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South By Southwest 2013

Sonntag, 3. März

Passkontrolle Frankfurt: „Auf dem Passbild sehen Sie deutlich seriöser aus!“ – „Definitiv“ quittiert Florian kurz. Unsere Kutten sorgen für mittelmäßiges Aufsehen, das war nicht geplant …

Wir ändern die Prioritäten, nix Bier – nur Rotwein. Das hat den Vorteil, dass der Druck auf die angeschlossenen Verarbeitungsorgane nicht übermächtig wird und sich die Intervalle erheblich verlängern. Ruhiger Flug im A 380, High Noon, (fast) 13:00 Uhr Soft Landing in der Texas-Sonne. Dieses Jahr wird’s ein Toyota, ist so was von egal, viel wichtiger ist dafür, dass sich manche Dinge wohl nie ändern: Erster Stopp zum Shinerholen dann rauf auf die Interstate mit ZZ Top, Izzy Stradlin und Chuck Ragen. Die Landschaft ist gar nicht so entscheidend, das Lebensgefühl das beim Boogie-Bollern der Rauschbärte und dem sanften Abrollen der Reifen auf dem Freeway entsteht, ist magisch. Das ist nicht zu erklären, aber es ist fast so, als ob man es berühren könnte. Und wenn Du glaubst es zu haben, schon ist es wieder fort, wirst eingeholt, z.B. von Magenkrämpfen. Jaja, eingrooven beim Mexicano …

Florian lässt unsere Kiste dahingleiten, noch nie waren wir bei Tageslicht am Ziel. Check-in und Kühlschrankfüllung mit Grundnahrungsmitteln.

Unser Freund der Kühlschrank:

kuehlschrank
Dann ins Saxon oder zu Lambert’s? Nichts von beiden, für’s Saxon ist es zu spät und Florian ist auch nicht unbedingt der Resentments-Fan, das Lambert’s ist rappelvoll. Laufen wir über den Fluss Richtung Barton Springs ins Threadgill’s.

In matter of music and food, we represent a time before disco or microwaves” (Eddie Wilson, Owner, Threadgills)

Zwei Shiner und zwei Burger begleitet auf der Indoorbühne von einem uns unbekannten Country-Pop Quartett mit Gospelklagen, das alles von ganz passabel (Countryanteil) bis äußerst dröge (Gospelwehklagen), aber allemal besser als computer-konstruierte Radiohits.

Später, auf der „Sechsten“ ringt mich die Magenverstimmung nieder, wir ziehen um ins Hotel.
War auch noch nicht so viel los, „nur“ geschätzte 80 Prozent der Kneipen und Clubs werden live bespielt. Wir landen in einem komischen Laden, Typ „Schlauch“, auf der Bühne bemüht sich ein Country-Pop-Songwriter-Trio, ganz ordentlich, erinnert beim Songwriting an Joan Armatrading’s bessere Tage, „Whatever For Us“ z. B. Ein Auftakt mit Steigerungspotenzial.


Montag, 4. März micro 

Frühstück bei, genau, CURRAS, … HEB Supermarkt für Wasser (!) und Ingwerwurzel (!!). Wir schlappen langsam Richtung Waterloo, ein konkretes Programm liegt nicht an. Im magischen Dreieck zwischen Woodrow’s, Opal Divine und Dogwoods geben wir dem Druck nach, macht ja auch keinen Sinn, einen aussichtslosen Kampf zu führen. „Here’s the drinking menue, guys! Kleider machen Leute. Wir palavern über die schwarzen Scheiben und legen uns für heute Abend auf Bob Schneider & Lonelyland im Saxon fest. Die Alternative wäre eine Blues-Jam-Session im Antone’s.

Der beste Plattenladen Austins, Waterloo-Records an der 6th., hat umgeräumt, mehr Vinyl, kein Problem, wir finden uns zurecht. Nach zwei Stunden ist die Tüte voller und das Konto leerer, dennoch, die neue Cold Chisel gab’s auch hier nicht. Wird schon noch, manchmal ist die Jagd ja schöner als der Fang.


Vorm Cheapo, zwei Blocks weiter, erleben wir dann eine böse Überraschung, weil: geschlossen! Wen wundert’s, die Konkurrenz vom Waterloo in unmittelbarer Nähe war wohl zu groß. Viel war in dem handballfeldgroßen Laden ja nie los. Das riesige Angebot an Texas-Sound werden wir vermissen.
Witzig: Der Aufkleber von der Wunderbar Weiten Welt am Eingang, wollen wir hoffen, dass das kein schlechtes Omen für Ralf ist.
Der Planet sticht, Redneckwetter!

redneck
Später, beim Kräftesammeln, entdecke ich im Bad eine Riesenkakerlake, der „Blues“ ist in diesem Fall unglaubliche 5 cm lang. Die Jagd beginnt, das Insekt ist zu clever für uns. Keine große Kunst, wir hatten bei 27 Grad ein paar Shiner. Mit der Idee, auf den Rücken des ungebetenen Krustentieres unser Logo BBB zu tätowieren, entsteht unsere eigene Werbeikone.

Zumindest ist der Taxifahrer schnell im Hotel und fragt (für mich) völlig sinnfrei: „It’s Austin?“ „I hope so“, das der Nachwuchsrezeptionist Austin heißen könnte, hatten wir nicht auf dem Zettel. Merkwürdige Persönlichkeiten fahren in der City Taxi. Wir wünschen unserem Fahrer auf jeden Fall erst mal viel Spaß bei der Fahrt mit „funny Germans“. Im Radio läuft ein Sinfoniekonzert. Wir sind hier in Guitartown. Mit stoischer Ruhe und der Gelassenheit seiner 69 Lebensjahre erzählt er von seinen polnischen (Krakau) und italienischen Wurzeln. Sein Großvater war einer der größten „Typewriter-Smuggler“, Olivetti. Bye, Bye Caruso und viel Erfolg in der durchgeknallten Stadt!

Irgendwas muss dran sein an Bob Schneider, der ist schon seit Jahren ziemlich angesagt in Austin, auch wenn der Hype ein wenig nachgelassen hat. Die meisten Clubs hat er gerockt und wer das Saxon und das Antone’s überzeugen kann, hat im Grunde gewonnen. Das Saxon wird voll, nahezu alle Sitzplätze sind reserviert. Ein Novum, selbst Stehplätze am Tresen sind mit Reservation-Schildern beklebt. Und: Er sorgt für eine zahlenmäßig große Schar gutaussehender Austin-Ladies, quatsch, sogar aus Houston gab es einen weiblich Fan. Das sind immerhin drei Autostunden. Betrachtet der Rockfan diesen Umstand gemeinsam mit der Trompete, dem Akkordeon und dem anwesenden Bruce Hughes, gibt uns das Anlass zur Sorge. Oh je, der Opener kommt im Lounge-Jazz-Gewand (Besenschlagzeug, Keyboardtupfer, Stopftrompete) im Stile einer Sade daher. Bemerkenswert ist in jedem Fall die große Stilvielfalt bzw. Stilsicherheit. Vom erwähnten Barjazz, über Songwritereinflüsse, Tex-Mex, Country bis hin zu Rock und Fusion hat er alles im Gepäck. Obendrein ist er ein guter Sänger mit Bühnenpräsenz, die nie aufdringlich wirkt. Das Sextett (E-Gitarre, Drums, Cello, Keyboards, E-Bass, Trompete) spielt den Set lässig im Sitzen, die besseren Momente des Abends werden zu soundschwelgerischen Elegien. Einzig das Vocodergefrickel und Keyboardsoundgetüftel trägt etwas zu dick auf. Insgesamt eine mehr als passable Show, die extrem kurzweilig war, das gilt auch für die Nummern, die nicht ganz so bei uns zündeten. Und Bruce Hughes haben wir als Bassist in einem völlig neuen Licht gesehen, sozusagen unser Tagessieger neben dem Mann an den Reglern, der einen perfekten Job abgeliefert hat. Erstklassiger Sound, wie meistens im Saxon. Bob Schneider hat nicht nur Sandra Bullock beeindruckt.

scheider

Da der Abend noch jung ist ziehen wir doch noch zur Blues-Jam in’s Antone’s weiter. Die Austin Blues Society hat sich zur Aufgabe gemacht, den Blues am Leben zu erhalten und jungen oder noch unbekannten Künstlern ein Podium zu bieten. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn in der Stadt immer mehr bespielbare Läden dicht machen oder an den Rand der Stadt verdrängt werden. Die 5 $ Eintritt zahlen wir also gerne. Wir erleben drei Bands in einem musikalischem „Bäumchen-wechsel-dich-Spiel“, das uns nicht überzeugen kann. Da fehlt die Blues-Seele. Kann gut daran gelegen haben, dass das relativ große Antone’s fast leer war. Da kann kein Feeling aufkommen. Schade und Feierabend, zumindest für heute.

blues jam

Dienstag, 5. Märzmicro

Wir nutzen heute Morgen mal den Wolfgang-Kerbey-Lane-Tip aus 2012 zum Frühstücken und werden (wie auch im Curras) wiedererkannt. Nach einem Jahr, unglaublich. Später geht’s nach San Marcos, auf das „kommerzielle Geschwafel“ verzichten wir an der Stelle. Ist ja nicht wirklich wichtig.
Unsere Kakerlake gibt ein Comeback, Florian stülpt ihr einen Becher über und liefert sie der ungläubigen Rezeption des ESA aus. Dort wird sie kurzerhand ins Scheißhaus gespült.
RIB, Rest in Beer, und so wurde unser „Wappentier“ geboren: RiBBBy! ribbbyKurz vor 18:00 Uhr sind wir im Saxon bei David Grissom der uns im letzten Jahr schon zweimal voll überzeugt hat. American Aquarium war uns zu spät und zu weit (22:30 Uhr im San Marcos), außerdem spielen die Jungs aus Raleigh Dayshows und Showcases beim SXSW. Keine Frage, Vorfahrt Grissom. Und wie! Runderneuerte Band, nach wie vor in 4er-Besetzung (der Meister an Gitarren und Vocals, Schlagwerk, Bass und Keyboards) Unglaublich, der hat sich noch weiterentwickelt, wesentlich höherer Jamanteil (was eindeutig an der Band liegt) Fusionausflüge um über den Umweg Powerrock zum Riffrock zurückzukehren. Kraftvoll, laut, meisterlich, das Brett glüht und der Laden tobt, standing ovations. Ein wilder Gitarrenritt zwischen Storyville (A Good Day For The Blues) und Allman Brothers (Jessica). Keine Musiklehrerpose mehr zu sehen, Grissom ist Teil einer fantastischen Band, der seinen Musikern den notwendigen Raum zur Entfaltung bietet. Rhythm ’n’ Groove, sozusagen. Die Katharsis des Meisters. Kommt unter die Top Five!

david grissom

grissom und florian

Nächster Stopp auf der musikalischen Landkarte für heute: Continental Club, Two Tons of Steel. Ein Taxi ist nicht zu bekommen, also ein kleines Novum für uns: für einen Dollar in den nächsten Bus gesprungen, der uns bis zur Ecke 6th/Lamar bringt. Den Weg von dort aus kennen wir zu Genüge. Two Tons of Steel sind uns noch unbekannt, ihre Website sagt werbewirksam, dass sich die kommende Platte in der Mitte zwischen Country und Punk bewegt und coole Live-Shots gibt es dort auch, mal sehen … Im Gegensatz zur Band sind uns die örtlichen Begebenheiten im Continental bestens bekannt, weswegen Gunther einen Besuch der lokalen Restrooms partout vermeidet. Two Tons of Steel stehen gegen halb elf auf der Bühne und rocken den Continental Club quasi von der ersten Sekunde an. Fronter Kevin Geil spielt auf einer verbeulten alten Akustik-Gitarre mit einem größeren Loch im Korpus, sein Kollege am Upright Bass steht trotz seines Instrumentes, das ihn an Körpergröße überragt, kaum still und der Gitarrist hat zwar die Gitarre einen Tick zu hoch geschnallt, um cool auszusehen, füllt aber spielend alle Soundlöcher seines Fronters und dessen cooler kaputter Gitarre. Mit „Punk“ hat das ganze natürlich nur rudimentär etwas zu tun, Country / Rockabilly eher … vielleicht an Jason & The Scorchers ohne an Cowpunk erinnernd … oder an etwas, das The BossHoss gerne wären. Die Songs sind flott und energiegeladen, die Performance cool und authentisch, was will man mehr, ein paar Shiner dazu, Texas Entertainment at its best!

two ton of steel
Später spinnen wir beim Feierabendbier noch durch die Rockgeschichte: „Shiner You Crazy Diamond“

Mittwoch, 6. Märzmicro

Mit Edgar und Beate in’s Curras, Bericht schreiben, Tag planen, ab nach New Braunfels.
Beer Tasting, da wir aus Germany sind und „we have no experience with beer“ … „you’re funny, …“ kommt’s hinterm Zapfhahn hervor …

Der Lone Star Music Shop ist leider nach San Marcos umgezogen, der Ausflug war trotzdem klasse, da Gruene immer cool ist und wir unsere Wochenendpläne geändert haben, werden wir wohl in die Gruene Dance Hall gehen, eigentlich egal wer an solch einem historischen Ort spielt, da es evtl. die Statesboro Revue sein werden, um so besser. Neben Luckenbach gibt es wohl keinen Ort in Texas der mehr Musikgeschichte atmet.

gruen hall

Später im Dogwoods ziehen wir uns zwei Riesenburger rein, zu sehen auf unserer Facebookseite. Wir lassen es mal dahingestellt, wie gesund das is(s)t, die Qualität lag deutlich über den berüchtigten Junk-Food-Ketten. Außerdem können wir allem widerstehen, nur nicht der Versuchung …
Edgar und Beate ziehen ins Continental zu JDG, wir ins Antone’s zur Momo’s Night. Das Momo’s ist ja inzwischen geschlossen und war einer der besten Clubs in Austin. Die nächste Hiobsbotschaft erreicht uns dann auch gleich: Leider wird das Antone’s an den Rand der Stadt verdrängt, bleibt aber bestehen, immerhin ein kleiner Trost.
An den 7 $ Eintritt kann es nicht gelegen haben, dass nach 20:00 Uhr noch nicht so viel los ist, außer einem weiblichen Fanblock, äußerst attraktiv und exaltiert, des Schlagzeugers Joe Humel der Liars & Saints, ist niemand zu sehen mit einem Einlassstempel auf der Hand. Die Lügner & Heiligen beginnen harmonieverdächtig bis beatleslastig (zwei akustische Gitarren, E-Gitarre, Schlagzeug, Keyboard, Lap Steel, Bass) um dann doch schnell auf den Americana-Freeway abzubiegen. Also kein Grund zur Beunruhigung. Frontfrau und Sängerin Kacy Crowley erinnert nicht nur optisch an die große Ikone der Americana-Music, Lucinda Williams. Die Midtemposongs erzeugen eine erstaunliche Parallelität. Musikalische Gimmicks sind ihre Sache nicht, die Band wirkt aber dennoch eingespielt und überzeugt uns gegen Ende der Show mit dem Motorcars-Cover „Raise My Glass“. Alle Achtung!

liars

Inzwischen sind ein paar zahlende Nasen im nicht gerade kleinen Antone’s. Da dürfen wir nicht drüber nachdenken, wie das ohne den Blues-Club in Downtown werden soll. Dustin Welch findet die richtigen wütenden bis ätzenden Worte: „It’s a shame!“
Vor Jahresfrist hat Dustin Welch in Luckenbach die Dance Hall gerockt. Da war der Sound unterirdisch, sodass wir die wahre Qualität nur erahnen konnten. Immerhin hat uns der musikalische Impetus Welch’s so getroffen, dass es locker zu einem weiteren Versuch reicht. Die klingen schon fast unverschämt nach Wovenhand, der Frontmann erzählt elektrifizierte Americana-Thrills, nein, er röhrt und rotzt diese förmlich ins Volk. Die Songs bewegen sich zwischen Highspeed-Folk und Mid-Tempo-Americana, von Selbstverliebt heute Abend keine Spur. Der Fünfer spielt absolut banddienlich. Bei den Banjomomenten kommt Welch D. E. Edwards sehr nahe. Nein, definitiv keine Kopie, endlich (glücklich) angekommen in einer Nische die von großen Namen besetzt wird. Nach der Show gibt’s Autogramm und aktuelle CD, „Tijuana Bible“, dem geneigten Leser ausdrücklich an dieser Stelle empfohlen.

welch

Keziah Jones hat eine seiner Platten mal „Bluefunk is a fact“ betitelt, eine Prise Soul dazu, so könnte der Sound der King Corduroys treffend beschrieben werden. Für heute schwinden die Kräfte, also der einzige Fakt: Ab ins Hotel. Da wir nur zwei Titel wahrgenommen haben, die uns nicht sonderlich berührten (zweifellos klasse Musiker) verbietet sich ohnehin ein Resümee.

Anstrengender Tag, starkes Finale!

Donnerstag, 7. Märzmicro

Frühstück im Kerbey Lane, dann nach San Marcos in den Lone Star Record Store. Wirklich klasse Roots-Auswahl, viel viel Vinyl, aber nicht unbedingt günstig. Beate und Edgar treffen wir im Laden, finden gemeinsam einige Perlen. Im Hotel dann wird erst mal die Schreibarbeit abgeackert. Die Anzahl unserer Facebooknutzer steigt. Danke!

