzeit wurden die ersten fünf Alben besorgt, auf Wegen, die jegliches Rechtsverständnis (das spielte ja ohnehin kaum eine Rolle) lächerlich machten – „Throw Down The Sword“ eben. Zuerst auf dem „Orwo-Klassiker“ aus Wolfen, dann tatsächlich haptisch. Und die Cover, so mystisch wie die Protagonisten.
Tittelbach habe ich schon lange aus den Augen verloren, wie so viele, du gehst ein Stück Weg gemeinsam, das war’s dann aber auch.

Oft lege ich die Ash-Alben nicht mehr auf, dennoch: vor jeder Tour steigt das Fieber. Einmal im Jahr ist „Ash-Time“, getourt wird permanent, mit oder ohne neuem Album im Gepäck.
Band-Youngster Joe Crabtree an der Schießbude blickt zurück: „Als die Wahl nach der Auswahlsession auf mich fiel, erklärte mir Andy (Powell) dass die Band viel tourt. Schon ok – da ahnte ich kaum, dass wir permanent unterwegs sind.“

Das Twin-Gitarren-Schlachtross ist live immer eine sichere Bank, mit den letzten beiden Longplayern haben Powell & Band endlich im Studio die Latte wieder höher gelegt. Die häufigen Besetzungswechsel (lange Zeit das einzig Konstante) scheinen der Vergangenheit anzugehören. Mit Muddy Manninen hat Andy Powell den kongenialen Leadgitarren-Gegenpart gefunden, der den Bandsound (und die Dynamik) so unverwechselbar macht – in der Tradition eines Ted Turner. Die Gitarrenduelle sind moderne Sinfonien. Wishbone Ash zelebrieren quasi den Wiedererkennungswert ohne in einer einmal erprobten Schablone zu verharren. Ganz anders Gründungsmitglied Martin Turner, der in einer unsäglichen Melange aus Chuzpe und Unverfrorenheit den Bandnamen entehrt (Martin Turner’s Wishbone Ash), bis endgültig per Gerichtsurteil dem Spuk ein Ende bereitet wurde. Eine ziemliche lausige Live-Farce mit der Reproduktion seiner (eigenen) besseren Tage. Für die wahren Verwalter des Ash-Kulturgutes grenzt das an musikalische Tempelschändung.

Wenn ich zehn Live-Alben auf den Zettel schreiben muss, „Live-Dates“ wären dabei, keine Frage. Geprägt von unglaublicher Gitarren-Ästhetik, angetrieben von einer perfekten Rhythmus-Sektion, ohne auch nur einen Hauch von tumben Geknüppel. Immer präzise, immer dynamisch, manchmal singen und flirren die Doppel-Klampfen um dann wieder in einen orgiastischen Ausbruch zu münden. Majestätisch, von schlichter Eleganz, das Solo endlich befreit vom Ego-Trip. Grenzen werden scheinbar mühelos eingerissen, Hard-Rock-Folk, mal heavy, mal Einflüsse aus dem Jazz, dann wieder kerniger Rock ’n’ Roll, im Bandkontext der Leadgitarren. Vierzig Jahre hat das Album auf dem Buckel. Grund genug für eine Würdigung. Auf der aktuellen Tour feiern Andy & Co. den Klassiker 1:1. Was für eine Erkenntnis, man muss nicht 65 sein, 50 reicht auch um für immer verloren geglaubtes Lied-(Lead-) gut live zu erleben. Oder ist es eine Gnade? Auch die um den Klassiker „herum gebauten“ Songs funktionieren, was nur Zeugnis der musikalischen Relevanz des Top-Vierers ist. Spätestens bei der Zugabe „Persephone“ klappt der ungläubigen Mannheimer Seilerei kollektiv die Kinnlade runter. Wer nicht dabei war, kann’s nicht verstehen oder um es mit Rudi zu sagen: „Wer das Pferd nicht kennt, kann es vom Esel nicht unterscheiden.“

Phoenix flieg. Karlsruhe im Januar 2015 – soft landing!

Bird rise high from the cinders
Leave it all behind
All the ruins and the fire

Bird raise your head from the ashes
Many men lay dead
You can see them like I

Phoenix rise
Raise your head to the sky

Setlist:
Strange Affair
Blue Horizon
The King Will Come
Warrior
Throw Down the Sword
Rock 'n Roll Widow
Ballad of the Beacon
Baby What You Want Me to Do
The Pilgrim
Blowin' Free
Jail Bait Play
Lady Whiskey
Phoenix
Encore:
Deep Blues
Heavy Weather
Persephone
Living Proof

Aktuelle Band:
Andy Powell (g, voc, seit 1969)
Muddy Manninen (g, seit 2004)
Bob Skeat (b, seit 1997)
Joe Crabtree (dr, seit 2007)

Gründungsmitglieder:
Andy Powell (g, voc)
Martin Turner (b, voc)
Ted Turner (g, voc)
Steve Upton (dr)

Studio-Alben
Wishbone Ash (1970)
Pilgrimage (1971)
Argus (1972)
Wishbone Four (1973)
There's The Rub (1975)
Locked In (1976)
New England (1976)
Front Page News (1977)
No Smoke Without Fire (1978)
Just Testing (1980)
Number The Brave (1980)
Twin Barrels Burning (1982)
Raw To The Bone (1985)
Nouveau Calls (1987 / Instrumental)
Here To Hear (1989)
Strange Affair (1991)
Illuminations (1996)
Bare Bones (1999 / Akustikalbum).
Bona Fide (2002)
Lost Pearls (2004)
Clan Destiny (2006)
First Light (1969 aufgenommen, das "allererste" Album).
The Power Of Eternity (2007)
Elegant Stealth (2011)
Blue Horizon (2014)
Live-Alben
Live From Memphis (1972)
Live Dates (1973)
Live In Tokyo (1979)
Live Dates II (1980)
Live Dates II – Additional Tapes (1980)
Hot Ash (1981)
Lady Whiskey (1982)
BBC Radio 1 Live In Concert (1991)
The Ash Live In Chicago
Mother of Pearl – Live (1995 / At the Liverpool Empire)
Live At The BBC (1996)
Live In Geneva (1996)
Live – Timeline (1997)
Archive Series (1998)
The King Will Come (1999)
Live Dates III (2001)
Tracks (2002 / 1972-2001)
Live in Bristol (2002)
Tracks 2 (2003 / 1972-2002)
Almighty Blues (2004)
Live At XM Satellite Radio (2006)
New Live Dates Vol. 1 (2006 / Martin Turner´s Wishbone Ash)
New Live Dates Vol. 2 (2006 / Martin Turner´s Wishbone Ash)
Tracks 3 (2007)
Live In Hamburg (2007)
Argus "Then Again" (2008)
40th Anniversary Concert (2009)
The Life Begins (2010 / Martin Turner´s Wishbone Ash)
Performance (2011)

Gunther Böhm