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Wir stellen uns vor

Florian

„Birth – School – Metallica – Death“. Der typische Werdegang eines Metalheads. So prangte es Anfang der 90er Jahre, zu Zeiten des legendären „Black Albums“ auf vielen Shirts. Ein einfacher Lebenslauf, aber eigentlich ist alles wichtige drin. Und Metallica sind ja auch eine gute Band. Haben zwar im Laufe der Jahre auch einiges an Mist aufgenommen (man denke nur an das grandios schiefgelaufene Klassik-meets-Metal-Experiment, die höchst durchschnittlichen Alternative Rock-Ausflüge oder St. Anger, diese vertonte Gruppentherapie...), aber auch unsterbliche Klassiker geschaffen. Ob jetzt „Ride the lightning“ oder „Master of puppets“ das bessere Album ist, darüber lässt sich prima streiten, aber in die Top Ten der besten Metal-Alben aller Zeiten, da stehen beide wohl bei sehr vielen Metalheads. Und trotzdem, für mich persönlich haben Metallica keinen Legendenstatus. Wie gesagt, eine wirklich gute Band, vor allem live, aber zu meinen ganz großen Favoriten gehören sie nicht.
Aber wie sähe denn das Shirt aus, das ich anziehen würde? Eine gute Frage, für die ich mal meine Musikkarriere Revue passieren lasse...

Im Grunde hätten die Vorzeichen für meine musikalische Karriere nicht schlechter sein können. Ich meine... man muss bedenken: an meinem Geburtstag im Juli 1978 war einer der übelsten Songs aller Zeiten Nr. 1 in den deutschen Charts und das schon zum zweiten Mal im Jahre 1978. Wer hat das immer gekauft??? Sooo schlecht waren die 70er Jahre ja musikalisch nicht, da gab es doch definitiv bessere Nummern als „Rivers of Babylon“. Zumindest nicht viele schlechtere. Und trotzdem habe ich es geschafft, dass meine ersten „musikalischen Schritte“ so aussahen, dass ich wenige Jahre später nach dem Kindergarten zu Hause auf der Couch lag und die rote BEATLES (1962–1966), eine Elvis-Best of oder Grönemeyers „Bochum“ gehört habe, alles aus dem Fundus meiner Eltern, der sonst hauptsächlich aus französischen Chansons bestand. „Birth – School – Beatles – Death“, das wäre die logische Konsequenz, wenn die Band, mit der ich zum ersten Mal überhaupt mit Musik in Berührung gekommen bin, draufstehen sollte.

Damals wie heute gab es auch Sammelbildchen zum Einkleben in Duplos und Hanutas, und um 1983 gab es eine Serie mit Bands. Mein älterer Bruder und ich haben es geschafft, dieses Album vollzukriegen; die Bands kannten wir fast alle nicht (viel typisches 80er Zeug drin, Adam & The Ants, Jennifer Rush und so, aber auch AC/DC), aber wir freuten uns wie Schneekönige, als ich in einem Duplo das letzte Bildchen von dieser Band namens Pink Floyd zu finden. Wenn ich nur wüsste, wo dieses Sammelalbum heute ist, das müssten wir irgendwo noch haben...

Eine andere Möglichkeit für mein Shirt wäre, die erste Band zu nehmen, die ich überhaupt so richtig gehört habe, von der ich mich damals als „Fan“ bezeichnet habe. Meine erste selbstgekaufte Kassette (ja, lang ist‘s her). Dann stünde da „Birth – School – EAV – Death“ auf dem Shirt. Gut, das klingt komisch, aber mit der EAV hat alles richtig angefangen, muss 1986 gewesen sein, da war ich acht. Die EAV fand damals jeder super, obwohl Drittklässler natürlich den feinen Humor der Band gar nicht verstanden haben und auch wahrscheinlich gar nicht wussten, worum es bei „Küss die Hand, schöne Frau“ eigentlich geht. Aber die Lieder waren witzig, vieles auch für Kinder geeignet und es kann auch definitiv einen schlechteren Einstieg geben, denn die EAV hat schon Stil, wie ich dann über 20 Jahre später bei einem Konzert auch live sehen konnte.