Im Lambert’s lassen wir es krachen, Happy Hour, gilt leider nicht für’s Essen, hochklassig und hochpreisig, halt ein Yuppie-Schuppen. Egal.
Um kurz nach 7:00 Uhr laufen wir im Antone’s ein, noch ist nicht viel los, das wird sich ändern, die Garantie dafür liefern die drei Ikonen der Stadt.

Malford Milligan’s Band ist heute weißer, bluesiger und auch leichter als die farbigen Pendants des letzten Jahres im Saxon. Allein der Keyboarder damals konnte locker eine vierköpfige Familie aufwiegen. Eine Auswirkung auf die Musik-Qualität hat das natürlich nicht. Der Soulshouter mit reichlich Rockvoice dirigiert seine Band gleich einem Zeremonienmeister. Eine knappe Handbewegung links reicht um das Tempo zu verschleppen, ein Solo zu beenden oder den Einsatz des unbestrittenen Chefs vorzubereiten. Malford erweist dem Blues und somit auch dem Antone’s seine Referenz. Gute Band, warmes Spiel des Keyboarders der solieren darf, kein funky-geplucker, erinnert stark an die Chicago-Southside. Milligan hat wirklich alles drauf, am Überzeugendsten ist jedoch sein Charisma. Schon nach fünf Minuten kannst du das T-Shirt auswringen. Nur der Drummer wirkt seltsam teilnahmslos und trommelt gelangweilt seinen Part runter. Ein Bruchteil von Milligans Gnade würde da sicher helfen.

milligan

Snakefarm, Snakefarm, uhuhuhuh, schon bei der zweiten Nummer zieht Ray Wylie Hubbard alle Register und „opfert“ seinen fast Hit als Anheizer, was ihm allerdings prächtig gelingt. An der Fassade des Antone’s wird lediglich mit „Ray Wylie“ geworben. In Austin weiß jeder, wer gemeint ist.
Hubbard ist die fleischgewordene Verkörperung der seltsamen Mischung aus Held und Underdog. Mit der ihm eigenen Art von Understatement moderiert er sich durch sein Programm ohne auch nur einen Hauch von Zweifel aufkommen zu lassen, wer im Mittelpunkt zu stehen hat. Die Musik ist nicht so bluesausgerichtet wie der Auftritt seines Vorgängers, Folk-Blues-Elemente mit Americana-Versatz spielen dennoch die Hauptrolle. Sein Sohn Lucas an der E-Gitarre ist mit geschätzten 18 Jahren auf dem besten Weg seinem Vater auch ein musikalischer Begleiter zu werden. Der Rest der Band groovt, Hayes „Drunken Poets Dream“ kann man getrost als Höhepunkt bezeichnen. Inzwischen ist das Antone’s voll, auch unsere Nachbar ein Cousin der Braun-Brüder ist auf dem besten Weg. Das spendierte Miller-Lite bekommen wir schon irgendwie runter. Saucooler Typ auf der Bühne, saucoole Show und ein sehr ungewöhnliches Autogramm. Farewell Antone’s, das war’s dann wohl.

autogramm

Die Mugge des Vollfreaks und Ex-Häftlings Billy Joe Shaver ist nicht so unser Ding, zu viel Country, sympathisch ist er trotzdem. Nach zwei Nummern verschwinden wir mit Beate und Edgar Richtung Woodrow’s um über Gott und die Welt (also über Musik) zu reden.

Freitag, 8. Märzmicro

Es regnet. Mir schmerzen die Gelenke, bin schon seit Tagen gehandicapt. Beate schaut sich meine Verspannungen an, da fällt mir spontan Panik-Udo ein, so ähnlich jedenfalls:
… der Banddoktor Beate sagt: Das ist ja ’n Marathonlauf
Und sie macht ihren Koffer auf und gibt uns die Sachen, die uns kräftig machen.
Bringt was, schon nach zwanzig Minuten! So ganz nebenbei organisiert Florian Karten für die Schwarzen Krähen in Brüssel. Und dann? Ins Curras, wieder mal. Von Edgar erfahren wir, dass die Wristbands heuer 225 $ kosten und eigentlich nicht zu bekommen sind. Mit einigen Tricks können wir trotzdem welche ergattern … Im Waterloo gibt’s Platten, was auch sonst? Heute Abend steht das Saxon mit Omar and the Howlers auf der Liste.

Wir ziehen über die „Sechste“, die inzwischen abgesperrt ist. Das Interactiv-/Filmfestvolk macht sich breit. Da begegnen die Schönen und meist Erfolgreichen den Abgerissenen und nicht immer Erfolglosen. Zwei Welten, in denen es kaum Schnittmengen zu geben scheint. Im Encore-Records treffen wir auf den gleichen Musiker aus 2012. Schwer vorstellbar, dass der hauptsächlich auf Metal spezialisierte Laden überleben wird. Ein schlüssiges Konzept ist nicht zu erkennen. Warum sollte ein Kunde eine Rootsscheibe im Encore kaufen, die beim Platzhirsch Waterloo günstiger angeboten wird? Die Konzentration auf das eigentliche Geschäftsfeld wäre sinnvoller.

Wir schnappen mit Edgar und Beate einen Burger im Opal Divine um von dort ins Saxon zu fahren.

alle

Auf dem Zettel steht Schwergewichtsblues mit Omar And The Howlers.
saxon headline
It’s Bluestime raunzt Omar Kent Dykes ins nicht ganz ausverkaufte Saxon und hat den Laden gleich auf Betriebstemperatur. Kniegelenkschonend im Sitzen spielend, der Gitarrengurt lässt keinen Millimeter Luft zur imposanten Hülle, bluesrockt er gleich zu Beginn wie der Leibhaftige. Wer wie Bo Diddley in McComb, Mississippi, geboren ist, hat quasi den Boogie im Blut. Technische Kabinettstückchen gibt’s freilich auch zu bewundern, der Übergitarrist im Stile eines David Grissom ist er eigentlich nicht, viel überzeugender ist sein unglaubliches Rhythmusgefühl. Bluesrockgeboller wechselt sich raffiniert mit Slowblues ab, er recyclet Diddley, Macig Slim und Willie Dixon nicht, sondern spielt eine strikt am Original orientierte, elektrifizierte, hochenergetische Fortsetzung. Das rumst.

omar

Jon Hahn am Schlagzeug und Bruce Jones am Bass zementieren den 12-Takt-Sound auf’s Feinste.
Dykes macht seit 1973 Mugge, seit 1980 Platten, dass er trotz seiner unstrittig musikalischen Potenz noch kommerziellen Erfolg erzielen wird (es gab ja auch schon Europatourneen) ist leider wieder einmal nicht zu erwarten. Starker Auftritt eines in jeder Beziehung starken Typen. In Blues we trust!

Im Woodrow’s lauert der Restroomblues: die drei mal vier Meter große Toilette bestehend aus Waschbecken (wird von den Ami’s nur selten frequentiert), zwei Urinalen und einem WC für die Lossprechung von größeren Sünden. Nicht voneinander getrennt und natürlich auch nicht, damit es jetzt richtig spannend wird, abschließbar. Es kann jeder Gast zu jeder Zeit auf jede mögliche Überraschung treffen, egal ob man das nun möchte oder nicht, so an diesem Abend mehrfach geschehen, auch mir. Ein Volltrunkener mit heruntergelassener Hose, die „Kronjuwelen“ entblößt, schlafend auf jener Toilette … sorgt für eine gewisse Blockade, die fast in Verzweiflung mündet, denn auch Shiner bittet um Erlösung.
Willie Dixon hat einmal sehr treffend bemerkt: „Der Blues ist das Leben, oder das Leben ist der Blues, wie immer man es will!“
Zurück in’s Hotel.

Samstag, 9. Märzmicro

Frühstücken im Maria Taco’s, dann auf nach Gruene zur Free Show der Statesboro Revue.

Heute Abend evtl. ins Saxon zu Eric Tessmer, mal sehen. Es regnet wieder etwas, aber kein Vergleich zu den Sturzbächen aus dem letzten Jahr. Der ziemlich volle, gebührenfreie, Parkplatz in Gruene bereitet uns Sorge. Wo sollen die alle an einem Samstagmittag sein? Hier leben ja nur ein paar Nasen, am Kirchgang kann’s also nicht liegen und das die Touristenfallen so viele Leute aufsaugen ist eher unwahrscheinlich. Doch nicht etwa in der Gruene Hall bei Stuart Mann und Co?, Nee, da ist um 12:30 Uhr noch nicht viel los, was den Vorteil hat, recht schnell ein Shiner in der Hand halten zu können. Nach dem Austausch unserer Argumente behält Florian den Autoschlüssel. Dabei wäre ich soooo gerne gefahren, schade …
Im Player der Tanzhalle dreht sich Billy Bragg und Wilco, Mermaid Avenue, Ewigkeiten nicht mehr gehört, klasse Platte. Nur dass das richtig ankommt, Samstagnachmittag, 13:00 Uhr, „Wilco-Konzert“ zur Einstimmung, Free-Show einer ehemaligen Jam-Band, später ist von 8 bis 80 Lj. alles vertreten! Wir sind gut beraten, nicht immer nur kritisch auf die USA zu schauen, es gibt lohnenswerte Dinge, die übernommen werden können, ich wüsste da was. Samstagmittag in Deutschlands Provinz, die Straße ist gekehrt, das Auto poliert, der Rasen gemäht, Zeit für die Bundesliga …

Die Statesboro Revue haben wir in komplett anderer Besetzung vor zwei Jahren im Chuggin’ Monkey in Austin gesehen. Komplizierter Gig, die mussten gegen eine fantastische Kris Lager Band anspielen, was schlussendlich dann im zweiten Teil des Sets halbwegs funktioniert hat. Der Vierer baut Equipment auf und wir rätseln, ob das tatsächlich Stuart Man ist. Haare ab, Bart dran, Brille und Hut auf und, hey, runderneuerte Band und noch viel viel besser, runderneuerter Sound! Nicht mehr so Jam-orientiert, im positiven Sinn songlastig, Alternativ-Country, Americana eben. In Mann’s persönlichem Songbuch stehen jetzt wohl eher Gram Parsons und „Exile …“. Weniger Allman Brothers mehr The Band. Und dieses Soundlifting kommt der Band spürbar zugute. Dass ist das, was sie definitiv draufhaben. „I wanna play an old country song, and if you don’t like it, sorry for you“. Natürlich mögen es alle, inzwischen ist die Gruene-Hall gut gefüllt.

gruen

Der Blues lässt auch schön grüßen, Not fade away, nicht von Bo Diddley, wie ich seit gestern weiß, sondern von Norman Petty. Danke Edgar! Vor der ersten Pause gibt es noch JJF von Mick und Keith, da kann man sicher geteilter Meinung sein, ich fand’s ganz gut. Stuart Mann erklärt uns, das Lone Star eine neues Lager oder Bock oder weiß der Geier was, auf dem Markt hat, um es mit Edgar zu sagen: „In Germany we used to drink good beer! And Shiner Bock is German taste“. Der Punkt ging dann wohl an uns. Macht nix, Stuart, die musikalischen Punkte sammelt heute die Statesboro Revue ein.

statesboro

Wenn die neue Scheibe nur halb so gut wird, wie die davon abgelieferten Kostproben, kommt ein Hammeralbum auf uns zu. Edgar führt noch ein Interview unter welchen Umständen überhaupt noch ein „Nischenalbum“ gemacht werden kann, wir verschwinden Richtung Outback, nicht ins Hinterland sondern ins Steakhouse.

edgar interview
Kurzes Abhängen im Hotel, die Intensität unserer „Auftritte“ nimmt zu,
„ … in Germany we used to …“.

Ein äußerst schräger Taxifahrer (die sind hier alle merkwürdig, aber der bekommt den ersten Preis) bringt uns in’s Saxon. Auf dem Beifahrersitz steht ein Laptop, das von seinem iPhone angesteuert wird, um irgendwelche Videos in You Tube zu schauen, während der Fahrt versteht sich. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, der Bildschirm ist mit orientalischen Schriftzeichen bestückt. Geht aber alles gut aus.

Wir sind wegen Eric Tessmer im Saxon, erleben aber noch ein paar Stücke von „Eightysixxed“ einem eigenwilligen Quartett mit der musikalischen Quersumme aus bluesinfiziertem 70er Jahre Hardrock und Jamrock.

eightysixxed

Sänger und streng limitierter Gitarrist erinnert sehr an Warren Haynes auch ein wenig an Luther Dickinson, allerdings ambitionslos. Der Schlagzeuger ist gefährlich träge, dafür inspirationslos, der spielt eher so eine Art Lowbeat, der Bassist benötigt nur zwei Saiten, das kann wiederum an der dunklen Sonnenbrille im nicht gerade gut ausgeleuchteten Saxon gelegen haben. Der Leadgitarrist hat musikalisch wohl eher die Ausnahmestellung bei Eightysixxed inne, und wahrscheinlich auch bald einen neuen Job. Das Spiel war brauchbar. Als Band haben sie dann trotzdem gut funktioniert, nach dem Motto, das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Was für ein Glück!

Eric Tessmer und seine Band ist uns bislang unbekannt, aber auch mangels Alternative unsere heutige Wahl. Kurz vorher seine Homepage mit Soundclips gecheckt, klingt gut und cool aussehen tun sie auch. Basser Danny G. betritt als erster die Bühne, lange Haare, King's X-Shirt … das wird was. Die Band baut auf, stimmt Instrumente und steigt direkt aus dem Soundcheck ohne weitere Begrüßung in die erste Nummer ein, ein fast zehnminütiges Blues-Rock-Stück, das zum Ende hin in einem wilden Jam-Inferno mit Headbanging-Einlage von Danny gipfelt. Gunther greift folgerichtig zum mitgebrachten Ohropax und die beiden Ladys am Nachbartisch ergreifen bereits jetzt die Flucht … vielleicht besser so, denn das war erst der Anfang. Tessmer und seine Mitstreiter steigern von Stück zu Stück Intensität und Lautstärke ... Blues/Jam Rock in seiner brachialsten Form, dem Saxon Pub fliegt fast das Dach weg, ich denke, so etwas haben die Zuschauer selten erlebt. Höhepunkt des Sets ist ein fast 20-minütiges Stück (mit Songtiteln kann ich leider nicht dienen), bei denen Eric und Danny die Bühne verlassen und innerhalb der Zuschauerreihen weiterspielen. Dies aber (so unser Eindruck) nicht zum albernen Posing, sondern um Drummer Eric die Bühne zu überlassen, der rhythmisch von seinen Kollegen begleitet (die zwischendurch mal komplett weg waren, vielleicht mal eine rauchen draußen beim Spielen ...) ein fulminantes Solo hinlegt. Wahnsinns-Auftritt! Natürlich zieht so etwas in erster Linie live, aber um diese klasse Musiker zu unterstützen, kaufen wir beide noch eine CD, die die drei auch gerne noch signieren. Ein Test am nächsten Tag wird zeigen: auch auf Platte klasse!

tessmer

Später im Woodrow’s werden wir von der Bardame auf zwei Ritas eingeladen, keine leichten Mädchen, ich meine Margaritas, also Cocktails.

Sonntag, 10. Märzmicro

Frühstück mit Thomas im Kerbey Lane, Abhängen im Hotel, Bericht einklopfen, Tag planen, Antone’s Record Store, das geht immer … sollte man meinen, aber im legendären, saugut sortierten Antone’s rumpelt eine Live-Band, nix zum Plattensuchen. Im End Of An Ear geht’s ruhiger zu und, klar, wir werden fündig.
In unmittelbarer Nähe zum Saxon schieben wir in einer Tacobude noch ein paar lebensnotwendige Kalorien nach.

John Gaar sieht eher nach Südstaaten-Rock ’n’ Roll aus, es kommt aber ganz anders, die Band spielt eine gekonnte Mixtur aus Soul, mit funky Groove und starken Vibes, clever unterstützt von Backgroundsänger und Sängerin, warmes Keyboard. Freilich sind Rock/Blues von elementarer Bedeutung, die Basis der Band sozusagen, die aber im klassischen Sinne nichts mit Americana, Roots oder gar Southern-Rock am Hut hat. War ganz ordentlich.

Gaar

„Jetzt kannst Du ihn noch fesseln und ins Auto einsperren“ meint Florian etwas augenzwinkernd, als uns Bass-Funk-Bruce im Saxon über den Weg läuft. Unstrittig ist Bruce Hughes ein hervorragender Bassist, mit Groove im Blut, die Stimme des offensichtlich introvertierten Musikers ist da schon gewöhnungsbedürftiger, als Frontmann war Hughes heute eher, naja, notwendig, um es vorsichtig zu sagen und die gebotene Wertschätzung und Distanz nicht zu verlieren. Die Neueinsteiger Miles Zuniga und Jeff Plankenhorn fehlen heute Abend. Leider. So werden die Resentments auf Triobesetzung (Scrappy Jud Newcomb an den sechs Saiten und John Chipman am Schlagzeug) reduziert. Und das ist genau das Problem. Ein klassisches Trio sind sie nicht.

resentments
Unglaublich, dass das Saxon so gut gefüllt ist, die spielen seit 15 Jahren Sonntag für Sonntag ihre Shows, können inzwischen sogar ein paar Dollar Eintritt kassieren. Es muss also was dran sein an der Band. Heute rettet den ersten Set ein wie immer formidabler Malford Milligan, der allgegenwärtige Szeneheld der Austin-Clubs.
Leider reicht es nur für drei Nummern um anschließend in das Schema des Abends zurückzuverfallen: Ein guter Song mit Scrappy oder auch Johnny „Morocco“, es rockt sogar ein wenig, dann wieder eine ziemlich schräge Hughes-Darbietung. Ein auditives Wechselbad zwischen Hoffnung und Kapitulation. Das was wir für das erlösende Ende halten, ist nur die Pause.

