12. März 13. März 14. März 15. März 16. März 17. März 18. März 19. März sxsw2010 12. März 13. März 14. März 15. März 16. März 17. März 18. März 19. März sxsw2010

The International Cajun Trio

21. April 2012, Alte Mälzerei, Eisenach

Der Mississippi fließt in die Hörsel

Cajun war bisher nicht mein Ding, live könnte sich das nachhaltig geändert haben. Das Akkordeon als Grundzutat wurde bisher mehr gefürchtet denn geschätzt. Wer es so sanft spielen kann wie der Rheingau-Franzose Yannick Monnot, die Knöpfe geradezu zu streicheln vermag, und es ebenso Klagen, Jammern und Wimmern lässt, bringt uns schnell auf seine Seite. Sag niemals nie!

Geladen vom Jazz-Club-Mastermind Reinhard Lorenz lassen wir uns auf eine musikalische Entdeckungsreise ein, die begeistert und zweifellos unseren Horizont erweitert (hat).

Der einzig bekannte Musiker an diesem Abend ist Biber Herrmann (g, dobro, harp, voc), vor Jahresfrist beim „Akustik-Gitarren-Evening“ von Peter Finger im Ludwigshafener „Haus“ gehört und gesehen. 2007 schon mal auf der BRCP mit Markus Rill erlebt. Ob ein Weißer aus dem Rheingau den Blues haben kann? Klar kann er, wer eine Lehrausbildung zum Winzer mit extremer Riesling Steillage besteht, der hat den Blues. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass neben Cajun und Zydeco auch die Zwölftakter eine Rolle spielen. Und wie!
Der dritte Mann im Cajun-Club ist Helt Oncal aus New Orleans, Louisiana, sozusagen der „Native Local Hero“. Ebenso wie Biber H. ein hervorragender Gitarrist, der zusätzlich die Violine und die Mandoline mit seiner Arbeit adelt.

Die alte Mälzerei ist ein zum Jazzclub und Archiv mutiertes Industriedenkmal, sehr schöne Location, die mit dem dazugehörigen Schuss Enthusiasmus am Leben erhalten wird. Die einstige Jazzclique, die die Musik vermeintlich gepachtet zu haben schien wird nicht gesichtet. Is‘ ja auch nix besonderes mehr, und Golf-Fahren kann heute auch fast jeder. Wenn man möchte, kann man dabei sogar anständig bleiben …

Als Opener für den Cajun-Trip zu abgehackten Hühnerfüßen, Schrumpfköpfen, Voodoo und Alligatoren dient ein Instrumental. Zentrales Instrument ist Monnot‘s Akkordeon unterlegt von einer nicht aufdringlichen Violine. Jeder ist gleichberechtigt, die Bälle werden zugespielt, meistens fungiert Monnot als eine Art musikalischer Libero. Ab „Can‘t Be Satisfied“ beginnt die Abteilung Blues, hauptverantwortlich Biber Herrmann mit zwei perfekten Sekundanten. So zieht sich ein roter Faden durch das Louisiana-Roots-Programm, getränkt von Cajun, Zydeco, Blues, Swamp, Jazz, Swing.

Oncale, in den Outskirts von „Nolins“ aufgewachsen, erzählt von der beruhigenden Wirkung des Mississippi und davon, wie der Mississippi-Schlamm an den Füßen zum Verräter wurde, dass der junge Held wieder einmal in der „Forbidden Area“ zum Spielen war. Da wir einen direkten Quervergleich zum Vorabend ziehen können: Little Red Rooster, mein Gott, eine Klasse besser und You Gotta Move, da wäre Keith stolz gewesen. Mehr Feeling geht nicht.

Der zweite Teil beginnt wie der erste mit einer Instrumentalnummer. Inzwischen kommt im nur mäßig gefüllten Club auch so etwas wie Stimmung auf. Schade, dass zur besten Ausgehzeit, nicht mehr Leute ihr „coming out tonight“ hatten. Bei „Jesus On The Main Line“ (tell ‘em what you want) wurde dann auch endlich mitgesungen, gestampft und geklatscht. Es ist wie immer: Schuld sind ja nicht die Anwesenden, sondern die Nichtanwesenden.

Nach gut zwei Stunden ist eine temperamentvolle musikalische Reise in den tiefsten Süden der USA beendet, nicht ohne zwei Zugaben. Der Eisenacher Jazzclub ist ein dicker Tipp. Für zwei Stunden fließt der Mississippi durch Westthüringen. Und wenn man auf dem Heimweg genau hinschaut, ist die Hörsel doch ganz schön breit. Oder?
Gratis dazu kommt der Erkenntnisgewinn, dass es auch Alligator-Music gibt. Kannte ich nicht, wie gesagt, eine echte Entdeckungsreise. Vielen Dank!

Setlist:
• Acadien
• J‘ E‘tais Au Bal
Cajun Night
Catfish John
Can‘t Be Satisfied
Little Red Rooster
Black Bottom Strut
Cherokee
Bosco Stomp
Dirty Feet
On The River
You ‘re No Good
Railroad Song
Pause

Crowley Two Step
Madeleine
Alligator Sam
Sometimes Up
Amour & Amitié
Free Born Man
Goin‘ Up The Country
Jolie Blonde
Jesus Is On The Mainline
Je Suis Pas Né Hier Au Soir

Zugabe:
Mississippi On My Mind
Eine weitere kann ich leider nicht mehr nachvollziehen, schade!

Gunther Böhm

 

 

 

 

 

bluesshacks logo