Im Grunde kam dann der direkte Schritt in den Rockbereich, wobei ich mal galant den Mantel des Schweigens über Dieter Bohlens Blue System decke, die fand ich zu der Zeit auch total super, völlig zum Unverständnis meiner Eltern und meines älteren Bruder. Aber „Birth – School – Blue...“... nee, den Gedanken hake ich gleich ab. Also Rock. Bravo las jeder, mein älterer Bruder hatte auch die üblichen Stock/Aitken/Waterman-Dinger wie „Bros.“ oder „Brother Beyond“ im Schrank, aber diese Langhaarigen in der Bravo, die waren schon cooler. Vor allem diese BON JOVI... die rockten und waren härter als alles, was wir bislang kannten. „New Jersey“ wanderte schnell ins Tapedeck, ebenso „Out of this world“ von dieser schwedischen Band, deren Radiohit auch jeder irgendwo kannte, EUROPE. Europe stand damals vielleicht sogar noch einen Tick höher im Kurs bei mir, waren seinerzeit auch mal in Eppelheim bei Heidelberg zu Gast und das Tourplakat, das auf meinem Schulweg hing, sackte ich natürlich gleich ein und es zierte längere Zeit die Tür meines Kinderzimmers. Meine Band Nr. 3 des Rock-Bereiches (und dann auch meine erste CD) waren die altehrwürdigen STATUS QUO. Müsste ich mich entscheiden zwischen diesen drei Bands, die mir den Weg in den Rock geebnet haben, würde ich den Aufdruck „Birth – School – Europe – Death“ nehmen... auch wegen der Entwicklung der Bands: Europe sind seit ihrem Comeback 2004 wieder eine klasse Hardrock-Band, Bon Jovi leider zum Radio-Durchschnitt mutiert und Quo... cool, nach wie vor, aber Quo und Entwicklung? Nö.

So ging meine Entwicklung vorwärts... Formel Eins mit Kai Böcking war damals Samstags, Ende der 80er, Pflichtprogramm für den Musikinteressierten und neben den neuen Sachen für Deutschland und Europa konnte man auch immer wieder mal kurze Ausschnitte aus den US-Charts erhaschen, auf den heißen Scheiß, der über dem großen Teich angesagt war... Guns N‘ Roses, Mötley Crüe, Poison. „Appetite for destruction“ hieß das Kultwerk der GUNNERS, das mein Bruder und ich lange verehrten (natürlich auch heute noch ein Wahnsinnsalbum!), gekauft im Heidelberger Phora (R.I.P) für 13,95 DM, und meinem Bruder nach der Schule mitgebracht. Und stilecht heimlich durch Fenster gegeben, das Cover war ja dermaßen anstößig und nicht für die Augen der Eltern bestimmt.

Zeitsprung ins Jahr 1992. Hier würde ich sagen, hat meine Metal-Karriere begonnen. Und schuld daran waren KISS. „Birth – School – KISS – Death“? Klar, ist kein Metal, aber die „Revenge“ ein düsteres und für Kiss-Verhältnisse sehr hartes Album. Gehört hatte ich keinen Ton davon, als sie auf meinen Wunschzettel für die Konfirmation wanderte, aber ich war fasziniert vom Cover – ein metallenes Logo mit blutigen Einschusslöchern. Und dann diese grimmigen, langhaarigen Typen hinten drauf mit schwarzen Ledermänteln, wie cool waren die denn? Dass die früher mal geschminkt waren, wusste ich auch nur aus meinem alten „Duplo“-Sammelalbum. Pflichtkauf, aber die Tante, die ich für diese CD eingeplant hatte, schickte mir nur 30 DM, da sie sich „nicht so gut im Bereich der U-Musik auskenne“. Also noch bis Montag warten, Phora hatte sie aber natürlich und das Album haute mich komplett um. Gestern erst, 20 Jahre später, mal wieder eingelegt, nach wie vor super. Der Grundstein war gelegt und die Plattensammlung wuchs in diese Richtung weiter. Bis...