Edgar dreht einem Amerikaner, Typ klassischer Redneck-Bulle, mit Bügelfalte in der Jeans, den Fuß manuell zur Seite, um auf seinen Platz zu gelangen. Sein Augenlied flackert. „At the Moment I carry five guns with me! Just kidding, only two at the moment!“ Dann bestellt er eine Runde Bier. Wir sind so was von erleichtert. Temporär, die Resentments spielen den zweiten Teil und jetzt wird’s ganz schlimm: „Käse Ra“ besser bekannt als, auch egal … Eigentlich Zeit zum Gehen. Aus Respekt vor der Band bleiben wir natürlich bis zum Ende. Insgesamt eine laue Sache, dass es besser geht wissen alle, vor ein paar Jahren zum Beispiel mit Ed Jurdi in Hochform. Dass Bruce Hughes ein fantastischer Bassist ist, hat er vor Wochenfrist bei Bob Schneider demonstriert. Next Exit Woodrow’s.

Hughes

Der zahlenmäßig größere Teil der deutschen Liga zieht sich uns Hotel zurück. Hier darf man auch schon mal müde sein.

Montag, 11. Märzmicro

Einen Tag, bevor der Wahnsinn offiziell losgeht. Für uns bringt dieser letzte Vor-SXSW-Tag ein kleines Novum: auf zu einem Tagesausflug mit Übernachtung! Wie der aufmerksame Leser nun zurecht vermutet, hat das nichts mit Wellness oder Relaxen zu tun, sondern mit ... „trommelwirbel“ ... Musik! Rio Frio Fest nennt sich das mehrtägige Festival im kleinen Städtchen Concan, 80 Meilen westlich von San Antonio, mitten im malerischen texanischen Hill Country.

hillcountry
Viele der Bands der nächsten Tage spielen auch in Austin, offiziell oder inoffiziell ... nur das Montags-Programm mit den Southern Rockern von Whiskey Myers ist exklusiv. Beate fährt total auf die Band ab, weswegen wir Edgars Tipp des Festivals im Vorfeld gerne aufgenommen haben. Eine Cabin mit zwei Betten haben wir von der Heimat aus gebucht, kurzfristig rücken wir auch enger zusammen und teilen uns diese zu viert ... eine zweite ist nicht mehr zu erträglichen Preisen zu bekommen.

Frühstück standesgemäß im Curras ... lecker wie immer, aber auch logistisch die beste Wahl, da nahe am Interstate. Wir verlassen Austin Richtung Westen beizeiten und nach einem kurzen Tank- und Shinerkauf-Stop erreichen wir nach rund zweieinhalb Stunden das sehr schöne Hill Country und Concan. Viel Ort gibt es dort nicht, da entlang der Hauptstraße eigentlich nur Neal’s Lodges ist, ist die Unterkunft schnell gefunden und wir beziehen unsere Cabin. Absolut OK für eine Nacht, aber auf der Homepage sah’s größer aus.

Lodge
Auf den Ticket-Vouchers stand was von vorher beim Festival-Büro abholen ... also dort mal hin. Eine kleine Irrfahrt führt uns über den Rio Frio und zurück und nachdem wir in einem örtlichen Laden nachgefragt haben wieder drüber ... die Richtung war korrekt, geht einfach immer weiter die Straße lang; zu Fuß nicht zu schaffen; dummerweise liegt genau dort auch das Festivalgelände. Aber Neal’s sagte was von „Shuttle“. Vor Ort ist man perfekt organisiert; die netten Mädels im Büro wissen immerhin, dass ein Festival stattfindet, aber Karten? Nee, gibt's erst abends an der Kasse. Egal, wieder zurück und mal ein Eröffungsbierchen trinken. Kleiner Fehler der netten offenen Bar von Neal’s (inkl. texanischer Rattlesnake im Terrarium): wenn die Thirsty Germans kommen, besser kein Shiner Bock für 2 Dollar anbieten. Relativ schnell stehen 15 leere Flaschen auf dem Tisch und der coole Cowboy vom Nachbartisch ist so begeistert, dass er nochmal drei spendiert. Howdy!

So langsam wird es Zeit für das Festival; der Shuttle ist einsatzbereit und fährt exklusiv für uns zum Gelände. Heimwärts dann einfach die Handynummer wählen. Hm ... am Eingang eine kleinere Schlange und keine Organisation. Irgendwas läuft nicht, weshalb sich alles verzögert. Die Temperaturen sind schon um einiges gefallen im Vergleich zum Mittag, als wir dann gegen halb acht aufs Gelände dürfen. Edgar hat im Vorfeld Kontakt zu Whiskey Myers Manager aufgenommen, man kann sich ja mal vorstellen ... am Eingang zum Backstagebereich ist der Tourmanager schnell gefunden und die „deutsche Delegation“ darf passieren. Am Tourbus wartet Sänger Cody Cannon und wenige Augenblicke dürfen wir im imposanten Bus Platz nehmen ... schön warm ist es dort und ein Bier haben wir auch sofort in der Hand. Edgar verhaftet Cody kurzerhand für ein Radio Show-Interview, während wir und Beate mit dem Rest der Band plaudern; Leadgitarrist Cody Tate, eine 70er-Lynyrd Skynyrd- Reinkarnation, wirkt ein bisschen verstrahlt, seine Kollegen John und Gary (2. Gitarre und Bass) sind hingegen sehr nett, freundlich und kommunikativ und überhaupt nicht genervt vom spontanen Besuch aus Übersee.

Gunther WMyers
Nach Edgars fertigem Interview verlassen wir den Bus und begeben uns zum Gelände, wo die erste Band des Tages spielt, The Cadillac III. Angekündigt waren sie als The Cadillac Black, mussten aber vor kurzem ihren Namen ändern. „Country Fuzz“ spielt das Trio aus Nashville ... was das genau ist, weiß man nicht, aber aus den Boxen kracht Country Rock, der erstaunlich lärmig rüberkommt. Viel Distortion, Garage, aber trotzdem kein Alternative, sondern ... na ja, Country Fuzz. Das Country-typische Lap Steel kommt natürlich auch zum Einsatz, aber das ganze rockt gut! Klingt vielleicht ein bisschen so, als würden die Hellacopters zu Debut-Zeiten Country spielen. Coole Band, CD wird für einen 10er eingetütet.

Cadillac3

Am Merchstand verkaufen auch Whiskey Myers Shirts; hier schlagen wir ebenfalls zu, allerdings will der Mercher/Tourmanager hierfür kein Geld von uns. Vielen Dank! Mittlerweile sind die Temperaturen im Hill Country in den einstelligen Bereich gefallen und wir steigen passend zum Headliner und zum Aufwärmen auf Whiskey um. Rebecca Creek heißt dieser, gäbe es im Penny für 5 Euro die Flasche ...

Whiskey Myers dürfen dann gegen 10 Uhr auf die Bühne; das Gelände hat sich etwas gefüllt, aber es ist halt der erste Festival-Tag ... vielleicht 200 Mann sind anwesend. Der Band ist das egal, die liefern eine tolle, über anderthalb Stunden lange Show ab ... auch wenn sie sicherlich ein größeres Publikum gewohnt sind, immerhin leben sie komplett von der Musik, wie sie erzählt haben. Southern Rock in bester Lynyrd-Skynyrd-Tradition, klasse Musiker, Songs mit Hitpotential, ein bisschen Gejamme ... super Band mit absolut Potential. Gibt eigentlich keinen Grund, warum jemand, der Lynyrd Skynyrd kauft (und das sind in Deutschland ja schon einige) sich nicht noch auch eine Whiskey Myers-CD in den Einkaufskorb legt. Hoffentlich hört man in Deutschland von den sympathischen Jungs ein bisschen mehr in der Zukunft.

Whiskey Myers

Nach der Show entern wir noch einmal den Backstage-Bereich, Edgar und Beate wollen sich noch verabschieden. Auf der kleinen After-Show-Party bleiben wir nicht lange, schließlich müssen wir irgendwie zurück zu unserer Hütte ... und an der Mobilnummer von Neal’s geht nur die Mailbox dran. Und die Temperaturen sind am Gefrierpunkt, 4 Meilen heim laufen, zwischen Rattlesnakes und Kojoten ... das wird kalt ... und weit ... Zum Glück dreht der wohl offizielle Shuttlebus gerade seine letzte Runde, Edgar und Beate können sich zwar kaum losreißen, aber Whiskey Myers’ Tourmanger macht dem Busfahrer dann nochmal klar, dass er BITTE auf die Germans wartet. So kommen wir doch noch sicher und ziemlich durchgefroren zur Lodge.

Das Schlussbier verweigere ich heute; Nacht wird kurz und morgen ist frühes Aufstehen angesagt. Viel Schlaf bekommen wir heute nicht; es ist kalt, das Bett zu kurz und für zwei auch viel zu schmal ... aber egal, das war’s wert. All in the name of Rock ’n’ Roll!

Dienstag, 12. Märzmicro

Es ist 7:00 Uhr, ich reibe mir die Augen, die Scheiben sind leicht angeeist und Edgar trägt einen ähnlich piefigen Schlafanzug wie ich. Jetzt ist nur noch die Frage offen, bei wem das Understatement ist. Rock ’n’ Roll Feinripp, nicht RiBBBy, nur Rippy, sozusagen … Wir picken ein paar Eier am Interstate, im ESA kurz duschen, dann sofort ins Threadgills, ihr wisst schon …
In matter of music and food, we represent a time before disco or microwaves“ (Eddie Wilson, Owner, Threadgills)
… ändern wir mal kurz ab …
In matter of music and beer, we represent a time after Rap or Coke …“ (Florian und Gunther, Shiner-Ambassdors)

Was steht heute an? „Feed the Soul“-Concert im Threadgill’s Beergarden ... ein Benefizkonzert, bei dem sich einige bekannte Namen der Stadt ab 11 a.m. die Ehre geben, zu Gunsten der Austin Food Bank.

Planmäßig verpassen wie die ersten beiden Bands, aber die Dirty River Boys um 1.30 p.m., die stehen oben auf der Liste. Schon im Vorjahr war das Quartett aus El Paso sehr cool, mittlerweile haben sie einen Haufen weiterer Konzerte auf dem Buckel, eine komplette CD auf dem Markt und auch zwei offizielle Showcases beim SXSW. Geht voran für die Jungs. Und das auch zurecht, denn sie machen live einfach Spaß. Der Sound ist nicht einfach zu beschreiben ... Einflüsse aus Country, Bluegrass, Rockabilly werden zusammengeworfen, das ganze hat eine ganz leicht punkige Attitüde und eine interessante Instrumentierung: ein richtiges Drumset gibt’s nach wie vor nicht, nur Percussions, eine Bassdrum und so ein Sitzschlagzeug (das irgendwann mal für einen fiesen Haltungssschaden bei Travis Stearns sorgen wird). Dazu kann auch eigentlich jeder alles spielen, Gitarren, Uprightbass, Banjo, Mandoline, Drums, munter wird gewechselt; singen tun auch alle vier, was das starke Songmaterial von melancholisch-ruhig bis flott/uptempo sehr abwechslungsreich tönen lässt. Klasse Band, die werden sicher noch größer!

Dirty River Boys

Langsam machte ich ein bisschen Hunger bemerkbar, aber das Programm ist stramm und duldet eigentlich keine Pausen ... zum Glück haben die Shinyribs ein Einsehen und machen uns den kurzen Abstecher ins Threadgill’s-Restaurant nicht schwer; keine Ahnung, was das für ein Sound war, aber mich nervt es ziemlich. Countryrock, aber mit einem ziemlich funkigen Bass und Keyboarduntermalung der penetranten Art, zudem immer wieder gerne eine Ukulele ... in meinen Ohren passt da nichts so richtig zusammen beim Sideproject von The Gourds-Frontmann Kevin Russell, nicht einmal beim Gesang... spätestens als er dann anfängt zu jodeln, ergreifen wir die Flucht.

Shinyribs

Edgar, Achtung, volle Deckung, die Blechtröten kommen! Todd hat es vorsichtig per Mail angekündigt und sich musikalische Absolution geholt, in Abstatt findest Du das eher nur beim Buntmetallhändler. Ist nun zu befürchten, dass bald Nektar, Chicago (ich bin noch nicht fertig und ahne noch Schlimmeres) oder gar die Average White Band aufschlagen? Zugposaunen und Waldhörner etwa?
Oder ist das ein verspäteter trojanischer Angriff der Nordstaaten auf die musikalische Konföderation? Mitnichten und Mitneffen, Uncle Lucius spielen formidablen Südstaaten Rock ’n’ Roll, leicht gospelig, Blues, ja natürlich auch Soulanteil, was sollten die Bläser auch sonst machen? Erinnert schon an die schnell wieder verschwundenen Deadman, die Struktur der Songs auch an den vergessenen Southside Johnny, die jammen teilweise wie eine soulige Variante bis an die Augenbrauen zugekiffter Crowes, und rocken straight drauflos wie Cody Canada an guten Tagen (heute übrigens leider nicht, was Florian noch erzählen wird). Americana? Evtl. am Rande, in Austin ist ja irgendwie alles Americana. Uncle Lucius, wir haben schon ein paar Margaritas, oder waren es Shiner, oder beides, Uncle Lucius, wir blinzeln benommen in die Sonne und drehen die Buchstaben so lange, bis Onkel Luzifer über der Bühne steht. Der Bartender denkt das eher von uns, warum auch immer. Die Band jedenfalls ist große Klasse, und, klar die passen hundertprozentig zu Blue Rose, das ist ein Hammeralbum, zum erwähnten Südstaaten R ’n’ R, gesellen sich reichlich Jamparts bis hin zu Psychedelic. Und wer Tina’s „I Can’t Stand The Rain“ adaptiert, hat Sinn für musikalischen Humor oder ebenso viel Texas Tea im Blut wie wir. Viva La Margarita, Viva Uncle Lucius! Kaufen!!

In unserer unmittelbaren Nähe hat sich irgendjemand nicht mehr richtig im Griff, unsere Homepage bekommt eine weitere Be-Deutung: Boobs-Beer-Burgers. Härtet ab!

Uncle Lucius

Die Zeiten, in denen Cody Canada vor einer fünfstelligen Zuschaueranzahl rockte, sind wohl endgültig vorbei; heute spielt er mit The Departed im Mittelteil des kleinen Festivals vor vielleicht 200 Mann. Natürlich sagt das keineswegs irgendetwas über musikalische Klasse aus, beide Departed-Platten gefallen mir sehr gut, die zweite („Adventus“) sogar noch einen Tick besser als das Debut, da abwechslungsreicher und ein Schritt in eine neue Richtung. Aber irgendwie haben sie heute nicht ihren besten Tag erwischt; anfangs wirken sie ein wenig lustlos und zu routiniert. Dazu kommt, dass der Opener „Worth the fight“ vom aktuellen Album ein allenfalls durchschnittlicher Rocksong ist und Canada und James somit eine Weile brauchen, um warm zu werden und (ich gehe mal von mir selbst aus) das Publikum zu erreichen. Hammersongs wie „Ballad of Rosalie“, „Cold hard fact“ oder der Ragweed-Klassiker „Dimebag“ und natürlich die Klasse der einzelnen Musiker bringen den Gig insgesamt aber dann doch noch in den „Gut“-Bereich. Haben wir aber in Deutschland schon irgendwie packender gesehen

Cody Canada

Jason Eady, der schon beim legendären 2011er Kartoffelpistolenauftritt in Luckenbach mindestens so viel Humor bewiesen hat wie Uncle Lucius mit oben erwähnten „I can’t stand the rain“, spielt und spult heute ein reines Countryprogramm runter, das sicherlich passabel ist, aber keinen so recht interessiert. Dabei hätte er es einfach haben können nach nur mittelmäßigen Departed. Guter Musiker, das sind hier ja fast alle, klassisches Line-up, Schlagzeug, zwei Gitarren, Bass. Jemand der aus Jackson, Mississippi kommt, sollte mehr Feeling haben, hat er bestimmt auch. In Austin ist Eady authentischer Szeneheld, heute war das naja, nett wäre zu gemein. Sein „When The Money’s All Gone“ texten wir mal kurzerhand auf „When The Shiner’s All Gone“ um. Die musikalischen Wegbegleiter lesen sich wie ein Who’s Who der Roots-Music, Owen Temple, Walt Wilkins, Cody Braun, um nur einige zu nennen. Guter Auftritt in Luckenbach, heute eher durchschnittlich, da muss es ja 2014 wieder cool werden. Ich bring auch ’ne Kartoffelpistole mit, wenn nötig. Eady come, Eady go!

