David Garrett
14. April 2012, Olympiahalle München
Rock Anthems – ein musikalischer Hochseilakt
Ein wenig Angst beschleicht mich schon, als ich von unseren netten bayrischen Nachbarn ihre ganz persönliche Konzertvita erklärt bekomme – da tauchen spezielle Favoriten von mir auf, z. B. Phil Collins und Chris de Burgh. Was zum Teufel soll ich hier? Also, da wäre zuerst mal der positive Eindruck aus 2008 im Mannheimer Rosengarten. Der damals noch nicht so professionell wirkende, aufgehende Stern David Garrett hat musikalisch überzeugt, seine unverkennbare Nervosität war ein Ausdruck seiner Natürlichkeit. Der wichtigere Grund ist meine Frau, die mich schon zu vielen Konzerten begleitet hat, die ihre persönliche Leidensgrenze eindeutig überschritten, z. B. Walter Trout im Freiburger Jazzkeller, der einen infernalischen Lärm veranstaltete. Da ist es an mir, „zurückzuzahlen“.
Aufgefallen ist uns Garrett zum ersten Mal in der Talkshow „3 nach 9“, zu Gast war u. a. auch die „Popolsky-Show“, für einen gemeinsamen „Klamaukauftritt“ , der qualitativ trotzdem hochwertig war, bedurfte es keiner weiteren Überredung. So steigen Sympathiewerte, und spielen konnte der, dass uns die Worte dafür fehlten. Der Virtuose wurde sofort mit dem Ehrentitel „David Garrettsky“ ausgezeichnet. Später in der Talkrunde strahlt er, seine zweifellos kostbare Violine fest umklammernd, eine selten gewordene Natürlichkeit aus.
Kurz nach 20:00 Uhr fällt in der komplett ausverkauften Halle der Vorhang und David Garrett steigt herunter vom hydraulischen Olymp – begleitet von einem fulminanten „Welcome In The Jungle“. Vom ersten Augenblick an liegt ihm sein Publikum zu Füßen, über 10.000 Zahlende sind restlos begeistert, nicht nur die mehrheitlich anwesenden potenziellen Schwiegermütter. Musikalisch wird sein Auftritt vom Frankfurt Sinfonie Orchester und von „seiner“ Electricband perfekt in Szene gesetzt. Auch um vor einem frenetischen Konzertvolk die Bodenhaftung nicht zu verlieren, streut er nach jedem Stück Shortstories aus seinem Leben ein, von dem man freilich nichts erfährt. Muss man auch nicht, der Kauf eines Tickets berechtigt nicht zur (medialen) Ausplünderung der Privatperson. Besonders lustig die Geschichte, dass David G. auf dem Bangkoker Schwarzmarkt seine Scheiben als Fälschung gefunden hat. Wer es da schafft, schafft es überall…
Gigantisch das Showbrimborium, Feuerwerk, Videoanmationen, Tänzerinnen, es fügt sich alles mehr oder weniger schlüssig zu einem Gesamtkonzept zusammen. Zu viel des Guten wird es dann allerdings, wenn er Geige spielend an einem Stahlseil über den Köpfen des Publikums schwebt. Da gefällt es schon eher, das er einen weiblichen Fan auf‘s Sofa bittet um in „privater“ Umgebung vorzugeigen.
Es ist unstrittig Garrett‘s Verdienst, wenn sich sonst hartgesottene Rockfans, mit klassischer Musik auseinandersetzen, dies vielleicht zum ersten Mal überhaupt. So sind auch nicht die Rockadaptionen sondern die wenigen klassischen Stücke des Abends am überzeugendsten, allen voran der Säbeltanz.
Die Show muss man nicht mögen, an der musikalischen Relevanz Garrett´s kann es keinen Zweifel geben, auch dann nicht, wenn Ann-Sophie Mutter fachlich kritisiert.
Ein (fast) perfekter Auftritt, der schlussendlich dazu veranlasst, die Klassiktour im Herbst zu besuchen. Mehr kann man wirklich nicht erreichen…
Setlist:
• Welcome To The Jungle (Guns ‘n‘ Roses)
• Palladio (Karl Jenkins)
• Cry Me A River (Justin Timberlake)
• Live And Let Die (Paul McCartney & Wings)
• Yesterday (Beatles)
• Funiculi, Funicula
• Leningrad (Billy Joel)
• Pirates Of The Carribean
• Human Nature (Michael Jackson)
• Beethovens 9. Symphonie
• Groovy Kind Of Love (Clementi)
• Kashmir (Led Zeppelin)
• Pipers
Pause
• Sandstorm
• Thank You For Lovin‘ Me (Bon Jovi)
• Viva La Vida (Coldplay)
• Säbeltanz
• Tico Tico
• Bond Theme
• Corelli‘s Legacy
• Desperado (Eagles)
• Pulp Fiction Soundtrack
• Stop Cryin‘ Your Heart Out (Oasis)
• Highway To Hell (Band only)
• Teen Spirit (Nirvana)
• Music (John Miles)
• We Will Rock You (Queen)
Zugabe:
Let It Be (Beatles)
Gunther Böhm