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Biber Herrmann

4. Januar 2013, Wunderbar Weite Welt, Eppstein

Love And Good Reasons … For The Blues

Nach der Zugabe kommt Biber Herrmann zu uns an den Tisch, uneitel, geerdet, glücklich über eine gut besuchte „Wunderbar“, freut sich sichtlich, über seine Musik und seinen Auftritt zu reden. Der Früchtetee ist keine Strafe, so ist er einfach, der Rheingau-Blues-Biber. Grundsympathisch, den Blues kannst du auch auf andere Weise bekommen. Müssen wir uns merken.

Zwei Tage später, ich beginne mit dem Text, erst mal das Umfeld herrichten, Clapton’s „Me & Mr. Johnson“ im Player (die umgekehrte Reihenfolge wäre, bei allem gebotenen Respekt vor Mr. Slowhand, wohl „dankbarer“) auf’m Tisch, Willie Dixon’s „I’m The Blues“ (dicker Tipp), Muddy Waters ist eh immer griffbereit. Was folgt, ist ein Plädoyer für den Blues, nicht mein unerhebliches, die gelungene, brandaktuelle, auf DCD erschienene Symbiose aus Blues-Text (Fritz Rau) und Blues-Songs (Biber Herrmann). Ein „modernes Hörspiel“ einer uralten, ewig jungen Musik, die sich in einem Dauerrevival befindet. Und Biber’s Platten habe ich jetzt sowieso …, eingegroovt.

Vor ein paar Monaten in der Eisenacher Mälzerei war’s nicht so voll, Gründe den Blues zu bekommen gäbe es in Thüringen zu Hauf, im Taunus ist das andersrum, da gönnt man sich so ’ne Bluesnacht. Weiß nicht, ob das noch was mit Mississippi-Delta zu tun hat, ist auch egal, mir zumindest …

Robert Johnson‘s Aufnahmen höre ich nicht all zu oft, die bewegen sich zwischen Genialität und Sperrigkeit, dennoch es gibt wohl keinen Musiker, der ernst genommen werden möchte, der sein Schaffen nicht zumindest anerkennt, egal wie sie alle heißen, Stones, Led Zeppelin, Clapton, Gov’t Mule, Walter Trout, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Biber Herrmann hat den Delta Blues, das steht fest. Das mag auch an der Liveinterpretation liegen, beide Johnson-Nummern, „Kind Hearted Woman“ und „Come On In My Kitchen“ gehen mir besser rein als die von Simon Climie glattproduzierten Clapton-Aufnahmen. Insbesondere „Come On In My Kitchen“ (Dobro) versprüht Delta-Feeling, das sich sehr am Original orientiert, unbemüht, fast wie eine Band. Leute, das meine ich im ernst, hört euch mal beide Versionen an (Rainbow Walker).

Von Blues-Gitarren-Gegniedel keine Spur, sparsam arrangierte oder manchmal auch überraschend umarrangierte Songs (Satisfaction) stehen im Mittelpunkt des Konzertes. Die einzelnen Tracks werden geschickt mit Geschichten zu einer Einheit verwoben. Heute zählt keine Bluesformel und kein dreizeiliger Text, hier gibt es eine Riesenportion Lebensweisheit dazu. Irgendwie ein Songwriterabend auf Blues. „Wir Menschen neigen dazu, wenn wir verletzt werden zurück zu verletzen“. Leider ist das sehr genau beobachtet.
Beim „Soviet Baby Blues“ dauern die Tunings etwas länger und als die auch noch schräger werden, befürchtet BH, den Laden leer zu spielen. Nein das ist eher ein Lehrspielen, selbst Schwermetallist Florian meint, „hört sich an wie ’ne komplette Band“. Beim Thomas-Klassiker „Going Up The Country“ werden quasi drei Gitarren durch den Fingerpicking Style übereinander gelegt, plus etwas Bass und den perkussiv bearbeiteten Korpus als Ersatzsnare, da muss man erst mal draufkommen.
Dass Biber Herrmann die Stampfvariante, den „Woke-Up-This-Morning-Lederhosen-Proll-Blues“ nicht zelebriert (den Abend, wer weiß, vielleicht galoppiert ihm der Bluesgaul auf der E-Gitarre manchmal davon) vermisst heute Abend niemand. Ich hab gesucht auf allen Platten. Fehlanzeige.
Die deutsche Bluesszene lebt, wenn auch in einer Nische, aber sie lebt. So lange es solche Gitarristen, Harpspieler, Texter und Songwriter wie Biber Herrmann gibt, muss uns nicht bange werden. Mein Lieblingssong „I Will Find You“ (sensationell mit David Munyon) fehlt, mit Dylan’s „Tomorrow Is A Long Time“ endet eine Nacht mit strahlenden Gesichtern. Später schenkt mir Biber Herrmann noch seine CD „Rainbow Walker“, so was gibt’s auch noch. Danke! Love Is A Caravan, das könnte auch aus der Feder „Van The Man“ stammen. Love Is!

Setlist
Angels In The Rain (Biber Herrmann)
Mojo Working ( Preston Foster / McKinley Morganfield)
Kind Hearted Woman (Robert Johnson)
Railroad Worksong (Mark Knopfler)
Come On In My Kitchen (Robert Johnson)
Rain Of Love (Biber Herrmann)
Soviet Baby Blues (Biber Herrmann)
Song For Rose (Biber Herrmann)
Goin’ Up The Country (Henry Thomas)
Pause
Can’t Be Satisfied (McKinley Morganfield)
Love Is A Caravan (Biber Herrmann)
Lady Luck (Biber Herrmann)
Rainbow Walker (Biber Herrmann)
Satisfaciton (Jagger/Richards)
Little Red Rooster (Willie Dixon)
I Just Wanna Make Love To You (Willie Dixon)
The Leaving Town Blues (Biber Herrmann)
Encore
In The Summertime (Biber Herrmann)
Tomorrow Is A Long Time (Bob Dylan)
Die Platten:

Temporarly Blue
Love And Good Reasons
Rainbow Walker
Fritz Rau & Biber Herrmann: Ein Plädoyer Für Den Blues (DCD)
Anm.: Siehe auch International Cajun Trio, 2012 / I
Siehe auch 50 Jahre AFBF, 2012 / II

Gunther Böhm