Jason Eady

Micky and the Motorcars gehören auf unserem jährlichen Trip einfach dazu! Irgendwo spielen sie immer, offiziell, inoffiziell, in Austin, in Luckenbach sowieso, auch mal in Gruene. Und heute sehen wir sie zum ersten mal im schönen Threadgill’s. Die Band hat sich, wie in mehreren Berichten auf unseren Seiten nachzulesen, in den letzten Jahren wirklich positiv entwickelt; war die Live-Performance bei meinem ersten Konzert seinerzeit noch ein wenig dröge, die neuen Mitglieder Dustin und Joe haben ihrem eingängigen Countryrock einen Tritt in den Hintern verpasst. Auf der Bühne wird gerockt und auch wenn Dustin bei seinen Gitarrensoli manchmal mit dem Posing bis ans Äußerste geht ... musikalisch passt das super. Auch Gary Braun, der von der Coolness her ein wenig hinter Micky und beim Gitarrenspiel ein wenig hinter Dustin zurückstecken muss, veredelt diverse Songs heute mit tollen Harmonica-Einlagen ... das könnte seine zukünftige Disziplin sein. Große Überraschungen in der Setlist gibt es natürlich nicht, aber Spaß macht die Band auch heute wieder und ich bin gespannt auf neues Material mit der aktuellen Besetzung.

Motorcars

Zeit für den Headliner Shooter Jennings, der heute zeitgleich den Release seines neuen Albums „The other life“ feiert. Es ist 10 p.m. und so langsam macht sich die Müdigkeit bemerkbar, aber Shooter haben wir im letzten Jahr nur kurz gesehen, das letzte Album „Family man“ war super und auch, was wir bislang vom neuen Album hören konnten, spielt im Alt. Country-Bereich in einer eigenen Liga – also Zähne zusammenbeißen. Und um das Fazit vorwegzunehmen: natürlich hätten wir von den anderen Anwesenden gehört, dass es super war, aber diesen Gig sehen, diese Atmosphäre, die Shooter in seinen eindringlichen, ehrlichen und emotionalen Songs verbreitet, das muss man erleben, das hätten wir genauso wenig von Erzählungen her in Gänze nachvollziehen können wie jetzt vielleicht der Leser hier. Es ist bei ihm das Gesamtpaket: musikalisch mit beiden Füßen im Country verwurzelt, bringt er dank Einflüssen aus (Southern) Rock, Indie und wasweißichnoch einen absolut eigenständigen und frischen Sound auf die Bühne, düster, authentisch und mit sehr persönlichen Texten ausgestattet, von denen man ihm jede Zeile abnimmt. Dazu sein Auftreten – cool, unangepasst und fernab des traditionellen Country-Styles, den beispielsweise zwei Stunden vorher Jason Eady an selber Stelle verkörperte. Im Mittelpunkt des Sets steht natürlich das neue Album, klar, ist ja seine Releaseparty. Ergänzt wird das neue Material vor allem durch die Highlights aus „Family man“. Die erste Hälfte des Gigs ist den ruhigeren Songs gewidmet, dann tauscht er die Akustikgitarre gegen die Gibson SG ein für ein paar knackige Riffs. Highlight des Gigs der Abschluss mit dem Rausschmeißer des neuen Albums, „The gunslinger“, von Gunther schon jetzt zum Song des Jahres 2013 gekürt, knapp sieben Minuten autobiographische Genialität. Nach dem Gig wird am Merchstand noch die neue CD mitgenommen, die Shooter gerne noch signiert. Jeder, der unseren SXSW-Bericht aus musikalischem Interesse liest, muss „The other life“ unbedingt antesten. Und am besten gleich noch „Family man“ mit in den Einkaufskorb packen.

Shooter Jennings

Es ist nach 11.30 p.m., an weiteres Programm ist nicht mehr zu denken ... die Müdigkeit siegt, im Saxon wäre noch das Braun-Family-Concert mit Cody, Willy, Micky und Gary ... eine offizielle SXSW-Show (der Dienstag ist dieses Jahr schon offizieller Tag) und dass wir noch keine Wristbänder haben und da eh nicht reinkommen, ist eine heute wirklich schöne Ausrede.

Mittwoch, 13. Märzmicro

Steve und Jochen von Soulfood versorgen uns mit Wristbändern im Covention Center, aus Zeitgründen in einer Sandwichbude kurz frühstücken, dann sofort zur Guitartownparty ins Dogwoods, es ist 11:00 Uhr! Inzwischen haben wir hier einige Bekannte, Freaks und Musikfans die wir jedes Jahr treffen. Karl aus Kalifornien (jetzt Washington), seine Schwester Julie mit Ehemann aus Austin, ein Schweizer Ehepaar, Kneiper, Plattenverkäufer, Barkeeper, Kellner oder auch unsere holländischen Freunde Gerard und Henk. Karl hatte ähnlich lange zu kämpfen, bis es endlich feststand, dass es auch 2013 ein SXSW für ihn geben wird. Wiedersehensfreude im Dogwoods, drei Bier, let´s rock!

Karl, John, Florian, Gunther

Die Guitartown-Party zählt zu den zahlreichen „offiziellen“ Dayshows, in 2013 sind 29 Bands auf zwei nebeneinander liegende Venues mit insgesamt drei Bühnen verteilt. Die Bands, vorrangig aus Austin, geben sich im 25-Minuten-Rhythmus die Gitarren in die Hand. Eintritt wird nicht kassiert, bei knapp 6 Dollar für die Dose Bier, sollten die beiden Bars, Dogwood und Molotov, voll auf ihre Kosten kommen.
Bisher war die Guitartown-Party für uns so eine Art Auftaktveranstaltung, bei der wahren Flut an Dayshows, ist es nicht mehr so einfach sich festzulegen.

Sarah Gayle Meech hat bisher keinen Eindruck hinterlassen, war uns völlig unbekannt. Macht ihre Sache ganz gut, dass Quartett mit Upright-Bass liefert uns smarten Country-Pop, in besseren Momenten Country-Rock, kommt meistens up-tempo daher. Schöne Stimme. Entwicklungspotenzial.

SGMeech

Da lässt es der Old-School-Rocker Willie Nile im Molotov schon deutlich mehr krachen. Identische Band der Vorjahre nur der Schlagzeuger („einszwei, einszwei“) wurde getauscht, volles Rohr beim Soundcheck und Vollgas von der ersten Nummer an, „House Of Thousands Guitars“, krachender Gitarrenrock im Straßen- und Garagenstyle, der die Clubs wohl nie mehr verlassen wird.
Im positiven Sinn reduzierter als ein Bruce Springsteen, mindestens genauso aufrecht. Bei „Holy War“ lässt er uns wissen, was er so in Teilbereichen von seinem Land hält. Nicht allzuviel, vermuten wir mal. Formidables Jim-Carroll-Cover „People Who Died” um mit „One Guitar“ eine viel zu kurze Show zu beenden. Da kommt mit „American Ride“ ein Hammeralbum des Rock ’n’ Roll-Derwisches auf uns zu. Frisur bleibt Frisur und Wille bleibt Wilie. Ein Relikt! Welcome Back!

Willie Nile

Frontmann Aaron Beavers hat Wort gehalten: Let’s have a party and a few of day beers. Der Vierer spielt einfachen, straighten Rock, hemdsärmelig, ehrlich, mit Rock ’n’ Roll-Touch und Country-Roots-Rock-Anklängen. Klingen immer ein wenig nach nicht komplizierten Son Volt meets Tom Petty. Gut geölte Band auf und neben der Bühne, in jeder Beziehung. Wären mal was für die Christmasparty. Machen gute Laune!

Shurman

Mit dem Indoorauftritt im Dogwood sind die letzten Zweifel beseitigt, Dustin Welch ist auf dem Weg ein ganz großer der Alternativ-Country Szene zu werden. Im Antone’s schon angedeutet, jetzt eindeutig bestätigt. Charismatische Show des Folkfreaks, der Instrument und Band bestens im Griff hat. Aktuelle CD, „Tijuana Bible“ dicke Empfehlung, kommt unter die Top Ten für 2013. (siehe auch Antone’s, 06 .März 2013, Video folgt).

2013 kommt James McMurtry zumindest ohne Whiskeybecher dafür aber nicht minder mürrisch auf die Bühne. Die Balladen des Songwriters mit der Zwölfsaitigen bleiben bitterböse, J McM hält den USA mehr als einmal den notwendigen Spiegel vor. Der Gesang ist nur noch rudimentär vorhanden, seine Ansichten raunzt und räsoniert er ins Publikum. Storytelling im Sinne von Erzählen, eigenwilliger Auftritt eines „schrägen Vogels“ der aus der Austin-Szene nicht wegzudenken ist. Der oft zitierte Dylanvergleich ist treffend, schert sich einen Dreck um kommerziellen Erfolg. Wohltuend unangenehm, ich meine natürlich unangepasst.

James McMurtry

Es ist jetzt gerade mal 1.30 p.m., wir haben schon fünf Bands gesehen, das ein oder andere Shiner war auch schon zu Besuch ... doch nun ist es Zeit, sich zu trennen. Es stehen heute diverse interessante Showcases an, also hier Teil 1 des 13.03.2013:

Gunther’s Tag:

Die mir bis dato nur vom Namen bekannten Howlin’ Brothers aus Nashville werden als Alternative Country angekündigt, bestehend aus Banjo, Gitarre, Stehbass, Schlagzeug, Harmonica, wobei insbesondere der Banjopicker auffällt, auch durch sein Outfit, Hemd, dickes Wollsakko, Krawatte, dies alles bei 28 Grad, das zeugt von Haltung. Den Bandsound hätte ich mir etwas substanzvoller gewünscht, war schleppend bis lahm. Gute Instrumentalisten die nicht immer voll überzeugen konnten, da gibt es in der Alternativ-Country-Szene Besseres. Das mag durchaus an der Herkunft liegen. Austin beats Nashville!

HowlinBrothers

Zwischenzeitlich hat Florian den Abflug gemacht, ich bin hin- und hergerissen, ’ne Poolparty, hm, das hat was, die Trishas aber auch, entscheide mich nicht gegen das Bugfest sondern für die Guitartownparty, ganz ehrlich, da ist eventuell etwas Bequemlichkeit oder sonst was im Spiel.

Also wieder rüber ins Molotov, die neue CD der Trishas „High, Wide & Handsome“ entfernt sich von der bisher vorlegenden EP. Der Sound der sehr attraktiven, hochtalentierten jungen Texasladies (erweitert um eine nicht minder aparte Gitarristin/Lap-Steel) öffnet sich mehr in Richtung Airplay, also countrylastiger im klassischen Sinn. Perfekte Sängerinnen, die sich alle möglichen Saiteninstrumente in die Hand geben, unterlegt mit einem großen Arsenal perkussiver Sounds, sowie die von Kelley Mickwee quasi nebenbei bearbeitete Snare, die aber nicht darüber hinwegtäuschen können (oder gar wollen) das auch Kohle verdient werden muss. Leider war der Sound im Molotov indifferent, eine sehr dominante Gitarre bzw. Lap Steel, so dass die unstrittig große instrumentale Klasse aller Trsihas auf der Strecke blieb. Aber, klasse Band, und wer so aussieht und mit diesen Stimmen gesegnet ist, erhält von uns die „Country-Absolution“. Wir bleiben Fans. (Video folgt)

Trishas

Die Silos (auch im Molotov) sind inzwischen über die Jahre zur festen Größe, ja zur Institution der Guitartown-Party geworden, ob das musikalisch nachvollziehbar ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Band um Mastermind Walter Salas-Humara riffrockt den zu Beginn ziemlich leeren Club, knockentrocken, indieorientiert, recht harte Gitarrensounds. Die wechseln mit steigender Publikumszahl von ganz ok zu, boah, was für ein Brett, um zum Schluss „Sweet Black Angel“ zu covern. Das trauen sich nicht viele Bands zu, mir fallen aktuell nur die Black Crowes ein. Die waren dann noch richtig gut!

Silos

Raul Malo, ebenfalls im Molotov, hat sofort die Tanzfläche voll. Habe Raul, der ja immerhin festes Mitglied der legendären Mavericks ist, vor Jahren im Continental gesehen. Tex-Mex-Rock ’n’ Roll mit Hang zum Weichspülgang und Popstarattitüde. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Malo für Songs wie „Shake, Rattle And Roll“ das notwendige Feeling hat. Nach fünf Songs grußlos die Bühne zu verlassen, zeugt dann aber eher von Instinktlosigkeit oder Arroganz. Das war nicht cool, das war daneben.

Das war’s, zumindest die 2013er Guitartownparty, proppevoll, immer wieder gut, auch wenn viele Bands nur Blaupausen der Vorjahre sind, wen juckt das schon wenn man so nebenher Freunde der letzten Jahre treffen kann, bei Shiner über Musik reden, und nebenbei ganz unbemerkt eins wird mit dieser verrückten Stadt. Durch das ständige Wechseln zwischen den beiden Venues blieben American Aquarium und Jon Dee Graham mehr oder minder auf der Strecke.

American Aquarium

Jon Dee, da musste ich mir erst mal die Augen reiben, habe ich nur noch an der Stimme erkannt. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass wir in drei Tagen eine Reunion der legendären True Believers erleben werden.

Irgendwie sollte ich auch mal was Festes zu mir nehmen, Zeit für ein Restaurant bleibt eigentlich nicht, also schnell ein „Burgercabrio“ geentert, dann sofort zurück zur Guitartownparty, aus jedem Winkel dröhnt Musik, auf den ca. 100 Metern spielen geschätzte 10 Bands, zur gleichen Zeit! Ohne Fahrplan, bei aller Spontanität, gehst du hier gnadenlos unter.

Ich stehe zum Finale der Party direkt vorm Molotov, die riesigen Fenster sind geöffnet, Edgar reicht mir ein Bier, ein pawlowscher Instinkt lässt mich danach greifen, in letzter Sekunde ziehe ich zurück: Absolutely No Alcohol In Or Out! Und auf ein 150 kg schweres Texas-Longhorn, egal welcher Hautfarbe, das mir eine rosafarbene Schleife in die Haare bindet, habe ich keine Lust, komisches Wort in diesem Zusammenhang! Was ist schon ein Shiner gegen diese Perspektive?

Ganz anders als „Mariachi-Raul“ die Show der Banjo-Punk-Sisters aus Schweden, Baskery, im Maria Tacos am South Lamar Blvd. Die rocken die Amerikaner mit Kontrabass, Banjo, Snare-und Bassdrum, Harmonica, Akustik-und E-Gitarre, dass denen die Kinnladen runterfallen. Sind immer noch ein Geheimtipp, zumindest auf dieser Seite des Atlantiks. Greta, Stella und Sunniva Bondesson haben gleich vier neue Songs vom demnächst erscheinenden Album im Gepäck. Eindeutig hat sich der Bandsound nochmals weiterentwickelt, insbesondere Sunniva’s Gitarrensound ist runderneuert. Beim finalen „Throw A Bone“ flippen Band und Publikum komplett aus. Standing Ovations! The Queens Of Banjo-Punk! „Greta, I have only one word for you: Unbelievable!“ Hallelujah!!

Baskery

Vor zwei Tagen haben sich die Cowboys im Outback mit Whiskey „Fuckin’ Myers heiser gegrölt, ich schaue mir mit Beate und Edgar heute schon zum zweiten Mal Howlin’ Fuckin’ Brothers aus Nashville an, nee das wird nix mehr mit uns, auch wenn wir da verschiedener Meinung sind, eigenwilliges unalternatives Countryzeug mit dem Charme einer abgelaufenen Großpackung Aspirin. Da spielt die Beherrschung der Arbeitsgeräte nur noch eine untergordnete Rolle. Groovt nicht. Einzig positiver Aspekt, Show war im Saxon. Ist immer cool der Laden!

Die allermeisten Austin-Pilger suchen neue Kicks, also neue Bands, Unerhörtes, nicht Dagewesenes, das tödliche Riff, den Killer-Song, einen Tag schneller sein als der mitreisende Fan, „klar kenn ich Eric Tessmer, du etwa nicht“, um sich dann doch wieder auszutauschen. Ich kenne jedenfalls niemanden, der eine Entdeckung für sich behält. Das ist dann wieder das wirklich Schöne, nichts lässt sich besser teilen als Musik, naja vielleicht der FC … lassen wir das. Da wir schon da sind, werden wir uns auch die wärmstens empfohlenen „Väter der Sonnen“ anschauen, also „Fathers of Suns“, die bleiben wohl wirklich ein Geheimtipp einer kleinen versprengten Gruppierung, die neue Impulse sucht, findet und setzt. Wir ziehen die Show der Sons of Fathers vor. Um es vorwegzunehmen, das Konzert heute Abend und der Auftritt beim Lone Star Fest sorgen für das Voting: Best Newcomer, bei Edgar und mir. „Wide – Open Roots And Folk Rock“, titelt der Rolling Stone, und der muss es wissen, zumindest der amerikanische. Fragile Alternativ-Folksongs voller Anmut, erhaben, schwebend, vom Sextett perfekt in Szene gesetzt, oft laufen zwei Melodien nebeneinander. Die Sänger Paul Cauthen und David Beck sorgen mit differenten Vocals für wechselseitige Spannung, sich und den Hörer dennoch zu jeder Zeit anziehend und einnehmend. Der Roots-Rock-Gaul wird eher selten losgelassen, die Songs, oh ja, die plätschern zu keiner Zeit. Erreichen live Studioqualität. „Motherland“ von den Heathens könnte auch von den Söhnen sein, um mal eine Anleihe zu platziern. Oh Mann, Austin macht mich völlig fertig, morgen wieder ins Waterloo, CD’s suchen. Heavy-Florian, die hätten dir gefallen.

