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Saviour Machine

7. September 2012, Theater, Heilbronn

The unofficial (+ acoustic) soundtrack
of the end of the world

Lange haben sich Saviour Machine extrem rar gemacht. Das letzte Album (Legend Part III:I) erschien 2001, die gesamte „Legend“-Konzeptalbum-Reihe ist nach wie vor unvollendet und nach dem damaligen Ausstieg von Jeff Clayton (Gitarre) 2001 wurde es nach und nach stiller um die amerikanische Prog/Gothic-Metal-Band... doch 2011 traten sie wie aus dem Nichts zu einer exklusiven Unplugged-Show in Heilbronn auf, die dem Hörensagen nach ein riesiger Erfolg war und von der Presse gefeiert wurde, so dass man ein gutes Jahr später eine kleine „Unmasked/Unplugged“-Tour folgen ließ. Auch Heilbronn steht mit diesmal sogar zwei Gigs auf dem Tourplan, Pflichtprogramm.

Vor Ort ergibt sich für einen regelmäßigen Metal- und Rock-Konzertgänger ein ungewohntes Bild: ein Konzert in einem Theater mit typischer Bestuhlung, das ist für mich Neuland; aber alles in allem für den Event ein stilvolles Ambiente. Statt einem Bierstand gibt es einen Getränkeausschank, Stehtische stehen im Foyer, an der Abendkasse sitzt eine freundliche ältere Dame und statt Tourplakaten von kommenden Rockkonzerten sind die Schaukästen mit den Ankündigungen für baldige Theateraufführungen gefüllt. Auf ein Konzert deutet lediglich der große Merch-Stand hin, und das eine oder andere schwarze T-Shirt, auf dem aber meistens „nur“ der Name Saviour Machine prangt. Und das absolute Highlight: statt Feedback von Gitarren, Jubel des Publikums oder dem Ertönen eines Intros wird der Fan auf die klassische Theater-Art auf den nahen Beginn des Konzertes aufmerksam gemacht: der Theater-Gong ertönt! Leider ist der Innenraum nur zu vielleicht zwei Dritteln gefüllt, als mit zehn Minuten Verspätung der Vorhang aufgeht und die Band auf die Bühne kommt. Diese ist in stimmungsvolles rotes Licht getaucht, im Hintergrund prangen große Kerzenständer und ein Konzertflügel links sowie das große Drumset rechts rahmen die Bühne ein. Die Band legt mit einem Song los, den ich erst beim Gesangseinsatz als „Sympathy for the devil“ von den Stones identifiziere. Eine bekennende christliche Band, die das covert... scheinen Humor zu haben, ein sympathischer Einstieg, musikalisch hervorragend umgesetzt. Der erste Teil des Sets besteht aus Songs der ersten beiden Alben, die in der Szene Kultstatus besitzen, viele Nummern werden begeistert abgefeiert, wobei die Reaktionen natürlich theater-like ausfallen... es wird andächtig zugehört und teilweise sogar Szenenapplaus gespendet... vor allem bei Jeff Claytons überragenden Gitarrensoli. Dass Saviour Machine allesamt Ausnahmemusiker sind, das muss sowieso nicht gesondert erwähnt werden; Nathan van Hala am Flügel spielt, sofern ich das von meinem Platz aus sehen kann, den kompletten Gig ohne Noten, komplett auswendig... und Leadsänger Eric Clayton ist nicht nur ein charismatischer Frontmann, der die Songs mit großen Gesten ummalt (und dem man seine Erkältung nur aufgrund des gelegentlichen Atemsprays anmerkt), sondern natürlich auch mit einer kraftvollen, emotionalen Stimme gesegnet. So vergeht die erste Stunde wie im Flug, und Nummern wie „Enter the idol“, „Son of the rain“, „Christians & lunatics“ oder „Legion“ funktionieren in den komplett umarrangierten, aber in keiner Weise abgespeckten Versionen ganz hervorragend... tolle, emotionale Musik mit viel Tiefgang. Beim letzten Song steigt Eric Clayton dann auch noch von der Bühne, um die Fans in den ersten Reihen mit Handschlag zu begrüßen.

Nach einer 20-minütigen Pause steigen Saviour Machine in den zweiten Teil ein, in dessen Fokus die „Legend“-Trilogie steht; wie diese Songs live + unplugged funktionieren, das war für mich vorab die größte Frage; die Alben sind sehr bombastisch, progressiv, soundtrackartig (klar, beim „Unofficial soundtrack to the end of the world“)... im Grunde konnte ich mir vorab nicht einmal eine „normale“ Live-Umsetzung vorstellen. Aber was die Band in der kommenden Stunde abliefert, das ist einfach nur große Kunst. In ihren neuen Versionen entfalten die hochkomplexen Songs eine komplett andere Atmosphäre, bei Nummern wie „The sword of Islam“ kommen die orientalischen Einflüsse der Alben deutlich zu Vorschein, und was Jeff Clayton hier an Läufen und fremdländischen Skalen seiner Gitarre entlockt, das lässt einige Münder offen stehen. Nach einer weiteren Stunde verabschiedet sich die Band noch einmal zu einer kurzen Pause, um nach nur wenigen Minuten in Set 3 einzusteigen und den Abend mit einen paar weiteren Songs der ersten beiden Alben ausklingen zu lassen. Nach insgesamt knapp 3 Stunden werden Saviour Machine schließlich mit Standing Ovations verabschiedet, was sie dann noch einmal zu zwei Zugaben bewegt, einem neuen Song vom irgendwann kommenden „Legend III:II“-Album sowie „Legend I:I / The lamb“. Eric Clayton verlässt noch einmal die Bühne, um durch die Reihen zu laufen und sich persönlich bei den Fans zu verabschieden und bedanken.

Eine hochsympathische Band, eine musikalische Weltklasse-Leistung, stimmungsvolle Präsentation... das war alles in allem ein außergewöhnliches Konzerterlebnis, das man in dieser Form nicht so schnell wieder sehen wird. „Konzert“ ist vielleicht nicht einmal der richtige Begriff, „Aufführung“ trifft den Abend besser. Schade, dass das Theater nicht ausverkauft war, das hätte ich der Band wirklich gegönnt. Hoffentlich war einen Abend später der Laden rappelvoll.

Auf der kleinen Tour wird übrigens eine DVD mitgeschnitten, mit der man dann alles noch einmal vor dem heimischen Fernseher verfolgen kann. Für das Bonusmaterial sind wir vor der Show interviewt worden, irgendwo dann vielleicht bei den Outtakes zu sehen.

Florian Störzer