Ten Years Are Gone


Zum 80. Geburtstag von John Mayall
* 29. November 1933

Lou Reed

Schlagzeuger Keef Hartley bemerkte vor ca. vier Dekaden staubtrocken:
Niemand käme auf die Idee, ihn als Begleitmusiker zu einer Plattenaufnahme zu holen.“
In der Tat ist Mayall‘s leicht nasale Stimme gewöhnungsbedürftig – technische Brillanz an den sechs Saiten? Eher Fehlanzeige! Sein Verdienst ist ohnehin ein anderer, wesentlicher als technische Gimmicks, epochaleres. Mayall war neben Alexis Korner der erste Blues-Bandleader auf der Insel überhaupt. Stein und Anstoß des britischen Blues-Revivals, Robin Hood der 12 Takte, musikalischer Eigenbrötler, der sich gerne in ein Baumhaus zurückzog und einen Patronengürtel zu einem Hohner-Blues-Harp-Belt umdefinierte, nach Tonarten sortiert, Ordnung muss sein! Und wenn er schon kein Bluescrescendo wie der junge Clapton draufhat, vermissen wird das niemand, war Mayall clever und weitsichtig genug, sich eben jenen jungen Clapton zu den Bluesbreakers zu holen, zu einer Zeit, in der das Königreich noch ahnungslos war, dass „Slowhand“ Gott sein könnte. Der 1966er Blues-Vinyl-Geniestreich liefert den spätgeborenen Gitarrenwunderkindern, egal ob Bonamassa, Lang, Healy und weiß der Teufel wer noch, die akustische Blue(s)pause: „Blues Breakers with Eric Clapton“. Ein Umbruch, wenn nicht sogar der Aufbruch, der Longplayer des britischen Blues-Cowboys läutete für die zweite Hälfte der 60er Jahre eine Ära bahnbrechender Blues-Alben ein, nicht nur von Mayall, der ebenso clever war, Clapton wieder ziehen zu lassen. Für die Qualität hatte der vermeintliche Aderlass (vorerst) keine Konsequenzen, wie auch, für die Blues-Suiten „Bare Wires“ und „Blues From Laurel Canyon“ spielte Mick Taylor (der später Brian Jones beerbte) auf unnachahmliche Weise die Gitarre.

Das ständige Rotieren des Musikerkarussells aber auch das Nichtverharren wollen (kommerzielle Kompromisse sind Mayall seit jeher zutiefst zuwider) in einer einmal erprobten Schablone, führte in den 70ern zu einem radikalen Stilwechsel, weg von der reinen Lehre, hin zum Jazz, (LP: Jazz Blues Fusion, 1972), folgerichtig vorher eingeläutet von „The Turning Point“(1969).
Dass es spätestens nach dem fulminanten Doppel-Long-Player „Ten Years Gone“ für lange Zeit vorbei war mit Erfolg am Ladentisch, ist nicht nur mit den am Himmel dräuenden Progrockern von ELP, Yes und Co. zu erklären, das ständige Wechseln der inzwischen oft namenlosen Musiker und der temporäre Verlust der musikalischen Qualität taten da ein Übriges.

In den 90ern gelangen dem erklärten Geizhals mit „Wake Up Call“ (1993) und insbesondere mit „Spinning Coin“ (1995, politisch auf wundersame Weise eigenartig „Remember This“) zwei formidable Alben, auf denen er es allen Kritikern bewies, wie Uraltmusik funktioniert. Nicht unbedingt Erfolge an der Kasse, aber entstaubt und frisch wie einst. So hätte sich der Autor der Zeilen die Fortsetzung gewünscht, nicht nur auf Tonkonserve, sehr gerne auch auf der Bühne.

Walter Trout, Coco Montoya oder auch der Texaner Buddy Whittington sind schon länger nicht mehr an Bord, heute ist die Begleitband gefühlt zusammen so alt wie ihr Bandleader alleine und fügt sich live in ein mitunter etwas altbackenes Konzept. Aber irgendwie ist Mayall mehr als „nur“ Musik, manchmal kommt so eine unerklärbare Stimmung auf, so ein Lebensgefühl, „da war doch noch was“, und dann landet garantiert einer der Vinylmonolithe auf dem Plattenteller. Nein, auch der nächste Livetermin hat nun wirklich nichts mit „Schlüssellochperspektive“ zu tun, vielmehr bleibt die Hoffnung auf den zweiten großen Wurf der Livegeschichte – nach 1987 in Leinefelde!

Blues, Beer & Burgers wünscht dem „Undercover Agent For The Blues”
Alles Gute und „So Many Roads“

Die Alben:
John Mayall Plays John Mayall (1965,Live at Klooks Kleek)
Blues Breakers with Eric Clapton (1966)
Raw Blues (1966, with Otis Spann, Champion Jack Dupree)
A Hard Road (1967)
Crusade (1967)
The Blues Alone (1967)
Bare Wires (1968)
So Many Roads (1968)
Blues from Laurel Canyon (1968)
The Diary of a Band Vol. 1 & 2 (1968)
Looking Back (1969)
The Turning Point (1970)
Empty Rooms (1970)
USA Union (1970)
Blues Giant (1970 Kompilation)
Memories (1971)
Back to the Roots (1971)
Jazz Blues Fusion (1972)
Moving On (1972)
Ten Years Are Gone (1973)
Latest Edition (1975)
Banquet in Blues (1976)
Primal Solos (1977)
A Hard Core Package (1977)
The Last of the British Blues-live from Baltimore, Cincinnati + N.Y. (1978)
Bottom Line (1979)
Road Show Blues (1982)
John Mayall & The Bluesbreakers – The 1982 Reunion Concert (1982)
Behind the Iron Curtain (1985, live)
Archives to Eighties (1988)
Chicago Line (1988)
A Sense of Place (1990)
Wake up Call (1993)
Mayallapolis Blues (1993)
Spinning Coin (1995)
Uncle John's Nickel (1995)
Blues for the Lost Days (1997)
Padlock on the Blues (1999)
Thru the Years (2000)
Along For The Ride (2001)
Stories (2002)
70th Birthday Concert (2003)
Road Dogs (2005)
In the Palace of the King (2007)
Tough (2009)

Gunther Böhm