Sons Of Fathers

Das müsste reichen für heute, bringen jetzt Beate zurück ins Hotel, dann doch über die „Fünfte“ (die „Sechste“ ist um die Uhrzeit der Horrortrip) Richtung Riverside Drive, irgendwo dahinten ist ein Laden, der von den Wheeler Brothers gerockt werden soll. Wird nix, selbst Badge-Edgar macht ein langes Gesicht, die typischen „this is the line for badges and this is the line for wristbands“ Anweisungen, komische Vorstellung trotz Wristband draußen zu sein. Da eh schon über die Hälfte rum ist, wieder auf die „Fifth“ dann ins Driskill an der „Sixth“. Nobelhotel, Marmor, edle Bar, noch edlere Bestuhlung, wir lassen uns auf zwei Rokoko-Sesselchen (müsste ja Rockocko heißen) plumpsen, zwischen den niedrigen Sitzen, was wohl (?) genau. Es ist gut angeheizt und wir sind ziemlich müde, nicht die optimalen Voraussetzungen um Mitternacht für Guy Forsyth und später Carolyn Wonderland. Von Forsyth erleben wir nur noch einen Song, soweit ich mich erinnere guter, elektrifizierter Blues/Blues-Rock des texanischen Multiinstrumentalisten, der schon den Austin Music Award einsacken konnte. Kommt auf den Tourplan 2014, sicher!

Guy Forsyth
Von Carloyn Wonderland erleben wir auch nur einen Song, den ersten, da Carolyn auf Blue Rose veröffentlicht und hierzulande nicht gänzlich unbekannt ist, ziehen wir uns geordnet zurück. Einpennen auf dem Stuhl wollen wir der Musikerin und Band auf keinen Fall zumuten. Wir sehen uns!

Carolyn Wonderland

Was für ein Tag – für alle, ich denke da darf ich auch für Florian, Beate und Edgar sprechen. Insbesondere Beate chauffiert uns nachts sicher durch Austin, wir dürften gerade noch Bus fahren.
Völlig unwichtig und überflüssig war der Nichtauftritt des einstigen Indiehelden Nick Cave. Eine wahrhaftig tolle Signierstunde und wer am Vortag das neue Album im Waterloo gekauft hat, bekam ein Wristband, die ersten Hundert davon wiederum ein Autogramm. Ich habe alle offiziellen Cave-LP’s im Schrank, dazu ’ne Menge obskures Zeug, inkl. Birthday Party, mit Indie hat das leider nichts mehr zu tun. Guter Musiker, keine Frage, hierfür dennoch die „Zitrone des Tages.“ Da lob ich mir die Sons of Fathers.

Zeitsprung zurück. Wir erinnern uns: Guitartown-Party.
Um 1:30 p.m. nach James McMurtry trennen sich unsere Wege.
Also, den Fluxkompensator angeworfen und auf zu Teil 2:

Florians Tag:

Die Guitartown-Party ist jedes Jahr klasse, aber was da dieses Jahr parallel angekündigt ist, das klingt zu geil, um wahr zu sein! BugXBug Fest heißt das Event, dessen Lineup ein dermaßener Kracher ist, das ist kaum zu glauben: D-A-D! Crucified Barbara! Crashdiet! Und das ganze umsonst. Die Infos sind allerdings spärlich gesät auf Facebook und der rudimentären Homepage. Immerhin gibt es über eine eventim-mäßige Ticketseite auf 200 Stück limitiere „Poolside-Tickets“ zu ergattern, natürlich wie gesagt kostenlos, aber der Eintritt scheint garantiert zu sein zu dem als „Heavy Metal Poolparty“ angekündigtes Happening. Zwei Stück sind ausgedruckt, hätte ja sein können, dass Gunther die Lust vergeht auf der Guitartown ... Eine Adresse habe ich, im Osten der Stadt, über der Interstate, „Club Metropolis“. Gibt's aber im Internet nichts zu finden. Hm ... am Vorabend habe ich bereits entschieden, das Auto zu nehmen, der Verstand siegt über den Durst. Navi an und mal in die Richtung ... ich durchquere Gegenden, bei denen ich froh bin, dass es hier nicht stattfindet und komme schließlich bei „2200 S. Pleasant Valley“ an. Ein richtiger Club ist dort nicht zu sehen, nur eine Apartmentsiedlung namens Metropolis! Und der „Club“ ist, wie sich herausstellt, direkt an der Pool-Area der Metropolis-Apartments; eine Art Aufenthaltsbereich für die Mieter mit einer kleinen Terrasse Richtung Pool, und auf dieser spielen die Bands. Viele sind sicherlich größere Bühnen mit mehr Bewegungsfreiheit gewohnt, aber das Motto „Heavy Metal Poolparty“ ist hundertprozentig erfüllt. Das wird Rock ’n’ Roll!

PoolParty1

PoolParty2
Die Berliner 70er-Classic Rocker KADAVAR, die erste Band des Tages, habe ich leider verpasst, schade, das Debut-Album ist sehr gut. So startet das Programm für mich mit den Schweden von CRASHDIET. Vorher gibt die coole Heather von BUGGIRL (später an der Reihe) noch bekannt, dass es mehrere Fässer Freibier und Gratis-BBQ gibt. Wie geht das?? „Powered by Wacken“ prangt an mehreren Bannern, aber was macht Wacken hier? Egal, CRASHDIET, die schwedischen Sleazer stürmen die Bühne und haben mal richtig Bock auf Rock. Sie haben leider nur eine halbe Stunde aber heizen am Pool mächtig ein. Anwesend sind vielleicht 50 Nasen, so dass es kein Problem ist, ganz vorne mitzurocken und die Band hat auch sichtlich Spaß. Natürlich kommen die meisten Songs vom neuen Album (das mich noch nicht komplett umgehauen hat, aber live kommen die Songs wie „Cocaine cowboys“ klasse!) und mit ihrem fast schon überzogenen 80er-Glam-Outfit sind die Jungs auch ein optisch richtig cool. „Riot in everyone“ ist natürlich das Highlight des leider recht kurzen Gigs, aber das Programm ist vollgepackt heute. Nach dem Gig mischen sich die Jungs gleich unter das Volk, trinken mit den Fans und feiern, vor allem Sänger Simon und Drummer Eric. Sehr sympathisch!

Crashdiet
Nach dem Gig quatsche ich ein paar Takte englisch mit einem Besucher mit Mammoth-Shirt. Es stellt sich heraus, er ist Landsmann und Wacken-Mitarbeiter. Nun klärt sich auch die Frage, wie das hier geht: Amber und Clinno von BUGGIRL wollten eine SXSW-Party machen. Die australischen Geschwister wohnen in Austin und haben das Wacken, mit dem sie wohl befreundet sind, nach ein bisschen Unterstützung gefragt. Die gaben ein bisschen Support, haben aufgrund alter Seilschaften ein paar Bands organisiert und ein zwei Banner aufgehängt. That's it! Muss echt sagen: klasse Aktion! Da das ganze sicherlich keinen Gewinn bringt für Amber und Clinno, werfe ich gerne 10 Dollar in den aufgestellten Tip-Hängetom und viele tun es mir nach. Die Gastgeber BUGGIRL betreten als nächste die Bühne. „Whiskey soaked Rock ’n’ Roll“ – das kann man so stehen lassen. Irgendwo zwischen AC/DC und Motörhead, Geradeaus-Rock ’n’ Roll ohne technischen Firlefanz und voll auf die Zwölf. Weiß nicht, ob das was für die heimischen vier Wände ist, aber Basserin Heather ist saucool, Sängerin/Gitarristin Amber hat 'ne geile Röhre und Clinno trommelt um sein Leben. Macht live echt Spaß, Musik gemacht für die Bühne. Gerne nächstes Jahr wieder irgendwo!

Buggirl

GYPSYHAWK aus Los Angeles kannte ich bislang ebenfalls nur vom Namen. Bei Metal Blade unter Vertrag (das heißt ja schon einmal etwas) spielen sie, ein wenig untypisch für ihr Label, 70er beeinflussten Classic Rock, der aber entgegen des derzeitigen Trends auf den ganzen Okkult-Krempel verzichtet und gerne Richtung Thin Lizzy schielt. Die Patches auf der Jacke des Gitarristen (Poison Idea und Death) sind hier absolut irreführend. Sehr schöner, klassischer Rocksound, nicht so geradeaus wie Buggirl zuvor, dafür ein wenig verspielter, aber dennoch mit einer angenehmen Grundhärte. Muss mir mal etwas von der Band besorgen!

Gypsyhawk

Heather von Buggirl kündigt CRUCIFIED BARBARA anschließend als „the band everybody's talking about“ an und vielen der mittlerweile vielleicht 100 Zuschauer fallen wahrscheinlich zuerst beim Anblick der vier heißen schwedischen Rockchicks die Augen aus dem Kopf und gleich im Anschluss die Kinnlade runter, als sweet Nicky Wicked zum Motörhead-lastigen Opener „The crucifier“ die Doublebass tritt. Von Nervosität aufgrund ihres ersten US-Gigs keine Spur, sie haben das Publikum spielend im Griff. Klar, alleine von der Optik her haben die vier leichtes Spiel, aber auch musikalisch gewinnen sie mit Sicherheit einige neue Fans heute: schöner halbstündiger Querschnitt durch die drei Alben, klasse Sound (wie alle Bands heute), sympathische Ansagen dazu, ein absolut gelungenes US-Debut. Sind einfach klasse Mädels und wie könnte man denn heute Nachmittag überhaupt auf die Idee kommen, irgendetwas ansatzweise Negatives zu finden: es sind 30 Grad, Sonne, Poolparty, Freibier und Crucified Barbara auf der Bühne. Das ist doch Urlaub, oder? Und: the very best is yet to come!

Crucified Barbara 1

Crucified Barbara 2
Welche Band im härteren Bereich findet wirklich JEDER klasse? Ganz klar: AC/DC! Und für so ein Event wie heute Nachmittag passt eine Coverband der australischen Legende natürlich wie die Faust aufs Auge. Trifft sich gut, dass Buggirl-Amber da eine am Start hat! HELL’S BELLES nennen die fünf sich, Amber macht den Brian Johnson mit der typischen Mütze, Gitarristin Adrian Conner den Angus, passend mit Gibson SG und Schulmädchen-Uniform und der Rest der etwas älteren Ladys bildet – auch AC/DC-like – den bühnentechnisch zurückhaltenderen, aber musikalisch wichtigen Part. Denn mit Zurückhaltung hat es Adrian nun mal gar nicht. Sie rastet vom ersten Takt des Openers (glaube, war „Highway to hell“) aus, walkt Angus-like über die kleine Bühne und verlegt ihren Aktionsbereich dann auch gleich vor selbige. Anfang wirkt das ein bisschen nach Overacting, aber je länger sie man so anschaut, desto mehr hat man das Gefühl: das ist einfach die totale, ehrliche Huldigung. Spätestens zur obligatorischen Strip-Einlage, bei der sie sich bis auf den String auszieht und von Amber auf den Schultern um den Pool tragen lässt. Klasse Party-Gig auf jeden Fall, und auch schön, dass die Setlist nicht nur die totalen Standards enthält, sondern auch mal tiefer in die AC/DC-Kiste gegriffen wird.

Hells Bells
Okay, es ist wieder an der Zeit: wenn es um D-A-D geht, da ist bei mir keine Objektivität möglich. Warum auch? Sie sind die unterhaltsamste Live-Band des Planeten. Und waren seit „Riskin’ it all“ (1991!!!) nicht mehr in den USA. Füllen nach wie vor in Dänemark die größten Hallen, in Deutschland auch von Jahr zu Jahr wieder größere und was machen sie heute? Spielen auf einem kostenlosen Festival vor mittlerweile vielleicht 100 Nasen und fackeln einen Set ab ...!!! Jesper Binzer zählt ein und tickt zum Opener „Isn’t that wild“ gleich komplett aus. So entrückt habe ich ihn noch nie gesehen, nach dem halben Gig springt er ins Publikum und singt von dort weiter. Dass irgendeiner irgendwas nach 1991 kennt, das erwarten sie gar nicht (neben mir steht ein Fan, der vor wenigen Tagen erst bei youtube entdeckt hat, dass es die Band noch gibt und kurzfristig aus Seattle hergeflogen ist!!!), aber nach dem Gig sind definitiv 98 neue Fans da. Was sie in diesen 50 Minuten abliefern, ist die ganz große Rock ’n’ Roll-Schule: mit Party-Krachern á la „Jihad“ oder „Sleeping my day away“, den neueren, moderneren Stücken oder den ganz großen gefühlvollen Nummern wie „Grow or pay“ ist die Setlist perfekt ausbalanciert, Jacob Binzer (wird an der Gitarre immer besser) und Laust Sonne (überragender Drummer) sind die musikalischen Stützen und Basser Stig gibt alles an den zwei Saiten, post wie ein Weltmeister und präsentiert seine abgefahrenen Instrumente. Jesper hat natürlich mit seinen launigen Sprüchen mit seinem dänisch-englisch die Lacher auf seiner Seite: „I couldn’t imagine Americans learning so fast!“ - Mitsingspielchen bei „I want what she’s got“ klappt beim ersten Take und das Publikum ein bisschen beleidigen kommt immer gut! „Monster philosophy“ wird kurzfristig in der Mitte spontan unterbrochen, man wolle erst weiterspielen, wenn jemand in den Pool geworfen wird – dauert nicht lange, ich bin’s zum Glück nicht. Zum Ende hin drischt Laust noch so auf das Drumset ein, dass die Ride-Becken kapitulieren und wirft seine Sticks in die Menge, die ich beide (!!) fange. Heute bin ich egoistisch... gibt sogar später noch Unterschriften auf beiden vom supernetten Drummer.

Ich ziehe alle meine fiktiven Hüte vor dieser Berufseinstellung!!! Oder ein weniger seriös formuliertes Fazit: geiler geht Rock ’n’ Roll nicht.
Es gibt sogar noch zwei youtube-Links zum Gig:

Isn’t that wild und Grow or Pay

DAD1

DAD2

DAD3

Speedözer, die belgischen High-Speed-Rocker sind dann im Anschluss die ärmsten Schweine des Tages, denn nach diesem Auftritt können sie natürlich nichts mehr draufsetzen. Viele Leute sind nach D-A-D gegangen, so dass bei dem Trio nur noch eine Handvoll Fans vor der Bühne steht. Sie legen sich mächtig ins Zeug, drehen die Lautstärke nochmal ordentlich nach oben (zwei Cops schauen auch kurz vorbei), aber leider kommt nicht mehr so recht Stimmung auf. Ich bleibe bis zum Ende und mache mich dann auf den Weg Richtung Downtown; es ist knapp 10 p.m.

AMBER UND CLINNO: DANKE FÜR DIESEN SENSATIONELLEN NACHMITTAG!!!

An Schlaf ist natürlich noch lange nicht zu denken: das Texas Rockfest steht auf dem Programm! Das standhafte Alternativ-Festival geht dieses Jahr in die 14. Auflage, wieder Ecke 7th/Neches. Zwei Bands will ich dort noch sehen. Ich bringe das Auto zurück zum Hotel und auf durch die überfüllte 6th Street. Hier steppt komplett der Bär, gut dass das TRF nicht weit ist und es dort nicht so extrem voll. Die erste Band dort heißt POWDERBURN. Laut Spielplan um elf rum, ich habe sie auch gesehen – denke ich – also, ich habe eine Band gesehen, muss aber gestehen: keinerlei Erinnerung an die. Habe auch kein Foto, dass mir auf die Sprünge helfen könnte. War ein langer Tag. Und habe mir auch zwischen Rückfahrt und (wohl) Powderburn schnell ein paar Bier reingeschüttet, war ja aufgrund Autofahrt nahezu abstinent heute.

Egal, 21st CENTURY GOLIATH, zu denen kann ich etwas sagen. Waren auf dem Bugfest und ihr Gitarrist war von meiner Kutte begeistert. Habe ihm dann versprochen, zum Gig zu kommen später ... sieht mich auch und sofort gehen die Devilhorns hoch. War auch gut, hinzugehen, denn sie sind cool: klasse Hard Rock, trocken, rifflastig, mit einem starken Frontmann. Spielen heute nur zu viert, sagen sie, weil der zweite Gitarrist (der Songwriter) gerade im Knast sitzt. Ein Glück hatte ich die richtigen Patches auf der Kutte ... nee, sind nette Typen! Lustigerweise sind viele bekannte Gesichter vom Bugfest da, auch Crashdiet-Drummer Eric hat noch Lust auf Musik.

BROKEN TEETH anschließend sind alte Bekannte: Jason McMaster (Dangerous Toys) schaue ich mir jedes Jahr an und sie sind auch immer gut. Natürlich weiß ich, was mich erwartet, die totale AC/DC-Kopie, aber immerhin haben sie seit letztem Jahr einen neuen Song („Flamethrower“) und die alten sind ja auch Garant für Live-Spaß. Schaue mir aber nur ungefähr den halben Set an, denn sie fangen mit deutlicher Verzögerung an und gegen eins will ich noch ins „Avenue on Congress“, aufs Rooftop.