... ja, bis 1994, denn da kam das nächste einschneidende Erlebnis. MTV‘s Headbanger‘s Ball, der wurde jede Sonntag Nacht aufgenommen. Hier konnte man neues entdecken und auch mal in härtere Gefilde reinschnuppern („Triple Thrash Treat“), aber für letzteres war ich noch nicht bereit. Aber eines Tages, muss Frühjahr 1994 gewesen sein, da kam dieser Videoclip dieser mir völlig unbekannten Band. Ein verwackeltes Livevideo einer kaputt aussehenden Combo (der Sänger trug zu seiner ungepflegten langen Matte ein weißes Sakko...), dazu eine dreiminütige Doublebass-Rock ‘n‘ Roll-Nummer mit einem raus gebrüllten Chorus, die wirklich ALLES weg haute, was ich bislang gehört habe. Weiß nicht, wie oft ich mir dieses Ding angeschaut habe... „Suckerpunch“ hieß die Nummer, und die Band THE WILDHEARTS. Aber nichts mit Deutschland-Release, niemand konnte die Scheibe importieren und Internet gabs in diesem Umfang noch nicht. Wie komme ich also an diese Platte? Mit Hilfe eines perfiden Planes... die Eltern im Bretagne-Sommerurlaub auf die Kanalinseln locken und hoffen, dass es auf Jersey in St. Helier einen Plattenladen gibt. Den gab es, CD Jons, und „Earth vs. The Wildhearts“ stand für 10.75 GBP im Regal. Der CD Player stand zwar in Heidelberg, aber zwei Wochen später war es soweit und gerne würde ich diese Scheibe noch einmal ein erstes mal hören, denn so etwas hab ich nicht wieder erlebt. Diese Melodien, diese Power... Magic Moment. „Earth vs. The Wildhearts“ ist bis heute mit Abstand meine meistgehörte Platte und die Wildhearts meine absolute Band Nr. 1. Bei neun offiziellen Alben haben sich bis heute über 230 Tonträger angesammelt, Soloreleases der Bandmitglieder nicht mitgezählt. „Birth – School – Wildhearts – Death“ wäre somit definitiv die logische Variante, denn Ginger und seine Mitstreiter haben wie keine andere Band meine Musikkarriere geprägt. Irgendwie war zu dieser Zeit CD-Sammeln auch noch deutlich aufregender... wie gesagt, kein Internet, keine einfachen Importwege. Der Mailorder „Malibu“ aus Hamburg (glaube ich) hatte die eine oder andere Wildhearts-Single im Katalog und für die älteren Releases durchstöberte ich Anzeigen im britischen Kerrang!-Magazin, schickte auf Angebotslisten von kleinen Plattenläden hin ein paar Pfund im Umschlag nach UK und hoffte, Sachen wie die „TV EP“ oder die „Caffeine bomb“-Single kurze Zeit später im Briefkasten vorzufinden. Geklappt hat es immer, und wie gesagt... das war schon deutlich spannender, cooler und einfach besonderer als heute mal eben bei ebay zu bieten. Und britische Musikmagazine vom Bahnhof nach Schnipseln seiner Lieblingsband durchforsten war auch etwas Anderes als den Namen bei Google eingeben...

So langsam wurde ich dann auch offener für härtere Spielarten. Das „Triple Thrash Treat“ wurde interessanter mit Bands wie Megadeth, Annihilator oder Overkill und 1995 wanderte nach den damals angesagten Thrash-Bands wie Machine Head und Pantera auch die erste Death Metal-Scheibe in die Sammlung, „Slaughter of the soul“ von AT THE GATES. Auch heute noch ein Riesenalbum, das viele Jahre später noch junge Bands inspiriert hat. MOTÖRHEAD entdeckte ich auch endlich, und der Gig auf der „Sacrifice“-Tour 1995 in Ludwigshafen (Vorprogramm: Grip Inc.) wurde mein erstes Metal-Konzert, nachdem ich zuvor schon Westernhagen (Mannheim, 1992), Depeche Mode (Mannheim, 1993) und Bon Jovi (Mannheim, 1994) live sehen konnte. Auch den Black Metal entdeckte ich kurz darauf; auch wenn IMMORTAL‘s „Blashyrkh“-Video auf Headbangers Ball eher zum Lachen war, der Song war gut und das dazugehörige Album „Battles in the north“ gekauft. Natürlich war das Album anders und da brauchte ich doch einige Zeit für, zu registrieren, dass hinter diesem schlecht produzierten Lärm auch Musik steckt.

Im Grunde würde ich sagen, 1995 waren die Eckpfeiler meines Musikgeschmackes abgesteckt; selbstverständlich entwickelt sich harte Musik immer weiter, neue Spielweisen und Stile kommen dazu, Trends kommen und gehen, aber meine Grundausrichtung stand. Mit vielen Nischen der harten Szene kann ich heute etwas anfangen, weswegen die Plattensammlung gedeiht und wächst: Sleaze Rock/Glam Metal, klassischer Hard Rock, Prog, Thrash Metal, (Melodic) Death Metal, Black Metal, Grindcore, die folkige Schiene. Überall gibt es tolle Bands, viel zu viele, um sie alle mit der nötigen Genauigkeit zu hören. Würde ich meine Plattensammlung nach Stilen sortieren, wären da nur wenige Lücken; im klassichen Heavy Metal-/True Metal-Bereich findet sich recht wenig (nur die Standards, Maiden natürlich z.B.), AOR ist bis auf ein bisschen Journey leer und auch Nu Metal-Fans würden wenig finden. Dafür hat sie sich in den letzten Jahren auch für Bereiche abseits der harten Schiene geöffnet: über Gunthers Einflüsse kamen die ersten Americana- oder Roots-Rock-Scheiben rein, über meinen Kumpel Flo auch einiges aus der Alternative-Ecke. Wie gesagt: es gibt so viele Bands...

Natürlich überlasse ich den Americana-Part auf diesen Seiten Gunther... alles, was man am besten auf „10“ spielt, ist mein Bereich.

In diesem Sinne:

„Birth – School – MUSIC – Death“!

P.S. Eigentlich sollten nun noch meine wichtigsten Platten folgen, aber nach drei vergeblichen Anläufen vertage ich das... viel zu schwierig, sich auf eine beschränkte Anzahl festzulegen...

 

Florian