To Bad To Be True


Zum Tod von Tom Petty
* 20. Oktober 1950 | † 2. Oktober 2017

Es hat endlich aufgehört zu regnen, wir schmeißen unsere Klamotten in den SUV und verlassen auf Nebenstraßen Clarksdale. Vier Tage Blues – jetzt suchen wir wieder nach etwas Ordnung in unserem Leben… das Motel ist neu, zentral und ausgebucht, wir sind in „walking distance“ zur Verizon Arena in Little Rock, ein paar angesoffene Dünnbier-Ami’s krakeelen: let’s follow the Germans.

Die Halle ist bis auf den letzten Platz voll, gebucht von einem weißen aber keinem republikanischen Publikum. Es ist der 23. April 2017, der Katalog an famosen Songs ist so unerschöpflich, dass unmöglich alles in eine 2:30 h Show gepackt werden kann…

Setlist:
Rockin' Around (with you)
Mary Jane's Last Dance
You Don't Know How It Feels
Forgotten Man
You Got Lucky
I Won't Back Down
Free Fallin'
Walls (Circus)
Don't Come Around Here No More
It's Good to Be King
Time to Move On
Wildflowers
Learning to Fly
Yer So Bad
I Should Have Known It
Refugee
Runnin' Down a Dream
Encore:
You Wreck Me
American Girl

…Bier gibt es nirgends zu kaufen, manchmal ist es auch ziemlich Scheiße im Bible-Belt und sonntags sowieso, Lust zum Schreiben verspüre ich kaum, mach ich später, denke ich und morgen geht´s nochmal kurz ins Delta …

Ca. 4 Monate später… bin der Pfalz und denke wie immer um diese Jahreszeit über Flucht und Vergänglichkeit nach, ergebnislos wie meist, den Soundtrack der Nachwendezeit im Ohr, auch wie meist: Into The Great Wide Open. Es ist der 02.10.2017, ich komme ausgelaugt einen Tag früher zurück, den Rucksack fliegt unausgepackt ins Flureck, dreckig, verschwitzt und diffus müffelnd wird der Rechner zum Start animiert: Tom Petty erliegt einem Herzinfarkt. Der Herbst-Blues hat mich.
Der nicht, der bitte nicht auch noch!

Das eigentliche Verdienst von Heartland-Rocker Tom Petty, der zeitlebens näher an den Byrds und Roger McGuinn war als an Bruce, ist das Abbilden einer unglaublichen Fan-Schnittmenge, die Vereinigung der Unvereinbaren, den Metaller und den Blueser, den (bestenfalls) Rock-Radio-Hörer und Americana-Freak, Hausfrau und Biker, über Ozeane hinweg, das schaffen wahrlich nicht viele.
Später, nach Into The Great Wide Open, gelingt noch ein Megaseller, ein Branchen-Monolith wie kein zweiter, „Wildflowers“, auch wenn er diese Klasse nie mehr erreicht hat, steht Tom Petty‘s Name im Rochlexikon für musikalische Kontinuität auf stets hohem Niveau oder, wie Blue-Rose Label-Chef Edgar Heckmann bemerkt: eine schlechte Platte gibt es von Tom Petty nicht.

Es fällt schwer zu wissen, dass wir 2012 in Mannheim eine fulminante Show erleben durften, veritable Zeitzeugen eines der letzten Helden uramerikanischer Volksmusik sind wir in Little Rock geworden – was uns nun, Florian und mir, schmerzhaft bewusst wird.

Bericht vom Juni 2012

Wenig verwundert dagegen die Geschmacklosigkeit eines deutschen Branchenriesen aus dem Mailorderlager, der unter das Internetbanner von Tom’s Tod gleich den Warenkorb geschaltet hat um nochmals kräftig Kasse zu machen. HimmeldieSterne – wie armselig seid ihr.

Wer von Johnny Cash gecovert (!) wurde und die Travelling Wilburys mit initiiert hat, ist größer als alle opportunistischen Chancenwitterer und Vinyl-Glücksritter. Die Szene ist nun ärmer, vielen Dank Tom, wir verneigen uns.

Farewell!


Tom Petty auf youtube

Gunther Böhm Florian Störzer