Die britischen Newcomer von HEAVEN’S BASEMENT stehen dort an. Leider auch sie mit deutlich Verspätung, eine eher nervige Moden-Metal-Band namens SIX60 lärmt noch zu Ende. Hätte ich Broken Teeth noch länger schauen können ... egal, sind viele nette Leute hier. Auch hier oben auf dem Rooftop werde ich aufgrund meiner Kutte angequatscht, muss Fotos machen und bekomme sogar noch Shiner und Whiskey ausgegeben. Pünktlich zum Heaven’s Basement’s Beginn (gegen halb zwei) kommt dann auch noch Crashdiet-Eric, um die Kollegen zu begutachten. Die jungen Briten haben es (für die heutige Zeit außergewöhnlich) gemacht: sie existieren seit 2008, haben aber nur zwei selbstfinanzierte EPs veröffentlicht. Stattdessen haben sie ein stabiles Lineup auf die Beine gestellt, sich den Arsch abgetourt, zum Teil mit wirklich großen Namen zusammen, und nun 2013 ist die Zeit reif für das Debutalbum. Und das hier etwas gehen wird, für diese Prognose muss man kein Prophet sein: die Band ist top eingespielt, beherrscht die Bühne, die Songs haben Klasse in der Schnittmenge zwischen Classic Rock und dezenten moderneren Anklängen, um auch die Kids aufhorchen zu lassen. Bald in größeren Locations. Lustiges Highlight des Gigs: Drummer Chris fängt seinen hochgeworfenen Drumstick nicht und er landet vom Rooftop irgendwo unten auf der Straße. Wer immer unten lang lief, dachte bestimmt: OK, es ist SXSW.

Nun ist es 2.15 p.m. und wirklich Zeit, ein bisschen Schönheitsschlaf zu bekommen. Der morgige Tag scheint, zur Abwechslung mal stressig zu werden. Steht ein bisschen Live-Musik auf dem Programm ...

Donnerstag, 14. Märzmicro

Qualität siegt und da zu zweit immer ein Platz im Kerbey Lane zu bekommen ist, wählen wir halt diese (Omelett-) Variante. Ein weiterer Vorteil, wir sitzen nicht, wie gestern im Threadgills, unter einem an der Decke aufgehängtem Flügel (!), mit einer sehr lässigen amerikanischen Befestigung. Der deutsche TÜV wäre bei Besichtigung in Ohnmacht gefallen.

Plattenläden habe wir bisher kaum zu Gesicht bekommen, außer „Waterloo“, „End of an ear“ und „Lone Star“, Zeit einfach zu knapp. Und dass das heute besser wird, dafür sind die Prognosen eher ungünstig, angesagt ist die legendäre New-West-Label-Party. Beziehungen schaden bekanntlich nur dem, der keine hat, uns also nicht, glücklicherweise versorgt uns Edgar mit Tickets. Die obendrein vier freien Drinks und das gute Gratis-Essen (jaja, das gibt es tatsächlich, lecker B-B-Q, Salate) nehmen wir dankend mit, aber auschlaggebend für unsere Anwesenheit ist das sicher nicht. Den ganzen Tag Livebands, Biergartenwetter, rumlungernde Musiker wie Willie Nile, Shurman oder der stets betrunken auftauchende Motorcars-Cousin, das Line-Up, u. a. John Hiatt, welche Rolle spielen da ein paar Freibier? Keine! Uns laufen Henk und Gerard aus Holland über den Weg (Fußball klammern wir barmherzig aus), unglaublich, die haben wir letztes Jahr genau auf dieser Party getroffen. Die Welt ist manchmal tatsächlich ein Dorf. Wir haben heute Geburtstag, nicht Florian, ich sowieso nicht (habe beschlossen nicht mehr älter zu werden), unsere kleine, bescheidene, manchmal unvermögende, manchmal ätzend-bissige Homepage, wird ein Jahr alt. Wir haben es tatsächlich geschafft, ein paar Leser einzusammeln, dazu am Ende der Story noch ein paar Worte. Die ersten, die nach uns von unserem Kick-off Kenntnis hatten, waren Henk und Gerard. Wenn das nicht mindestens eine Runde Rita’s wert ist. Apropos Rita’s: Der Bartender und seine ihm sekundierende Black Beauty zucken bei unserem Anblick zusammen, haben wir doch vorgestern bei der Feed-The-Soul-Party eine gefährliche Schneise durch die zum Kühlschrank umgewidmete riesige Zinkwanne, einst gut gefüllt mit Shiner, gezogen. Der weiß definitiv Bescheid, nur Qualititäts-Tequila in den Becher. New-West-Party, let’s rock!

Der Starter (für uns) ist Austin Lucas, nach der Taxi-Slapstick-Einlage wissen wir, dass Austin in Austin auch gerne ein Vorname ist. Uns sagt er bisher nichts, eventuell ja Edgar, Chill sowieso. Auf jeden Fall spielt er meist wehmütige Countryballaden, schleppend, aber nicht vor Sentimentalität triefend. Hat schon einige Alben veröffentlicht, und anderem sogar eine Single mit der Folk-Punk-Legende und Florian-Fave Chuck Ragan. Kann also so übel nicht sein, wir waren evtl. noch nicht auf den Sound gepolt. Kann ja mal vorkommen. Wer eine Scheibe mit „At War With Freak Folk“ auf den Markt wirft, hat Aufmerksamkeit verdient. Neues Jahr, neue Chance!

Daniel Romano & Band (Gitarre, Bass, Drums, Pedal-Steel) kann uns nicht richtig überzeugen. Unsinn, der kann uns überhaupt nicht überzeugen, mit seinem aktuellen Output „Come Cry With Me“ trifft Romano den Nagel auf den Kopf, „Come Order With Me“, ziehen wir ab Richtung Bar, da sind auch die Aussichten besser (Black Beauty). Nee im Ernst, Alternativ Country war nicht zu entdecken. Kam rüber wie gewollte Songwriter-Selbstverständlichkeit mit einem lauen Countrylüftchen. Kannst du auf jedem Rasthof hören. Mag sein, dass wir ihm Unrecht tun, die 30 Minuten waren jedenfalls ziemlich belanglos. Schade.

Daniel Romano
Wir nutzen das Free-B-B-Q, blödes, rücksichtsloses Gedrängel, wie das in Deutschland bei „fer umme“ sicher der Fall wäre, gibt es hier nicht. Wir setzen uns zu ein paar Freak-Amis mit Cowboy-Hut, ausgelatschten Stiefeln und Countryhemden an den Tisch. Es ist 2:00 p.m., und unser Laminated (das ist der Pass, der den Zugang zur Party ermöglicht) hat schon vier gnadenlose Löcher, will sagen, unsere vier Free-Margaritas sind, schwupp, einfach fort. Ab jetzt Trockendock oder pay cash.
Die Unterhaltung der Freak-Amis neben uns dreht sich um Apple, iPhone, Facebook, Internet und auch um die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Nachteile.

Nach ein paar Minuten stehen wir wieder vor der Bühne, die jetzt gerade von Corb Lund bespielt wird. Das ist ein echter Vollfreak, Cowboyhut, Countryhemd, Jeans, ausgelatschte Stiefel, saß übrigens gerade neben uns am Tisch. Wow! Wir hatten ja so was von keine Ahnung, der ist hier richtig angesagt. Ein bisschen Country, Story-Telling-Blues, Rockabilly und Hillbilly, Old-Time-Music also, die unsichtbare Lücke zwischen Shooter und Hayes schließend und mindestens genauso cool. Tolle Band mit Stehbass, der ist hier wohl Pflicht, zwei E-Gitarren, Schlagzeug. Bärenstark, Gruß an Daniel Romano.

Corb Lund

Über John Hiatt haben wir auf unserer Seite ja schon einiges geschrieben. Der einzige Grund warum wir heute überhaupt auf den völlig verunglückten Auftritt eingehen, ist seine Anwesenheit. Diese zu verschweigen, wäre nicht gerechtfertigt, zumal davon auszugehen ist, dass John Hiatt die misslungene Show nicht zu verantworten hat. Der Sound war derartig übel gemischt, Gitarre zu laut, Vocals viel zu leise, bei einem Solo-Auftritt doppelt fatal. Auch aus dem Publikum deutlich erkennbare Handbewegungen Hiatts Richtung PA führten zu keiner spürbaren Verbesserung. Entnervt und verärgert verlässt einer der Mitbegründer des American-Genres nach ein paar Songs, u. a. „Thing Called Love“, die Bühne. Das inzwischen gewohnt schaurig-schräge Outfit (stilsicher!), kariertes Hemd, gestreifte Krawatte, ist gerade noch eine Randnotiz wert. Steht ja nochmals auf dem Zettel, morgen im Parish. Mal sehen, nein, mal hören!

John Hiatt

Ganz anders die zwei Buddies, Buddy Miller und Jim Lauderdale, seit 30 Jahren befreundet, seit 15 Jahren ein Album in Planung, jetzt hat’s endlich geklappt. „Buddy & Jim“ ist feinste Americana-Kost, kalorienreich aber kein Mainstream, auch wenn Jim Lauderdale zumindest bei der New-West-Party näher am Country ist als sein Buddy, der irgendwie auch cooler rüberkommt. Kommerzfrei, rootsy, bodenständig, wobei Miller als der bessere Gitarrist gilt, jedenfalls in der Country-Bluesfraktion. Millers brillantes Album „Universal United Hous Of Prayer“ („… represents Nashville’s best hope for hard-country consciousness …“) gehört in jede Rootssammlung, die dem Anspruch gerecht werden möchte. Haben das Zeug zur Legendenbildung. Wide River To Cross. Bei diesem Wetter im Biergarten, zwei Freaks, zwei Gitarren, zwei Shiner. Und Jim lächelt smart.

Jim Lauderdale und Buddy Miller

Erinnert ihr euch noch an die Achtziger? Schlimme Sache, Bronski Beat, Sigue Sigue Sputnik, Simply Red (Simply Stupid), ganz übel, Toto, hey, jetzt setz ich noch einen drauf BJH, schreibe ich nicht aus, diese Buchstabenkombination ist auf meinem Rechner gesperrt. Wer was auf sich hielt, der hatte Zappa im Schrank, „Jazz From Hell“, auch wenn das Ding niemand (da bin ich mir sicher) verstanden hat, oder ebenso schräg, „Ship Arriving Too Late To Save A Drowning Witch“, Typen mit Zappa-Kinnbärtchen, spindeldürr, in abgeschabten Lederpellen, den Kontrapunkt lieferte die Barret tragende Folkfraktion, stets vergeistigt, anzutreffen zwischen Buchladen und Szene-Cafe, mit viel Zukunft und Richard Thompson auf’m Teller. Mir war der ausschließlich als britischer Folkerneuerer in Erinnerung. Umso erstaunlicher, was der inzwischen in Kalifornien lebende Thompson hier mit klassischer Triobesetzung, Taras Prodaniuk am Bass und Michael Jerome an den Becken, auf der Rootsparty (meistens) abzieht. Folkelemente sind, wenn überhaupt, nur noch rudimentär vorhanden, sperriger Triosound und ein statisches Schlagzeug, durchaus gewollt, flankieren Thompsons schneidende Gitarre. Das ist 70er Rock, Jamrock, RobinTrower spielt Verwandtes, unbelehrbar und gut seit drei Dekaden. Meine Erwartungshaltung war eine ganz andere, wenn der Beobachter für Häutung bereit ist, war die Show auf wundersame Weise eigensinnig bis sehr gut. Produziert hat das in Nashville aufgenommene Album Roots-Ikone Buddy Miller. So schließt sich der Kreis.

Richard Thompson
Genau wie am Vortag trennen sich heute unsere Wege ... hier zuerst

Gunther’s Resttag:

Nach Richard Thompson ist es genug, ein Teil der deutschen Liga ist schon vorher Richtung Rich Hopkins abgezogen. Der spielt in irgendeinem Cafe an der South Congress. Letztes Jahr schon zwei Mal verpasst, das darf nicht wieder passieren. Rich is must have! Ich stolper in Barton Springs rum, bis mir auffällt: falsche Richtung, was soll ich jetzt am South Lamar, das Saxon ist erst heute Nacht angesagt? Kehrtwendung, zurück zum Threadgills, Florian in die Arme gelaufen, peinlich ist mir das nicht, evtl. dann morgen. Also, ich finde auch auf die South Congress, in Höhe Continental, reiht sich Club an Club, vielmehr Parkplatz an Parkplatz. Lande zuerst in Joe’s Cafe, großes Open-Air-Gelände, erlebe den Rest einer ziemlich straighten Countrykapelle, da sind bestimmt 1.000 Nasen vor Ort. War genauso gut wie unbekannt, für mich, was hier keine Kunst ist, von den vielleicht 4.000 Bands die antreten, kenne ich 3.900 nicht. Wieder rüber auf die Continental-Seite, zwei Parkplätze oberhalb tobt das Lone-Star-Fest, da laufe ich dann Edgar und Beate in die Arme, Edgar hat den Rock ’n’ Roll-Ausrüster gewechselt. Erwische ihn mit Margarita in der (nicht an) der Hand. Hier gibt es nur Lone Star, das haben die Veranstalter wohl zu wörtlich genommen. Ich teste eines an und muss feststellen: Edgar du hast ja so was von Recht! Insgesamt ein durchaus passendes Gelände, es gibt jede Menge Freaks, einiges an Handcraft-Schnickschnack und ein wirklich „feines Toilettchen“. Der Planet sticht mit voller Kraft. Immer schön senkrecht auf den Parkplatz drauf. Fluchtmöglichkeiten gibt es keine.

Die Sozialisation von Javi Garcia verlege ich jetzt kurzerhand nach Mexico. Bleibt keine andere Möglichkeit. Garcia beruft sich gerne auf Steve Earle’s „You Know The Rest:” (El Corazon)

Davey Crocket went out to Texas
To fight at the Alamo
Old Will Travis never told him
Texas is in Mexico

It’s a bloody mess
You know the rest“

Javi Garcia

Für den Sound gilt das leider nicht, ich denke da an den Steve-Earle-Verweis. „El Corazon“ war eines der vielen Meisterwerke des Grantlers Earle. Garcia hat ziemlich intensives Mexico-Feeling im Blut, das Septett besteht aus Trompete, Saxofon, zwei Gitarren, Keyboards, Bass, Schlagzeug. Starker Tex-Mex-Groove und wer darauf abfährt, dem wird das gefallen, Fans sind einige da. Der selbst betitelte „Next Big Bang“ ist das „Mariachi-Country-Tex-Mex-Balladen-Ding“ nicht. Hatte auch nur Füllfunktion. Ziel erreicht, rüber ins Jovita’s, wieder ein Parkplatz, gegenüber Joe’s Cafe. Hier kannst du getragene Klamotten und ausgelatschte Cowboy-Boots zu Schnäppchenpreisen ergattern. Everything must go. Everyday! Wir sind eher wegen Ricardo hier, also ich meine Rich, genau, der Rich Hopkins. Aber nicht mit den Sand Rubies, auch nicht mit den Luminarios, (die waren vor zwei Stunden dran, mal wieder verpasst, aber dann hätte ich Richard Thompson nicht gesehen), der Hammer, mit den legendären (die haben die Kategorie „Legendenstatus“ verdient) Sidewinders aus Tucson, Arizona. Kennen die Amis nicht (mehr) und in Deutschland auch kaum (noch nie) ein Aas. Begründer des Desert Rock und seit zweieinhalb Dekaden nicht mehr gemeinsam und offiziell aufgetreten. Bevor Namensstreitereien mit einer gleichnamigen US-Countryband die Sidewinders zu den Sand Rubies werden ließen, wurden drei (schwer gesuchte) formidable Longplayer, von den Masterminds der Band, Rich Hopkins und David Slutes, in das Wüsten-Rock-Universums katapultiert, „Cuacha“, „Witchdoctor“ und „Auntie Ramos’ Pool Hall“. Der Titelsong „Witchdoctor“ vom gleichnamigen Album erreichte 1989 immerhin Platz 18 in den US Modern Rock Charts. Wer die Alben hat, festhalten, die gibt es nirgends. Obwohl Rich Hopkins inzwischen in Houston lebt, spielen die hier und heute nur vor einer Hand voll Eingeweihter, von denen ein Drittel aus Deutschland kommt. Eine Schande, wenn man bedenkt, welche Musiker auf dem Asphalt stehen. Rich & Sidewinders geben uns das volle Programm, Desert-Highspeed, Fuzz-Gitarre, immer bereit zu einem messerscharfen Solo, selten unter fünf Minuten. Kompromisslos, schnörkellos, wah-wah, staubtrocken und keinerlei unnötiges Beiwerk. Die bringen’s auf den Punkt. Ehrlich, wahnsinnig, da ist jeder Musiker in seinem ganz eigenem Universum angelangt um dann doch von Rich’s schneidender Gitarre wieder eingefangen zu werden. Und der Fünfer (rg, dr, b), der trotz der instrumentalen Oberklasse Hopkin’s als Band auftritt, lässt dem Meister den notwendigen Raum zum Solieren um Ricardo dann wieder einzusammeln. Schließ die Augen, du kannst die Kakteen spüren, Wind streicht, eine Tür klappert, der Ventilator dreht sich träge, der Schaukelstuhl auf der Veranda wippt langsam, selbst die Klapperschlangen liegen heute nur faul in der Sonne rum. Nach etwas mehr als einer halben Stunde ist der Traum vorbei. Next Exit: Heilbronn, Red River, 27. April! Hingehen, Leute! Zurück zum Lone Star Fest.

