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Blue Rose Christmas Party 2011

3. Dezember, Roadrunners Paradise, Berlin

Blue Rose Rockestra – Band Of Heathens
Cody Canada & The Daprted – Baskery
Julian Dawson

Die BRCP-Party hat inzwischen Kultstatus erreicht, da ist es keine Frage, ob wir fahren, sondern nur wann, ggf. einen Tag früher, denn: „Edgar The Organisation“ hat gerufen, und wir folgen schon freitags der Aufforderung, immerhin ist Charismatiker Julian Dawson für den musikalischen Teil am Vorabend im Kreuzberger „Wowsville“, einer Szene-Symbiose aus verräucherter Schmuddelkneipe und überteuerten Plattenladen verantwortlich. Wer Dawson kennt, weiß, dass er kein Hochglanzgitarrist aber sehr wohl ein launiger, nie langweiliger Conferencier, Storyteller und musikalischer Zeremonienmeister ist. Eine Blue Rose Christmasparty ohne Dawson ist wie Weißbier ohne Hefe, da fehlt irgendwas Wichtiges.
Dass die Baskery-Schwedinnen auch am Vorabend auftreten sollen, lässt das Herz der zahlenmäßig großen Anzahl „Rosenzüchter“ höher schlagen, vorrangig der Fans, die im Stehen pinkeln können. Vor den mitgereisten (Ehe-) Frauen wird das geschickt vertuscht… Warum das so ist? Schaut euch mal ‘ne Show von Baskery an.

Die Kurpfalz-Connection (Florian I + II, Schulzie, Maroni, Gunther) wird um „unseren“ Webminister Tommy aus den fünf teuren Ländern vervollständigt. Wir entscheiden uns für beide Tage, Tommy folgt vorher dem Ruf einer Party, um Samstagmorgen ohne eine Sekunde Schlaf aber gut geeicht uns hinterher zu reisen. Ein Plakat am Zugabteil „Rock ‘n‘ Roll Train“ sorgt dafür, dass wir in Ruhe gelassen werden. Florian I hat sogar eine Minianlage für den I-Pod dabei. Jeder von uns kann auf eine unterschiedlich lange BRCP-Vita blicken, einzig Florian II ist neu an Bord. Die „Heathens“ und das Event an sich waren überzeugend genug. In Berlin sind wir dann in unterschiedlichen Hotels – wegen unterschiedlicher Vorlieben. Außerdem: Mitten im Zentrum, 4 1/2 Sterne, DZ inkl. Frühstück für 92 €, da gibt es nichts zu überlegen, es ist Advent, wir sind in der Hauptstadt.

Abends ziehen wir mit Schulzie zum Spanier, dann direkt und zu Fuß, Google macht‘s möglich, nach Kreuzberg. „Versprengte“ Teile der Blue-Rose-Kundschaft sind schon vor Ort, Florian I + II haben sich für ein anderes Programm entschieden.
Die Julian-Dawson-Show zündet nicht so, es ist doch ziemlich voll und leider auch sehr laut geworden. Eine inzwischen weit verbreitete Konzert-Unsitte ist das extreme Mitteilungsbedürfnis (lebenswichtiger Informationen) einiger ignoranter „Gäste“ die meinen, mit dem Kauf eines Tickets (der Abend war sogar ohne Eintritt) alle weiteren Rechte erworben zu haben. An diese „Musikfans“ der Hinweis, Speakers-Corner im Hyde Park, das wäre doch ein Ziel. Baskery erleben wir nicht mehr, um Mitternacht verschwinden wir genervt Richtung Berlin-Mitte. Ein Absacker an der Hotelbar, das war‘s für heute.

Samstagmorgen, es regnet, wir streichen durch die Stadt und investieren Geld in schöne Dinge, die zum Leben nicht wirklich benötigt werden. Egal, manchmal muss man auch nachgeben. Ein Pils mit Tommy, dann geht‘s auf in‘s Roadrunners, ein mittelgroßer Laden, der eigens für BRCP gebucht und schon seit Wochen ausverkauft ist. Schöne Location, die optimal für die Musikparty hergerichtet wurde, ein Beduinenzelt zum Durchatmen, ein Imbisswagen mit Blue-Rose-Burger, ein langer Merch-Stand mit CD‘s zu günstigen Kursen und ein rappelvoller Club, in dem die geschätzte Hälfte der üblichen Verdächtigen ihre Verbundenheit zum Label durch ein für diesen Abend verkauftes T-Shirt dokumentiert. I still buy records…Absolut! Der Preis für das Shirt wird auf den abendlichen Einkauf am Tonträger-Stand angerechnet. So was gibt es nicht mehr oft, ach was, so was gibt es gar nicht mehr. Einziges Manko an diesem Abend ist der schlecht organisierte Einlass, aber alles kann man nicht haben und nach vierzig Minuten Wartezeit, die mit Fachsimpeleien und Galgenhumor überbrückt werden, sind wir drin.

