Deadstring Brothers
18. November 2011, Wunderbar Weite Welt, Eppstein
Exile im Taunus –
All the real rockers come from Detroit!
Oh-oh, „Exile“ schon im Titel, dann ein Mitch-Ryder-Zitat, das verpflichtet, keine Frage.
Rückblick: 2009, Austin, Stubbs, Indoor-Stage, rappelvoller Club, durch die Luft flirren Substanzen, die vorrangig pflanzlicher Herkunft sind und, glücklicherweise, nicht mit Hilfe eines Chemiebaukastens hergestellt wurden. Allein das Publikum ist schon eine große Freakshow, Exile eben. Eigentlich wollte ich seinerzeit zu den Heathens, bin aber outdoor bei den in Texas ziemlich angesagten Live-Breitwandrockern Heartless Bastards hängen geblieben. Auf der Indoor – Stage stand dann Justin Townes Earle auf dem Tourfile, nimmt man schon mal mit. Das genialste an solchen Trips ist jedoch, dass man immer wieder mit Musik konfrontiert wird, die man so und diesem Moment weder erwartet und schon gar nicht gesucht hat. Wie auch, die Dead String Brothers kannte ich bis dato nicht. 2003 in Detroit, Michigan gegründet, eine lose Versammlung gleich gesinnter Alternative-Country-Anhänger
(Americana heißt das wohl inzwischen) um Mastermind Kurt Marschke, der erheblich jünger daherkommt als seine runtergeschrubbte Gibson. Zurück in Deutschland hab ich mir dann erst mal die aktuelle Scheibe „ Sao Paulo“ besorgt. Welch eine Offenbarung! Viele, viele Vergleiche musste das Meisterwerk der Stones, dass ja seinerzeit von der Kritik schwer abgebürstet wurde, schon über sich ergehen lassen. Kein späteres Werk kam nur annähernd in Schlagdistanz mit Ausnahme von vielleicht Wilco´s „Being There“. Mehr Gründe sind nicht erforderlich um sich von Heidelberg, Weilburg und Eisenach auf den Weg nach Eppstein zu machen. All the Real Rock Fans Come From Everywere! Und der Club zählt zu den schönsten Live-Locations übehaupt!! Kurt Marschke hat die Reise über den großen Teich alleine in Angriff genommen. Die Dead-String-Brothers-Community besteht für diesen Abend aus Musikern die über den kleineren Teich, aus UK, in den Taunus gekommen sind:
The Society. Die eröffnen dann auch die Show, ohne Mastermind Marscke. Spielen ganz guten Countryrock, ein wenig Alternativmugge, nichts neues, fügt sich aber nahtlos in das Konzept des Abends ein. Manchmal ist mir das zu sehr an den frühen Johnny Cash angelehnt.
Die Stimmen sind angenehm warm, es zeigt sich wieder einmal, dass eine Band die mehrstimmigen Gesang im Fundus hat, immer gewinnt, seit CSN&Y den Boden dafür bestellt haben! Nach kurzer Pause gesellt sich dann Marscke zu dem England-Dreier, bestehend aus dem klassischen Line-up, Gitarre, Bass, Drums & Marscke‘s Gitarre. Von der ersten Sekunde an, mit No Hidin‘ geht‘s los, ist klar, dass hier alle Rootsregister gezogen werden. Die brauchen keine Stones-Songs live zu spielen, dass ist die Reinkarnation ohne sich anzubiedern. Beide Gitarren rootsy, riffig, dreckig, das Schlagzeug straight und mit lockerem Beat, der Bass unspektakulär, wie einst die Ahnen. Die Wurlitzer fehlt und die Sessionmusiker von der Qualität eines Ry Cooder sind auch nicht auszumachen. Aber braucht das jemand, wenn so „original“ mit solcher Spielfreude und ohne Effektenhascherei das Tor zum Americanahimmel aufgestoßen wird. Ab „Houston“ legt Marschke dann so richtig los und zeigt allen, wo der Rootshammer hängt. Die Setliste besteht aus den Alben „Sao Paulo“, „Silver Mountain“, „Starving Winter Report“ und „Same“, spätetstens ab „27 Hours“ („Same“) ist der kleine Club auf Betriebstemperatur und das Freakvolk im Roots-Rock-Heaven. Bierseelig (dito: Rotweinseelig) wird mitgeklatscht, gestampft, es scheint, dass sich die Mühen der Woche zwischen zwei Licks in Wohlgefallen auflösen. Scheiß auf morgen Früh…hier und heute geht die Gitarrenpost ab!!! Nach 90 Minuten Show der Hauptattraktion werden wir in die Nacht entlassen. Dass es heute kalt ist, nehmen wir nicht mehr wahr. Zuvor hat Florian, der Musiker unter uns, mit der Band gefachsimpelt. Yeah, Dead String Brothers, immer wieder. Auf der Homepage des 2012er „SouthbySouthwest“, ist ein Dead String Brother gelistet. Steht schon im „Private File“!
Hier die Setlist, wie immer von Florian sichergestellt:
• No Hidin
• Housten
• Smile
• 27 Hours
• Jake
• For A Time
• Devil
• If You Want
• Toe
• Talkin´
• Sacred Heart
• Unclouded Day
• Buick 6
Das war´s, leider zu kurz!
Hier noch der besseren Übersichtlichkeit wegen, die
LP/CD-Empfehlungen:
• Sao Paulo
(Inselplatte, Haben-Muss, Exile-Feeling, Strong Buy!!!)
• Same
• Silver Mountain
• Starving Winter Report
Gunther Böhm