Sidewinders

Edgar palavert ein paar Takte mit den Sons of Fathers, bekommt einen bunten Strauß an CD’s geschenkt, was auch für mich durchaus von Interesse ist. Der Versuch im Home Slice Pizza Plätze zu reservieren, scheitert kläglich. Wartezeit bis zu einer Stunde! Pizza? Scheiß drauf, im Saxon steht noch Brandon Jenkins an, das ist wichtig! Pizza? Also zu Fuß wieder runter ins Threadgills, es ist rush hour und hinter dem monumentalen Congress verabschiedet sich gerade die Sonne auf malerische Weise. Fast schon kitschig, fehlt nur noch das Sonderpreisschild am Sonnenuntergang. Mit im Schlepptau ist Wolfgang, der sich dieses Jahr in das Rock ’n’ Roll-Abenteuer ohne Wristband gewagt hat. Funktioniert soweit ganz gut. Für uns wäre das (noch) nichts, naja, sind ja auch ein paar Jährchen jünger, bei Florian sind’s sogar Epochen. Schnell was essen, dann ins Saxon, Beate fährt, ist auch besser so!

Ein Parkplatz ist gut zu bekommen, kann also nicht so voll sein. Eine der vielen Erfahrungen ist, sofort Band, Künstler, Stil, ggf. Venue zu notieren. Auf der kleinen Bühne des tatsächlich nur halbvollen Saxon Pub steht Parker Millsap. Parker who? Newcomer? Anscheinend, mir ist Parker bisher völlig unbekannt. Aus Austin? Wohl eher aus Red-Dirt-Oklahoma, Purcell. Platten? Fehlanzeige, es gibt aber ein paar MP-3 Dateien zum Laden. Mugge? Folk/Folkblues, beheimatet im tiefsten Süden der USA, irgendwo im Delta, Songs voller Fernweh, vorgetragen mit Gitarre, Harp und dezenter Raspelstimme, Anspieltipp z.B. „Central Pacific“ oder auch „Palisade“. Erinnert an die Solosachen von Colin Brooks. Fakt ist, wenn es ein Rock ’n’ Roller als official Showcase auf die Bretter des Saxon geschafft hat, ist das ganz sicher kein musikalisches Leichtgewicht, zumal im Saxon eine Handschrift bei der Auswahl der Künstler erkennbar ist. Hier verdirbt sich keiner den Magen, es sei denn, dass der „Käse Ra“ muss. Wie auch immer, ich bleibe dran an Parker Millsap (Edgar und Chill) und liefere 2014 nach. Versprochen. Gekommen sind wir ohnehin wegen Brandon Jenkins. Mitglied der immer größer werdenden Red-Dirt-Szene, beheimatet im Norden von Texas, eigentlicher Geburtsort irgendwo da draußen in Oklahoma, weites Land! Red Dirt schließt die Lücke zwischen Country und Rock, kein Countryrock, das wäre viel zu einfach! Cody Canada hat zu Cross-Canadian-Ragweed-Zeiten sehr treffend bemerkt: „It’s country, folksy, it’s bluesy, it’s rock, and it’s just blue collar music. It’s a lot about the lyrics. It’s a lot about the feeling of it. It doesn’t have a label, I guess. It’s everything from Merle Haggard influence to full blown Rolling Stones“. (Website: Red Dirt Breeds Music). Yes, that’s it, and it’s really handmade! (Gunther)
Unbedingt trifft das auf den sanften Hünen Brandon Jenkins zu. Ein Riese, omnipräsent auf der Bühne, reichlich verziert, zuerst furchteinflößend, allerdings erlebt der Zuhörer dann einen sehr sympathischen Menschen und Musiker der nichts Furcht erregendes an sich hat. Gehen wir mal davon aus: auch nichts in sich hat. Jenkins legt ziemlich knackig los „Under The Sun“, wechselt zwischen E- und Akustikklampfe, sein Powerduo an Bass und Schlagzeug, steht ihm hellwach groovend zur Seite, die akustischen Momente bleiben roh und doch voller Sanftheit. Von der neuen CD „Through The Fire“ machen Edgar und ich zumindest einen Song aus. Typischer Triosound, der im Laufe der Show von kräftig rockend immer mehr Richtung leicht federnd abdriftet ohne dabei an musikalischer Klasse einzubüßen. Über allem thront die knarzige Stimme und der imposante Habitus. Sound für Zurückgelassene, Verlierer die immer wieder aufstehen, vom Leben gebeutelte und fast möchte man meinen, dass Jenkins selbst ein solcher ist, sein muss. Autobiografisches ist da sicher enthalten, dass kann sich auch ein Oberfreak wie Jenkins nicht alles ausgedacht haben. Vierzig viel zu kurze Minuten vergehen im Flug, wird wohl mein Sieger des 13er SXSW. Am Merchstand wollte ich ursprünglich meine noch große Brandon-Jenkins-Lücke schließen. Wenn ich richtig mitgezählt habe, kursieren inzwischen neun Veröffentlichungen auf CD. Wenn die nur annährend die Qualität und das Feeling von „Under The Sun“ erreichen und mich ebenso berühren, dann müssen die ins Regal. Alle! Aus „Collector-Correctness“ lasse ich die heute liegen, auch wenn mir bewusst ist, dass ich dem Künstler direkt hätte helfen können. Nächstes Mal wähle ich wohl den Mittelweg. Herr Heckmann, Katalog aufpolieren und bitte liefern!

Brandon Jenkins

Ganz ehrlich: richtig Lust habe ich nach Jenkins’ sensationellem Auftritt ohnehin nicht mehr auf Livemugge, so eine Show muss sich erst setzen, auch dann, wenn die Aussichten Emmylou Harris und Rodney Crowell heißen. Ausverkauft! Auch Badge-Träger habe schlechte Karten, vielmehr schlechte Badges! Wir lassen das Antone’s rechts liegen biegen ein Richtung Hotelparkplatz, liefern Beate ab und schlappen ins Woodrows zu Shiner und Tagesrückblick. Es sind noch angenehme 24 Grad, habe immer noch Gänsehaut. Bin gespannt, was Florian erlebt hat.

So, die Uhr zurückgedreht. Es ist circa 17:45 Uhr, als wir uns im Threadgill’s Beergarden heute zum letzten mal sehen. Hier kommt ...

Florian’s Resttag:

Mein Weg geht zurück Downtown, am Sandwichladen von gestern vorbei zum kurzen Dinner und dann auf das altbekannte Gelände 7th/Neches zum Texas Rockfest.

LA Velvet aus ... ja, natürlich aus Los Angeles, sind die erste Band die ich dort sehe. Die Multi-Kulti-Band spielt sehr kommerziellen und tanzbaren Rock, so grob in die No Doubt-Ecke, vielleicht einen Tick härter, aber nicht zu sehr, um die Mainstream-Radio-Hörer nicht zu verschrecken. Ein paar nette Melodien sind auszumachen, der Sound rutscht schön ins Ohr, bleibt dort aber nicht wirklich hängen. Dass die Band aber trotzdem ziemlich gut ankommt, hat andere Gründe: dem bolivianische Frontluder Laura V frisst das Publikum aus der Hand. Sie versucht gar nicht erst mit subtilen Reizen zu punkten, sondern hat sich in ein Top und eine Lederhose gezwängt, die so gerade eben passen und hat alle Posen von „in die Knie gehen, um den tiefen Ausschnitt zu präsentieren“ bis „rhythmisch mit dem Hintern wackeln“ perfekt drauf. Zusammen mit dem fluffigen Sound der Band bei strahlendem Sonnenschein ist das ein nettes Gesamtpaket.

LA Velvet

Justin Black ist ein alter Bekannter; 2010 hatte ich ihn im Momo’s (R.I.P.) durch Zufall entdeckt und jedes Jahr steht unser Buddy auf der Must See-Liste. So richtig viel getan hat sich in den letzten zwei Jahren nicht bei ihm: er spielt wieder auf dem Texas Rockfest, heute im Vorabendprogramm ... weitere Auftritte neben seinen zwei TRF-Gigs: Fehlanzeige. Eine neue EP gab es 2011, die wurde aber nicht beworben oder verkauft, scheint ein persönliches Ding für ihn zu sein. Die Rhythmusgruppe ist neu, die Songs im Grunde aus dem Vorjahr bekannt und liveerprobt und wieder mit viel Seele gespielt und gesungen. Jetzt müsste man sie nur mal veröffentlichen, denn 15 Mann, die das auf dem Texas Rockfest heute interessiert sehen, das reicht halt nicht, auch wenn sein melancholischer Rocksound sehr gut ankommt bei den wenigen Anwesenden. Aber ein bisschen darf man optimistisch sein, dass er etwas aus seinem zweifelsohne großen Talent macht, einen kleinen Merch-Klapptisch hat er heute mitgebracht, verkauft das eine oder andere Album nach der Show und hat für uns jeweils die 2011er EP und eine Demo-CD mit drei neuen Stücken dabei. Und eine neue Rock-CD mit Band The Big Heart ist in der Mache und soll 2013 kommen. Ich freue mich drauf ... Justin ist definitiv ein guter und hätte es verdient, mal vor ein paar mehr Leuten zu spielen. „Good Times“ (live vom Texas Rockfest)

Justin Black

Viel größer könnte der musikalische Bruch von LA Velvet zu Hexvessel gar nicht sein. Die Finnen sind mir lediglich vom Namen her ein Begriff, den hatte ich im Zusammenhang mit dem holländischen Roadburn Festival aufgeschnappt, was ja schon einmal eine gute Referenz ist. Mehr weiß ich nicht, als ich mich auf die Suche nach dem Hideout in der Congress Ave. mache. Liegt ja alles nah beisammen hier, zum Glück. Das Hideout ist ein Café, ein Sandwichladen ... zuerst denke ich, ich bin falsch, aber am Ende des schlauchförmigen Ladens befindet sich ein Tür mit einem Zettel dran und ein Securitymann davor. Und der öffnet den Weg ins „Hideout Theatre“, ein dunkles, erstaunlich großes ... ja, Theater! Mit aufsteigenden Sitzreihen, ein bisschen eng, aber absolut cool und gemütlich; ziemlich abgefahren, so etwas quasi im Hinterzimmer. Hexvessel sind bereits am Spielen und für ihren Sound ist das auch die perfekte Location, keine überfüllte Bar, keine Open Air-Bühne, sondern dunkel, ruhig und intim muss das sein. Mit ihrem düsteren (ich nenne es mal) „Okkult-Doom-Folk“ nehmen sie das Hideout für sich ein, sehr reduzierte Arrangements, wenig verzerrte Gitarren, sehr folkig und psychedelisch. Interessanterweise schafft es Percussionistin Marja, die nur eine Standtom und ein bisschen Kleinkram dabei hat, mit dem perfekten Einsatz z. B. von Glöckchen oder Rasseln den düsteren Kompositionen noch den letzten Kick zu geben. Die in Blau- und Rottönen gehaltene Lightshow setzt dem richtig tollen und stimmungsvollen Auftritt die Krone auf. Am Merchstand nehme ich noch beide CDs mit, auch wenn das im heimischen Wohnzimmer wahrscheinlich nicht so intensiv rüberkommt. Habe noch nicht viel über die Band rausfinden können ... es würde mich nicht wundern, wenn der eine oder andere Musiker hier einen Black Metal-Background hat.

Hxvessel

Ein bisschen Leerlauf anschließend auf meiner Running Order ... ich entschließe mich, der Songwriter-Nacht in der St. David’s Church einen Besuch abzustatten. Schön mal ein Stündchen gemütlich sitzen, das passt jetzt, und Henry Wagons klang auch recht interessant auf der SXSW-Seite ... „one of Australi’'s greatest and most entertaining performers“! Gut, Promo-Gelaber meistens ... aber Wagons ist wirklich cool und unterhaltsam. Ein reichlich schräger Vogel, optisch (Backenbart und riesige Nerdbrille), von den Bewegungen her und irgendwie das gesamte Auftreten. Dazu Songs mit sehr skurrilen und schwarzhumorigen Texten und der Sound des Trios, der zwischen Songwriter und Alt. Country pendelt und mich mehr als einmal an Ray Wylie erinnert. Sehr gut!

Henry Wagons

Amanda Shires darf als nächste auf die ... na ja, eine Bühne ist das ja nicht hier, sie darf eher vor den Altar. Das kennt sie, denn sie ist seit wenigen Wochen mit Jason Isbell verheiratet und bringt diesen auch gleich mit als musikalische Unterstützung. Gut so, denn die Geige stand schon drohend neben dem Mikroständer. Amanda führt charmant und freundlich durch ihr Programm, aber ihr Sound gefällt mir nicht ganz. Sie ist eine klasse Musikerin mit guter Stimme, aber ihre Musik ist mir deutlich zu textlastig; das hat in meinen Ohren schon teilweise etwas von Storytelling, wie viele Songs mit Vorgeschichte eingeleitet werden. Die Stücke selbst haben kaum einprägsame Momente und eine mir etwas zu traurige, leidende Stimmung. Ich glaube, für das Gesamtpaket und das intensive Zuhören ist es für mich einfach heute schon zu spät. Natürlich schaue ich den Gig aber zu Ende und mache mich dann wieder auf zum Texas Rockfest.

Amanda Shires

D-A-D, die zweite. Die beste Dänische Band aller ... ja, Ihr wisst schon. Aber leider, leider ... scheiß Verzögerung auf dem Texas Rockfest. Eine Band sind sie hintendran, so dass ich alte Bekannte wieder sehen muss. The Hectic habe ich im 2012er Bericht ziemlich unsanft als unterklassigen Slipknot-Klon abgewatscht und nach dem Gig heute habe ich der Band damit vielleicht ein wenig Unrecht getan. An Slipknot erinnert mich heute nicht wirklich viel, dafür fehlt das Wilde, sie lassen mich heute eher an eine Mischung aus Mudvayne und Neo-Thrash denken; natürlich eine unterklassige. In meinen Ohren haben die nach wie vor keine drei guten Riffs auf der Pfanne, dafür einen Sänger in ihren Reihen, der von einem Klasse-Shouter wie Corey Taylor so weit entfernt ist wie wir von der Heimat und diese Flitzpiepe an den Keyboards/Samples packt immer dann, wenn er nicht an den Tasten rumstümpert, seinen Rauchwerfer aus dem Vorjahr aus oder schockt das Publikum mit gruseligen roten Laser-Effekten aus seiner Maske. Das Zauberwort heißt „Proberaum“, Jungs.

Das richtig Ärgerliche ist aber, dass ich aufgrund dieser Krachmaten
D-A-D
verpasse. Der Umbau für Denmark’s Finest im Anschluss dauert auch noch mal länger, so dass sie mit einer guten Stunde Verspätung erst auf die Bühne gehen. Zwei Songs höre ich mir an, „Isn’t that wild“ und „Jihad“, aber die Uhr tickt. D-A-D sind klasse wie immer, aber die Stimmung auf dem Texas Rockfest heute recht aggressiv, viele Vollgesoffene hier, die wohl nur ein bisschen stressen wollen ... von daher fällt mir der Abschied um 0:40 Uhr nicht so schwer, zumal ich sie ja gestern in Weltklasse-Form gesehen habe.

Den Abschluss für heute macht Butch Walker, den mir Jennifer aus dem Saxon Pub letzte Woche ans Herz gelegt hat. Also noch einmal ein Kirchenbesuch heute, in die deutlich größere Central Presbyterian Church. Diese ist erstaunlicherweise trotz der späten Uhrzeit rappelvoll und Butch Walker wird im recht jungen und überwiegend weiblichen Publikum euphorisch empfangen. Seine größten Erfolge hatte er wohl als Produzent (Fall Out Boy, Pink, Avril Lavigne), seine eigene Musik klingt aber ein wenig anders als die seiner Schützlinge. Er eröffnet solo am Flügel mit drei balladesken Stücken (dramaturgisch fragwürdig), aus denen auf den ersten Blick US-Pathos trieft (ich schnappe beim Opener die Worte „returned from a Gulf war“ auf), ehe seine Band auf die Bühne stürmt, einstöpselt und aufdreht, dass fast das große Kreuz an der Wand auf den Altar fällt. Die Stimmung ist fantastisch, das Publikum nicht mehr auf den Sitzen, sondern allesamt vor der Bühne versammelt und Butch ist ein sympathischer, cooler Typ ... nur seine Musik, die zündet bei mir nicht. Ich kann nicht sagen warum, es fehlen irgendwie die griffigen Nummern, irgendwie tönt das Ganze ein wenig überladen und ziellos. Vielleicht ist es aber einfach auch nur zu spät, da die Uhrzeiger stramm auf die „2“ zugehen. Wie auch immer, für Butch Walker ist der Gig ein voller Erfolg.

Butch-Walker

Anschließend ist für mich heute auch definitiv Schicht; morgen steht ja auch noch ein bisschen Musik an!

Freitag, 15. Märzmicro

Zwei „Early-Bird-Shiner“ abgezogen, mit Florian den Tag ausgetauscht, nach gefühlten 4 Stunden Schlaf (Florian = 5 Stunden) stehe ich schon wieder unter der Dusche um gut eine Stunde später beim Frühstück im Maudie’s (am South Lamar) festzustellen: eigentlich könnten wir schon wieder duschen, die meisten Tische hatten schon länger keinen Kontakt zu einem „Putz-Lumpen.“ Gehen wir mal großzügig davon aus, dass die Salsa so hot ist, um alles zu desinfizieren. Auf jeden Fall ist es gut und günstig. Die Toilette belegen wir mit einem deutschen Bann-Strahl, hey was für Wortspiele, nein im Ernst, zurück ins Hotel. Da warten nur die RiBBBy’s und die sind ja fast schon Angestellte. Florian bearbeitet unsere Facebookseite und chillt.