Label-Mastermind Edgar Heckmann und Julian Dawson eröffnen den Abend, das Schöne an Blue-Rose-Konzerten, man kennt sich, inzwischen fast eine große Rock ‘n‘ Roll Familie – quer durch Deutschland! Julian kommt besser an als am Vorabend, den ersten Höhepunkt setzen dennoch die schwedischen „Queens of Banjopunk“, Baskery, recht neu auf dem Abstatter Label und mit „New Friends“ auch gleich eine neue Scheibe am Start. Die nett anzusehenden Schwestern, Stella, Greta und Sunniva Bondesson machen von Anfang an unerhört Dampf und zeigen wo bei einer Live-Mugge der Hammer hängt. Ohne Zweifel hat Greta die musikalischen Fäden in der Hand und auch Bandleadermäßig die Hosen an. Wie sie gleichzeitig, Snare, Banjo, Harmonica spielt und singt, das hat schon große Klasse. Beauty Sunniva (g, voc) ist für die optischen Momente zuständig und versteht es neben der musikalischen Klasse ihrer Schwester den Laden auf ganz andere Weise zum Kochen zu bringen. Währenddessen groovt Stella scheinbar unbeeindruckt am Upright-Bass und liefert das Killbilly-Fundament. Nach einer Stunde brodelt der Laden und alle Zugänge müssen geöffnet werden. Was für ein Start!

Auf Cody Canada & The Departed freuen wir uns ganz besonders, in Austin hat Cody C. gemeinsam mit seinem neuen Gitarristen Seth James einen superben Akustik-Set im legendären Antone‘s hingelegt. The Departed sind die konsequente Fortsetzung und Weiterentwicklung von Cross Canadian Ragweed, die in den Staaten ja richtig groß waren und auch schon mal 10.000 Leute gezogen haben. Red Dirt und elektrifizierter Südstaaten getränkter Country-Rock, dominante Gitarre von Seth James, der seinen Part routiniert und gekonnt abspult und seinem Chef zumindest instrumental überlegen ist. Gleichwohl, Canada ist ein Rockshouter mit Präsenz, da fehlt nichts. Und sein CCR-Weggefährte Jeremy Plato am Fretless Bass spielt sich an diesem Abend den Arsch ab. Allerdings, das habe ich nicht exklusiv, hätte ich mir für eine lange Partynacht etwas weniger Fusion-Ausflüge und Experimente gewünscht. Chill bügelt mich kurz ab, ich sei mit nichts zufrieden. Mitnichten, Thomas, auch ich finde: sehr gute Band, die für Experimente den falschen Zeitpunkt gewählt hat. Eine Woche später in Karlsruhe durften wir eine perfekte Rock-Show miterleben. War o.k., Schwamm drüber!

Einige Tage vor dem Eintreffen der Band Of Heathens versorgt uns Edgar per Mail mit der traurigen Mitteilung das für Colin Brooks nach der BRCP und der sich anschließenden Kurztour endgültig Schluss ist. Wird wohl Spuren hinterlassen…leider macht sich beim Heathens-Auftritt im Publikum (verständlicherweise) so eine Art Voyeursperspektive breit. Nach dem Motto: Bekommt Colin Brooks einen fairen Abgang?
Um es vorwegzunehmen: Er bekommt ihn nicht, sondern wird von seiner Band massiv geschnitten. Man muss kein Psychologe sein, um das zu erkennen. Welch großer Musiker eine ebenso großartige Liveband verlässt, ist an dem Fakt zu erkennen, dass die Heathens trotz aller offenkundigen Probleme den Abend musikalisch gewonnen haben. Der Punkt für die beste Show geht eindeutig an Baskery.

