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4. Juli 2013, Schwetzingen, Schlosspark

Pop und Poesie – Stairway-Tour 2013

Wir hätten es wissen können: Ein Risiko werden die SWR 1-Leute nicht eingehen! Dabei hat alles gepasst, Wetter, churfürstliches Ambiente, reichlich Tickets losgeschlagen, Donnerstagabend, das Wochenende vor Augen … also warum nicht mal einen Beefheart-Song einschmuggeln? Das hätte wohl kaum jemand übel genommen, den meisten der anwesenden Freizeit-Radio-Rocker isses sowieso egal. Captain wer? O.k. mit His Bobness, Tom Waits oder Nick Cave wäre die manchmal etwas selbstgefällige Radio-Legende Matthias Holtmann sicher auf Corporate-Identity-Kurs geblieben. Vergeblich gehofft.

Holtmann

Herbst in Süddeutschland, Hitparadenzeit in SWR 1, immer größer, länger, mehr Hits Hits Hits, irgendwann, da bin ich mir sicher, geht das mal ’ne Woche, wie ich mir genauso sicher bin, dass Queen und Led Zeppelin auf den Plätzen zwei und eins festmoniert sind. Da muss eine ganze Generation wohl erst kollektiv den Rock-Löffel abgeben, um dann von Pink und Lady Gaga beerbt zu werden. Ohne Zweifel dramaturgisch und handwerklich erstklassige Songs für die Musikewigkeit, insbesondere Bohemian Rhapsody zwischen nihilistischer Selbst-Zerstörung, Aufgabe und Hoffnung, weit entfernt vom heutigen dreiminütigen Formatbrei, leider mitunter auch im SWR, der nicht immer gehört gehört. Guter Brauch ist es, die Top Twenty nach der Hitparade Revue passieren zu lassen, viele davon zu übersetzen. Jedes Jahr. Und da die Songs in den Top Twenty von Jahr zu Jahr kaum variieren, sind, logisch, auch immer die gleichen Texte fällig. Auch Jahr für Jahr.
Ausgerechnet die zwei schwierigsten und musikalisch hochwertigsten Songs, die SWR 1 Hitparaden-Dauerairplay erhalten, „Stairway To Heaven“ und eben „Bohemian…“ geraten dann zu den absoluten Höhepunkten des Abends. Wobei „Stairway…“ durch die semiakustische Version besticht, „Bohemian Rhapsody“ durch den ansonsten Plattitüden jagenden Holtmann eine rhetorisch erstklassige Übersetzung erfährt. Aber: Warum Gott ein Schwabe sein soll und mehrfach billig provoziert wird, bleibt wohl sein Geheimnis. Die voluminöse, wie eine Monstranz aufgetragene Rapper-Kette, in Teil II des Abends, kann maximal als augenzwinkernde Selbstironie durchgehen. Kritischer ist schon das Dada-Geklimper auf dem Xylophon, nach dem Motto: Ich bin schon da, ich will jetzt mal ’nen bisschen Livemugge mitmachen. Die Band hingegen wirkt hervorragend eingespielt, schwierigste Passagen werden problemlos gemeistert, wiewohl auch die schauspielerische Darstellung und Übersetzung der Songs, auch wenn diese hinlänglich bekannt sind, das SWR-Ensemble weiß, worauf es ankommt: der Brückenschlag vom Wort zum Sound.

Pop und Poesie Band

Da kümmert es die brav mitwippenden Beamten nicht, dass ein an Überraschungen armes Programm von Holtmann öfter unambitioniert unterbrochen wird, er nennt das moderieren. Die Liebesanklage von Melissa Etheridge ist so vorhersehbar wie „Smoke On The Water“ totgedudelt ist und nur noch von AC/DC’s „T.N.T“ getoppt werden kann. Klar, dass der australische Boogiekracher nicht fehlen darf, wurde auch noch nie übersetzt. Höchste Zeit also, in der Hitparade war „T.N.T.“ unterrepräsentiert oder der Konsument immer zur gleichen Zeit beim Bierholen. Zum Finale gibt’s Roy Black und die Comedian Harmonists – die müssen nicht übersetzt werden. Ein netter Bildungsbürgerausflug deren Musikverständnis bei 91,4 Mhz endet.

Gunther Böhm