16. November 2012, Wunderbar Weite Welt, Eppstein

Start drink on Friday, start drink on Friday night!

Blues-Beauty-Lap-Steel-Fender-Röhre, die Derringer/Winter Nummer „Still Alive And Well“ das Texas-Blues-Idiom schlechthin, fast nicht zu toppen, der Influenz-Dämon wird mit dem Bluesteufelchen ausgetrieben. Hut ab, da hätte manche(r) die Show abgesagt, nicht jedoch die beinharte, unkaputtbare Carolyn aus Red-Neck-Country. Da sind wir schon weniger belastbar, nach einer Stunde Freitag-Abend-Stillstand auf der A 67, mit Pinkeln an der Leitplanke, Lebensmüden die auf der Standspur rückwärtsfahren und Tom Gillam aus den „Maybach-Boxen“ (Achtung: Spaß!) „Gillam Is Good For You“, sind wir nah am Umdrehen, quatsch, geht ja gar nicht … Wie auch immer, nach 2,5 Stunden (für 90 km!) sind wir in Deutschlands schönstem Club. That’s Blues, Blues, Blues!

Laden voll, nette Leute am Tisch, Blue Rose Community vor Ort, Sound, Bier, Pasta, Grappa, es ist angerichtet. Label-Mastermind Edgar muss ins Nebenzimmer, das ist dann so eine Art von „Hörmusik“, die Wunderbar Weite Welt, platzt aus allen Nähten, drei Dutzend zahlungsfreudige Bluesfreaks werden wieder heimgeschickt.

Nach drei Takten ist klar: Carolyn Is Good For Us! Der Lap-Steel wird gleich gezeigt, wo der Texas-Blues-Hammer hängt, Misunderstood, oh no, heute geht’s ab, trotz transatlantischer Viren.

Hypnotischen Blues ’n’ Boogie in einer Endlos-Schleife (On The Road) im Canned-Heat-Style mit knochentrockenem Groove serviert von der kleinen Großen Blueslady, die es locker mit einer Bonnie Raitt aufnehmen kann und auch optisch näher an Janis Joplin ist. Da braucht’s nicht viel an Begleitmugge, der stoische und angenehm lässige Langzeit-Keyboarder Cole El-Saleh reichert den Sound mit seinem Spiel an ohne dick aufzutragen. Und der nicht minder lang trommelnde Rob Hooper hält den Rhythmus zusammen. Groove-Großmeister! Warum wir auch da sind: Groove On Friday, Groove On Friday Night! Mit dem Vocalhöhepunkt „Golden Stairs“ (von der aktuellen CD „Peace Meal“) werden wir erst mal in die Pause geschickt, Zeit für Aspirin (Carolyn) und Bier (?) Jaja,..
Die Zeit wird genutzt, am Merchstand gibt’s, na was wohl, CD’s, etwas Platz ist noch im Regal …

Den zweiten Set sitzt die wunderbare Mrs. Wonderland mit Lap-Steel und Fender am Bühnenrand, sichtlich gezeichnet und erzeugt einen intensiv-intimen Rahmen. Jack O’ Diamonds kommt im Acoustic-Folk-Gewand daher, „I’m A Man“ rollt und rumpelt wie ein in Honky-Tonk-Blues im Mississippi-Delta (weil die Juke-Joints heute zu haben). Dafür ist dann „Women Bleed“ verdächtig harmonieseelig ohne nur einen Hauch an musikalischer Tiefe preiszugeben. Beim finalen „Judgement Day Blues“ denke ich mehr als einmal an die Britblueser Ten Yeas After. Nach zwei Zugaben ist Schluss, niemand murrt, sie hat alles gegeben!

Carolyn Wonderland steht eindeutig in der der Tradition eines SRV oder Johnny Winter, der auch heute Abend mit „Still Alive And Well“ geehrt wurde, oder auch einer Janis Joplin, trotz mancher Soulmomente wird der Auftritt nie kaputtgesoult. Ohnehin beeindruckt die Bandbreite der Spielarten, von Blues über Blues-Rock, Boogie, Rhythm ’n’ Blues, etwas Country, Soul und zurück zum Texas-Blues ist da alles dabei. Nach der Show oute ich mich als Blues-und Texas-Fan, mit meinen Original-Luckenbach-Handschuhen kann ich da locker punkten. So viel steht fest: See you back in Austin!

Zurück in Heidelberg verschlingt der gefräßige Schacht des Players die in der Pause erworbene und signierte CD „Bloodless Revolution“. Ich traue meinen Augen nicht, auf der Rückseite ist ein Photo von CW, da muss man schon sehr genau hinschauen um nicht auf Janis Joplin zu schließen. Und den Ohren ist auch nicht mehr über den Weg zu trauen, als Opener röhrt ein Stones-Riff („Smile“) aus den Boxen. Überhaupt ist die Scheibe eine Reminiszenz an die späten 60er bzw. frühen 70er.

Hammeralbum, phänomenaler Abend, Carolyn Wonderland Is Good For Us! Blues-Rose!

Die Band:
Carolyn Wonderland: Vocals, Lap-Steel, Guitar
Cole El-Saleh: Keyboards, Vocals
Rob Hooper: Drums, Vocals

Setlist:
Misunderstood
On The Road
Sampson & Delilah
Two Trains
Victory Of Flying
Eyes
Angel Dance
What Good Can Drinkin’ Do
Golden Stairs

Pause

God Nose
Jack O’ Diamonds
Still Alive And Well
I’m The Man
Usurper
No Exception
Women Bleed
Cumbia Raza
Judgement Day Blues

Encore:
When I (… mehr ist nicht rekonstruierbar)

Encore 2:
Garl… (…?... dto. Encore I)

Die Platten:
Groove Milk (1993)
Truckstop Favourites Vol. II (1994)
Play With Matches (1995)
Bursting With Flavour (1997)
Alcohol & Salvation (2001)
Bloodless Revolution (2003)
Miss Understood (2003)
Fireside Songs For The Soul (2009)
Peace Meal (2011)

Gunther Böhm