Pretty Things
11. November 2010, Rex, Lorsch
Dick Taylor: „I could have ended up
as
Bill Wyman!“
William Perks hatte wohl die besserer Anlage, ob er den besseren Groove hatte – keine Ahnung?! Die Pretty Things waren DIE erste und wohl auch die letzte R ‘n‘ B Band unserer Zeit. Ein Jammer, wenn man bedenkt, wer sich heutzutage das Etikett alles so anheftet.
Die Band um die verbliebenen Gründungsmitglieder Dick Taylor (l-g), der eine kurze, aber veritable Zeit bei den damals ebenfalls noch dreckigen und unbekannten Stones hatte, und Sänger Phil May, haben das Genre zumindest mitbegründet. Der große kommerzielle Erfolg blieb den Kritikerlieblingen immer versagt. Die spielen heute vor 250 Leuten, in Ehren ergraut, leicht adipös, evtl. sind auch nicht mehr alle unter uns. Die Einschläge kommen näher – auf und vor der Bühne. Wir (Willy hat sich wieder einmal begeistern lassen) fahren sicher nicht um einen Auftritt aus dieser Voyeurs-Schlüsselloch-Perspektive zu erleben, nach dem Motto: Mal sehen was passiert, vielleicht kippt einer um. Nein, sie waren – ach was – sie sind große Klasse. Für mich auf einer Ebene mit den Stones, den Yardbirds, Animals, nur wilder, rotziger, dreckiger, rauer und, last but not least, wohl auch psychedelischer. Das 60er Synonym für Aufruhr und Unangepasstheit.
Die Shows der Gegenwart sind immer noch hochenergetisch, die Band neben den beiden Masterminds Taylor und May, mit Wally Waller (b, g, voc), John Povey (keyb, voc), Frank Holland (g) und dem auch schon semilegendären Skip Alan an den Trommeln, bestens besetzt, transformiert den psychodelischen Drogen- und Kiffersound mit Blues und Rock ‘n‘ Roll-Gehirnwäsche in eine musikalisch oft lausige Gegenwart. Da ist es uns scheißegal, dass nicht mehr alle Griffe sitzen, das der Gesang von May dünner und brüchiger geworden ist, und dass der Sound wieder einmal im Rex nicht optimal ist. Aber: dem sonst oft sehr mitteilungsbedürftigen Publikum verschlägt es die Sprache. Die Altfreaks flippen völlig aus, gibt’s ja auch nicht mehr oft, sowas! Im Gepäck sind alle mittelgroßen Songs der Band, was sich auf den kommerziellen Erfolg und nicht auf die musikalische Qualität bezieht: Don‘t Bring Me Down, Roadrunner, L.S.D., S.F. Sorrow Is Born.
Die treiben die Bluessau durch den kleinen Laden, das es eine wahre Pracht ist. So was würde ich mir noch einmal von den Stones wünschen. Und dann? Gleich sterben!! Die Ahnen sind definitiv verwandt, „Pretty Thing“ ist ein Bo-Diddley-Klassiker. Bill Wyman hat mal auf die Frage nach den Gründen für seinen Ausstieg geantwortet: „Zuerst haben wir Blues gespielt, dann Rhythm ‘n‘ Blues, dann Rock, dann Stadion-Rock und dann hat‘s mir einfach gereicht!“ Muss er ja nicht – BACK TO THE ROOTS! Dick Taylor hat weniger Kohle verdient, mit der schlechteren Anlage, das überlass ich dem Betrachter.
Der Rex-Auftritt war meine zweite Show, sicher nicht meine letzte. Die sind alles, nur schön, dass müssen die Pretty Things nun wirklich nicht sein!
Es gibt einen größeren Fundus, uneingeschränkt zu empfehlen sind:
The Pretty Things (1965)
Get The Picture (1965)
S.F. Sorrow (1968)
Parachute (1970)
Unrepentant (1995, schöne Werkschau, Doppel-CD auf SPV,
vermutlich gestrichen)
Gunther Böhm