The Great Battle

20 Jahre Blue Rose Records

Was konnte der leidgeprüfte Kunde nicht alles antesten: Soundhouse, Malibu, Disc-Center, Mittrich & Mittrich, Glitterhouse, den Branchenriesen JPC, Pop Life, Groovers Paradise … Obskure Buden, die sich – dank Internet und änderndem Konsumentenverhalten – in den 90ern erst kannibalisierten und dann, peu à peu, pulverisierten. Erst gegenseitig weggebissen, dann den Altbestand verramscht, sich daran verhoben und die Sause gegen Ernüchterung eingetauscht. Zurück blieben zwei Beteiligte: Amazon als Gewinner der Schlacht (um den Kunden) und eine zahlungskräftige (geschmackssichere) Kundschaft, die sich ins Private zurückzog und den Konsumterrorismus des Preisbrechers und Lohndumpers Amazon beharrlich verweigerte.

Ein paar sind übrig, eiserne, unentwegte, bisweilen mit einem Geschäftsmodell, getrieben vom Überlebenskampf, für das die Vokabel „clever“ erfunden wurde – besser noch: „Schwäbisches Cleverle“. Die Rede ist von Edgar Heckmann und seinem Blue Rose Plattenlabel, dass in schwerer See einen fast unglaublichen 20. Geburtstag feiert.

Gestartet im schwäbischen Abstatt (als Tochter der Metaller „Massacre Records“) mit einem Geschäftsmodell das ebenso simpel wie genial ist. Bei der jährlich stattfinden Mega-Messe SouthbySouthwest 1995 erstmals im texanischen Austin mit Spürsinn (Roots-) Bands gesignt, deren Aussicht auf Erfolg und Plattenvertrag jenseits des Teiches so ziemlich gegen Null ging, mit einem ebensolchen Budget CD‘s nach Deutschland gekarrt und genau jenem privatisierten Americanaklüngel vorgestellt. Bands, bei deren kruden Namen sich der Hörer fragen musste: Meine Güte, was ist das? „Health & Happiness Show“? Die waren weder das eine noch das andere, aber, und das ist viel wichtiger als die ein oder andere verzeihbare Fehlentscheidung, steil ging es nach vorn. Der viel zu früh verstorbene Keith-Liebling Peter Wells von den legendären Rose Tattoo erhielt die Katalog-Nummer 2, die mindestens so legendären Continental Drifters starteten auf 3. Und während der Autor Nabelschau betreibt, muss er freundlich feststellen, ohne den Roots-Rosenzüchter Heckmann wohl kaum von Rich Hopkins‘ brachialer Wüstengitarre gehört zu haben, oder Elliott Murphy, der dylanesker als Dylan ist, der ein oder andere mag wissen, was ich meine.

Die zwischenzeitliche Kooperation mit dem amerikanischen Spezialistenlabel „New West“ katapultierte Kracher wie Steve Earle, John Hiatt oder gar die Jam-Rocker Gov‘t Mule in den Mailorderkatalog und sorgte, wenn auch selten, für das kleine Nischenlabel für einen bis dato nicht für möglich gehaltenen Produktabsatz. Heute sieht das freilich anders aus, so war der Ausbau des Unternehmenszweiges Mailorder nur logisch, möglicherweise sogar überlebenswichtig.

Das größte Verdienst von Blue Rose ist jedoch (selbstredend neben dem „Produkt“) die Nähe zum „Konsumenten“, quasi das Label zum Anfassen, mit einer sich selbst organisierenden Community, die manchmal etwas anachronistisch daherkommt, mit getrübtem Blick über den musikalischen Tellerrand, aber immer liebenswert bleibt. Da stört es kaum, dass der Blues-Rock-Gitarren-Fan dezent-hanseatisch (aus der Eskorte) mal eine abgeräumt bekommt, am Ende der Show einigt man sich ja doch bei Shiner Bock. Und das, liebe Leser, ist der allergrößte Job von Mr. Blue Rose: Austin, Shiner Bock, Southby, New West Party, mit Whiskey Myers im Tourbus … wer bitteschön bekommt das bei Amazon? Wie hat Todd Thibaud treffend bemerkt: „Favorite Waste Of Time“ Also, gönnt Euch was!

Alles Gute zum 20.
Wünscht Blues-Beer-Burgers.de!

Gunther Böhm

 

 

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