Irish Folk meets Bulgarian Bash

10. August 2013, Schwetzingen, Cafe Montreux

Picknick

Alle zwei Jahre herrscht im etwas piefigen Schwetzingen Ausnahmezustand. Deutschlands berühmteste Fönwelle-Hossa-Dieter Thomas Kuhn, entehrt den barocken Schlossgarten mit seiner Anwesenheit. Biedere Beamte outen sich als Blumenkinder, feiern die Flower-Power-Ära, unwissend, dass für diese Zeit eher Jefferson Airplane, Buffalo Springfield von mir aus auch noch Scott McKenzie stehen, als die Ahnenreihe des einstigen Samstagabendschnellredners im ZDF. Versteht man Unterhaltung im Sinne von ´die haben nach 100 Minuten ein seeliges Lächeln im Gesicht´ ist das Unerhebliche zugelassen. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. Der Schlossplatz jedenfalls ist voll mit Atomwaffen- und sonstwas-Gegnern, der Strom kommt ja aus der Steckdose, bunt beblümten Pseudohippies, die „über sieben Brücken“ für einen Maffay-Song halten und sich mit zwei überteuerten Aperol in die ´Samstagabend-weißt-du-noch-Stimmung´ trinken. So weit, so schlecht. Umso mehr verwundert es, dass es Kuhn schafft seine Wirkung in durchaus ernstzunehmende Rockkreise zu streuen wie eine gut gestopfte Jagdflinte im Oktober.
Da trifft schon mal ein Querschläger, so auch bei uns am Tisch, die waren doch tatsächlich bei Crazy Horse in Köln, sind aber vorher abgehauen, zu viel Feedback auf der Klampfe. My My, hey hey … Das passiert euch heute Abend garantiert nicht, uns auch nicht, wir räumen genervt das Feld und ziehen über drei Brücken zu Pitsches in’s Montreux zu einer Akustik-Folk-Nacht, deren Basis die irische Volkmusik ist.

Irish Folk

Der gut eingespielte Picknick-Fünfer aus Mannheim, Gitarre, zwei Geigen, Percussion, Akkordeon, bringt mit irischer bis osteuropäischer Folklore über Klezmer, Vivaldi auf Rotwein, Jiddisches, Walzer und Swing so ziemlich alles, was unter dem Oberbegriff „Akustik-Folk“ das Laufen gelernt hat. Herrliche Musik in einer lauen Sommernacht, Adaptiertes, Eigenes, Umarrangiertes, „Es wollt ein Bauer früh aufsteh’n“, ein wilder Ritt durch Europa, wobei die Zuhörer in der gut gefüllten Rockkneipe nie Angst haben müssen, abgeworfen zu werden. Ein Bekenntnis zum Liedgut, Luftline fünfhundert Meter weiter regiert das Bekenntnis zum Diebstahl. Merkwürdig das die Vorgeführten dafür auch noch tief in die Tasche greifen.
Und wenn nach der Folk-Show der Wirt den unlängst verstorbenen JJ. Cale mit einer Live-DVD würdigt, hat sich das Kommen gelohnt.
Zwei Abende in einer Stadt. Hoffen wir, dass uns die Wahl erhalten bleibt.

Gunther Böhm