Die Heiden werden noch ein paar Shows mit Colin Brooks in Dänemark spielen, das wars dann mit de Zusammenarbeit. Das ist so schade, wie der kurze Auftritt des Rockestras, da lag die Latte aus den vergangenen Jahren schon sehr hoch. Was bleibt, sind drei in diesem Genre hervorragende Studioplatten mit Colin Brooks, der am ehesten den introvertierten Rocker verkörpert hat. Ohne Brooks, da bin ich mir sicher, wären die Jungs heute nicht musikalisch da wo sie inzwischen angelangt sind. Ein Jammer, wenn man bedenkt, welch Potenzial in der Band steckt. Brooks war für einige der besten Songs verantwortlich.

Band Of Heathens Setlist:
• Unsleeping Eyes
• Heart On My Sleeve
• Bumble Bee
• Medicine Man
• Shine A Light
• The Other Broadway
• Hurricane
• Somebody Tell The Truth
• Brokedown Palace
• L.A. Country Blues
• Gris Gris Satchel
• Motherland
• Should Have Known Better
Zugaben mit The Departed, Baskery und Julian Dawson:
• Deal
• Willin‘
• Ain‘t No More Cane

Bei „Willin‘“ sind vereinzelt feuchte Augen auszumachen … wieder ein unvergleichlicher und wenn man so will, leider auch historischer Abend!

Gunther Böhm

 

So, hier noch kurz eine zweite Meinung zu BRCP 2011, da ich Gunthers Meinung nicht in allen Punkten teile.

BASKERY war ohne Frage ein richtig guter Anheizer; die Mädels brachten den Laden in Windeseile in Betriebstemperatur und abgesehen davon, dass sie echte Hingucker sind, ist auch die musikalische Leistung wirklich bemerkenswert, vor allem das, was Greta so alles parallel abzieht. Wer schon einmal daran gescheitert ist, zum Schlagzeugspiel Backing Vocals zu singen, der mag sich gar nicht auch noch Banjo dazu vorstellen.

Auch CODY CANADA & THE DEPARTED gefielen mir sehr gut; die von Gunther angesprochenen Fusion-Ausflüge lagen mir nicht so schwer im Magen wie ihm. Vielleicht hätten sie den einen oder anderen experimentellen Song gegen eine Ragweed-Nummer tauschen können (eine Woche später in Karlsruhe war z. B. „Soul Agent“ im Set, oder „Anywhere but here“ hätte sicherlich auch gut gepasst!), aber Schwamm drüber... die Departed-Scheibe ist ein bisschen experimenteller als Ragweeds Red Dirt-Schule, und klasse Musiker sind sie alle... vor allem vor einem Fretless Bass-Könner wie Jeremy Plato habe ich Respekt.

Die HEATHENS hingegen waren für mich nicht der musikalische Gewinner des Abends, definitiv nicht. Habe mittlerweile einige Konzerte der Band hinter mir, die meisten waren sehr gut, teilweise überragend (Sinkkasten, Frankfurt vor einigen Jahren!), und nur eines richtig schlecht... aber der Abend in Berlin reiht sich bei mir gleich hinter der Release Party zum dritten Album im Antone‘s in Austin, März 2011, ein. Die Setlist war gut, natürlich auch kompetent gespielt, aber zu einem guten Konzert gehört für mich auch Enthusiasmus und Motivation, und ich bin mir sicher, dass viele Zuschauer auch gemerkt hätten, dass in der Band etwas nicht stimmt, hätte man zuvor Colin Brooks‘ Ausstieg/Rausschmiss nicht publik gemacht. Irgendwie wurde das Programm runtergespult, Colin Brooks wurde auf der Bühne geschnitten und das ganze wirkte auf mich eher nach Vertragserfüllung als nach Rock ‘n‘ Roll... kam für mich ein Stück weit unprofessionell rüber. Die schlechte Stimmung war auch später noch im Rockestra zu bemerken. Da kann ich mir die Band auch zu Hause auf Konserve anhören und auf das Live-Erlebnis verzichten. Zu hoffen bleibt, dass es mit neuen Musikern wieder aufwärts geht... wäre schade, wenn nicht.

Florian Störzer

Alle Konzertbilder mit freundlicher Genehmigung von Gudi Bodenstein

Plattenempfehlungen:

Band Of Heathens:
Alle, definitiv, zu finden unter www.bluerose-records.com
Baskery:
Fall Among Thieves
New Friends
Cody Canada & Departed:
This Is Indian Land
Cross Canadian Ragweed
Box Of Weed (gute 5-CD-Werkschau zum Einstieg und zum Einstiegspreis)

 

 

 

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