Keine Ahnung, was mich im Friends bei der Six Shooter Party erwartet. Wer mich erwartet, schon eher: Edgar und Beate! Liegt auf der Hand, besteht doch zwischen dem kanadischen Indielabel und den schwäbischen Roots-Rosenzüchtern eine Kooperation. Die Ahornblätter haben ein paar interessante Bands am Start: Whitehorse, Luke Doucet, Amelia Curran, Jenn Grent, NQ Arbuckle oder auch Melissa McClelland, um nur einige zu nennen. Alles Hochwertig, eine Entdeckungstour lohnt sich allemal. Wer auf die Mugge nicht abfährt, kann das hier trotzdem genießen. Es ist nicht nur Six Shooter Party angesagt, das ganze läuft unter der Headline „Kanada-Tag.“ Free Beer & Free Lobster! Vor ein paar Jahren habe ich zwei Kalifornier getroffen, die Ihren Tourplan nach Showcases und Venues mit Free Beer ausgerichtet hatten. Auch ’ne Idee, und wenn der Sound dann lau ist, kannst du dir wenigstens günstig die Lichter ausknipsen. Der Nachteil an derartigen Shows: man begegnet eigenartigen Leuten, Sparfüchse die mit Musik nicht mehr so viel am Hut haben und den Tipkübel ungeniert ignorieren, schlimmer noch, einen Dollar übrighaben (aber gerne noch ein T-Shirt einkassieren), für Musiker die sich krummmachen und uns durch den Tag bringen.

Also wie auch immer, zum Lobster schaffe ich es erst gar nicht, dass mit dem Free-Beer zieht schon irgendwie. Leider ist das Shiner aus, also Kompromissbereitschaft demonstrieren und mit einem Lone Star zufrieden sein. Die Aussage von „Country-Dale“ „Lone Star is the best beer in the world …“ ist natürlich Unsinn.

Gemeinsam sehen wir In-Flight Safety aus Halifax, Neu Schottland. Und so ist der Sound dann auch, kanadisch-irisch-walisisch-schottischer Touch meets Indie – R.E.M. (also frühe), gute Rockmusik, auch an Energy Orchard, Del Amitri und ein wenig an The Alarm erinnernd, pendelnd zwischen Independent Rock und etwas Wave. Der Vierer bestehend aus Glen Nicholson (dr), Brad Goodsell (b), Daniel Ledwell (keyb, g, b-voc) und John Mullane (g, voc) löst um diese schwierige Tageszeit, es ist High Noon, die Aufgabe durchaus souverän. Könnte im anspruchsvollen Rock-Radio laufen, da sich Qualität im Funk großflächig zurückgezogen hat, liefern In-Flight Safety den Grund, sich die zwei Alben „The Coast Is Clear“ (2006) und „We Are An Empire, My Dear“ (2009) in’s Regal zu stellen. Das Bier war ja gratis, ja dann … Gute Band, gern gespielte Zugabe, hat sich doch gelohnt.

in flight safety

Edgar überträgt mir sein Free-Beer-Ticket, das Lone Star hat er charakterfest und geschmackssicher verweigert. Kaum sind Beate und Edgar verschwunden, kommt die neue Shiner-Lieferung, Palette auf Palette wird ins Friends gekarrt, ich habe es doch gewusst, dass die Free-Beer-Bons bei mir gut aufgehoben sind. Wird sicher ein cooler Tag heute. Grund genug für den Auftritt des Singer-/Songwriters Ben Caplan, die kanadische Reinkarnation von Gisbert zu Knyphausen etwa, der mich musikalisch eher an einen solo auftretenden Ezio erinnert (was es freilich nicht gibt /geben wird, dann der wäre ohne Booga nur die Hälfte wert). Ein imposanter Bart, bei der geringsten Bewegung könnte da noch ein Schnitzel rausfallen, und Intellektuellen-Hornbrille sorgen für die musikalische Schublade. Das ist ein wirklich klassisches Songwriterding mit teilweiser Tendenz zum Chanson. Gut, nachdenklich, manchmal witzig, nie nach Kommerz schielend, Caplan inszeniert sich nicht, der macht das wirklich nur für sich und ein paar Eingeweihte, die alles schon kennen. Selbst seine mitgebrachte CD „In The Time Of Great Remembering“ bietet er nicht an, erst nach ausdrücklicher Nachfrage einiger Begeisterter (Vergeistigter) verkauft er ein paar Exemplare und schämt sich fast dafür, Geld zu nehmen. Zum Finale (der Zugabe) wechselt er die Gitarre gegen das Keyboard und schert sich einen Kehricht um die Disharmonien. So was geht nur mittags oder nachts um vier. Zurück zu Florian.

Ben Caplan

Wir steuern G & S Lounge im Süden Austins an, es ist früher Nachmittag. Auf der Liste für heute stehen u. a. wieder einmal die drei völlig durchgeknallten (dies gilt für die Bühne) Bondesson-Schwestern von Baskery. Auch ein interessanter Laden, zwei Clubs direkt nebeneinander, durch eine dünne Holzwand getrennt und nahezu komplett bestuhlt. Selbstverständlich werden beide bespielt. Hier musst du mindestens 100 werden, um in jedem Club eine Show erlebt zu haben.

An der Theke werde ich von einer Texanerin angesprochen ob wir evtl. aus Deutschland sind, sie hat Verwandte in Karlsruhe. Unglaublich. Grund für ihre Anwesenheit ist Melissa Ruth, von der sie großer Fan ist. Ich zucke die Schultern, kenne ich nicht, dafür Baskery umso besser und rate ihr dringend sich auch diese Show anzutun. Sie wird bleiben …

Melissa Ruth beschreibt ihren Musik-Kosmos als Doo-Wop-Twang. Wir treffen auf einen ziemlich reduzierten Sound, Low-Fi, folksy, swingend, der Song „Ain’t No Whiskey“ (Anspieltipp) erhält eine ordentliche Interpretation, die anfangs angenehme Stimme wird im Laufe der Show leider immer beliebiger. Melissa nennt u. a. Django Reinhardt und Count Basie als Vorbilder. Das trifft’s, nur kann die Band diesem Anspruch nicht immer gerecht werden, insbesondere der Gitarrist ist weit davon entfernt, ein Django Reinhardt zu sein. Django hätte der entmachteten Gretsch schon die Gitarrentöne beigebracht. Jazz oder nie? Weder noch. Baskery!

Melissa Ruth

Was ein Glück für Melissa Ruth vor Baskery aufgetreten zu sein, nach den Schwedinnen wäre das ein musikalisches Fiasko geworden.
Die G & S Lounge ist gut runtergekühlt, die Schwestern schleifen ihr Equipment durch den Hintereingang auf die Bühne. Temperaturunterschied ca. 15 Grad. Wir treffen die üblichen Verdächtigen aus der alten Heimat (zum Teil aus der ganz alten), es ist nicht zu erwarten, dass die „Baskerys“ außer uns jemand kennt, so weit wir das überhaupt einschätzen können. Die Setlist weicht deutlich vom Maria-Tacos-Auftritt ab, ruhiger, relaxter, mindestens so souverän. Die wissen inzwischen sehr genau, was sie draufhaben und wie man einen Laden einheizt.

Ein langjähriger Rock ’n’ Roll-Pilger, mit Affinität für Bands in charmanter Besetzung, kniet quasi vor Sunniva-Darling nieder, um alle erdenklichen Posen visuell zu dokumentieren. Weder Fotograf noch Stella’s defekter Stehbass schaffen es, die Band irgendwie zu verunsichern. Und wie im Maria Tacos kocht die Lounge bei „Throw A Bone“, das Banjo elektrisch angezerrt, die Bassdrum mit den blanken Füßen traktierend, Drumstick im Mund, der Blick entrückt. Das Sternetattoo bekommt eine fast diabolische Note, Sunniva springt geschmeidig auf die Basstrommel während Stella unbeeindruckt am Upright weiter groovt. Vor zwei Jahren haben die „Queens of Banjopunk“ aus wenig relativ viel rausgeholt, heute holen die aus viel, das gilt inzwischen auch für Sunniva an der Gitarre, das maximal mögliche raus. Es ist gar nicht so wichtig, dass neue Songs in der Setlist waren, entscheidender ist die Zugabe, die sich Stella, Greta und Sunniva erspielt haben. Das gibt es beim SXSW nicht so oft, glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche. Amerikaner lieben große Gesten, da war das A-Cappella-Volkslied auf schwedisch sauclever. Der Club kocht, die Karlsruhe-Kennerin wirft mir zwei Kusshände zu und hebt beide Daumen. Nur unser hessischer Musikfreak bereitet Anlass zur Sorge: Warum, lieber Wolfgang, hast Du nur für Dominique Davalos als „Beauty 2013“ votiert? Da war Edgar’s und mein Urteil eindeutig! Naja, evtl. benötigen wir ja doch „Erziehung“.

Baskery

Die Sonne brütet, Wolfgang nimmt uns mit zurück nach Downtown. Vielen Dank! Als ob das nicht genug ist, wir ziehen direkt ins Threadgills weiter. Nicht unbedingt wegen der aktuell auf der Bühne rockenden Meat Puppets, die immerhin schon seit etwas mehr als drei Jahrzehnten Alben veröffentlichen und sich von einer Punkband, über Cow-Punk bis zum Psychedelic Rock entwickelt haben. Heute übrigens spielen die MP eine qualitativ gelungene Symbiose aus erwähntem Psych mit Hard-Country-Rock. Nein, Grund unserer Anwesenheit sind wieder einmal die oberschrägen, durchgeknallten „Japse“ von Peelander Z, die uns den 10er Wert waren. War unsere dritte Show, die sind immer cool, wie Florian feststellt.

Ja, Peelander Z sind immer cool, definitiv. Also ... wer rein die Musik hört, der würde mich bei so einer Aussage für irre erklären. Und das auch zurecht. Würde ich eine CD kaufen, die stünde im Regal direkt zwischen Pearl Jam und Pennywise und würde dort gnadenlos untergehen. Punkrock mit maximal (!) drei Akkorden und eigentlich auch zu dilettantisch für richtige Hits; aber ich glaube fast, auch das ist Teil des wahnwitzigen Konzeptes. Heute hat die japanische Freakshow ... sorry, die Freakshow vom Planeten Peelander (so steht's auch als Herkunftslang im offiziellen SXSW-Guide!) nur knapp 25 Minuten Zeit und spielt noch weniger richtige Musik und packt eigentlich alle Showelemente in die kurze Zeit; knallbunte tierähnliche Alien-Kostüme, der „Mad Tiger“, der durch Publikum tobt, Bowling mit Bandmitgliedern als Bowlingkugeln, allerlei abstruse Schilde, um das Publikum einzubinden und zwischendrin immer mal wieder Schraddel-Punk mit völlig sinnfreien Texten. Grandiose Unterhaltung bei ein paar Shinern.

Peelander Z

Gib dem Zusammenbruch keine Chance! Rüber auf die Upper Decks zum Burgerschnappen. Ganz oben sind brauchbare Toiletten. Eine Brasskapelle röhrt die Saxofone, Trompeten und Posaunen. Da müsste Edgar mit einem Stachelhalsband angebunden werden, sonst würde er Reißaus nehmen.

Wir finden es ganz lässig, zumindest die zwei beteiligten Musikerinnen. Ich schreib hier nicht, was die mit den Instrumenten machen, wir erfüllen eben doch nicht jedes Klischee …

Zu Essen gibt es nix, runter ins Erdgeschoss. Rita’s 4 $, das Unheil nimmt seinen Lauf. An der Kreuzung treffen wir den von der texanischen Grippe wieder auferstandenen Thomas, nicht den apostolischen aus Persien, sondern den Duisburger Rich-Hopkins-Jünger. In zehn Minuten werden Tipps getauscht, wir ziehen Richtung Warehouse zum Texas Rock Fest, Justin Black ist Grund genug.

Und Justin Black & Big Heart haben heute Abend zur besten Zeit um
20 Uhr ihren zweiten Auftritt im Rahmen des Texas Rock Fest; dieses mal inhouse, „War Horse“ heißt der Laden, der uns bislang nie aufgefallen ist, obwohl er direkt neben dem Antone's liegt. Unscheinbar von außen, aber erstaunlich groß innen. Schlauchförmig, siffig, eine kleine Bühne neben dem Eingang ... im Grunde business as usual in Austin, nix Besonderes. Justin und Band liefern wieder sehr gut ab, aber auch hier ist der Zuschauerzuspruch eher gering. Immerhin kommt ab und zu ein bisschen Laufkundschaft rein und hört zu. Schauen wir mal, wann die nächste Platte kommt und was er draus macht. Kann mich nur wiederholen: er hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.

Justin+Fkorian

Das Parish in der 6th nutzt die New-West-Party als Blaupause, Max Gomez müssen wir nicht haben. Unsere beiden Nashville-Buddies Buddy & Jim haben zu gestern nichts sensationell Neues auf ihren Klampfen. Andere Klamotten, gleiches Programm, gleiche Themen, gewohnte Country-/Rootsqualität, die waren da, wir auch, um ehrlich zu sein, wollten wir eher die Reha von John Hiatt begleiten. Parish = Rehab Facility … hoffentlich!

Lauder und Miller

John Hiatt haben wir gestern im Threadgill’s bereits gesehen, solo und akustisch. Da war er aus mehreren Gründen ziemlich schwach, aber zumindest das im Hintergrund stehende Drumset lässt Hoffnungen auf einen coolen Band-Gig des Americana-Großmeisters erhoffen, wie schon mehrfach in Austin, Amsterdam oder Köln gesehen. Leider betritt John auch heute alleine die Bühne und spielt einen dem Vortag recht ähnlichen Set, der aber in vielen Kleinigkeiten besser ist. Der Sound im Parish ist glasklar und ausgewogen, die Setlist beinhaltet auch in abgespeckter Form einige gestern schmerzlich vermisste Klassiker („Master of disaster“ und „Memphis in the meantime“ z. B.), seine Laune ist deutlich besser heute Abend, vielleicht auch, weil man ihm ein besseres (zumindest nach Hiatt-Skala ...) Outfit zurecht gelegt hat ... dennoch muss ich auch zusammenfassend sagen, dass mich John Hiatt beim SXSW 2013 unter dem Strich enttäuscht hat; mit Band ist er einfach packender, einen Solo-Gig zu stemmen ohne seine üblichen hochklassigen Begleitmusiker, das hat er in Austin 2013 in meinen Ohren nicht geschafft. Egal, mit Bands wird es sicher wieder klasse.

John Hiatt Parish

Anders als John Hiatt ist Richard Thompson schon bei der New West Party ein hochenergetischer, fesselnder, rockender Set gelungen. Die Headline für die Show könnte treffend an das neue Album „Electric“ angelehnt werden: Elektrisch! Heute gibt er uns den Fairport- Convention-Folkie, freilich modernistisch, nicht auf der Stelle tretend, doch immer mit Wiedererkennungswert. Waren seine neuen Songs im Threadgills „Robin-Trower-Sperrig“ (durchaus hochwertig), sind sie heute Abend folky-liedhaft (ebenso hochwertig). Von der Band entblößt, funkeln kleine Songperlen ins Publikum, überzeugend auch ohne Rhythmus-Kit. Und hier zeigt sich seine eigentliche Klasse, Thompson kann für Band arrangierte und komponierte Nummern locker solo, ohne nur eine Sekunde langatmig zu sein. Das nicht gerade kleine, gut gefüllte Parish (das liegt bestimmt nicht nur an Steve Earle) ist sogar erstaunlich Textsicher. Ein Bandleader auf Solopfaden mit Sound für Freaks und Folkies, (u. a. auch Zahnärzte, Apotheker und Rechtsanwälte) die nach wie vor den Kauf der Silberlinge ablehnen und nur am Vinylregal zu finden sind. Dass nach über 45 Bühnenjahren und weit über 40 Alben noch ein Hit herausspringt, ist wohl nicht mehr zu erwarten. Die Überschrift für heute Abend: Acoustic! Leicht matt, nicht aufpoliert, ein Konzentrat des Wesentlichen: Real Music!

Richard Thompson
Must See“ 2013 ist „Alternativ-Country-Held“ (und parteiloser Sozialist) Steve Earle. In Deutschland selten zu sehen, neues Album in Vorbereitung, schräger Legendstatus, Ex-Junkie mit klaren Aussagen und immer ein qualitativ hohes Level haltend, keine Frage: Hingehen! Die letzte T Bone Burnett-Produktion „I’ll Never Get Out Of This World Alive“ hielt nicht ganz das extrem hohe Niveau von z. B. „El Corazon“ oder „Transcendental Blues“. Meine Metamorphose vom „verschwurbelten-Artrock-Fan“ hin zum „Americana-Aficionado“ habe ich Steve Earle zu verdanken, nach den American Recordings!

„ … not guilty I said, you’ve got the wrong man
nothing touched the trigger but the devils right hand …”

Steve war doch schuldig, aber bis heute hat er den richtigen/die richtigen erwischt, jaja auch Metal-Florian kann Americana.

Gedrängel mag ich nicht und es ist Mitternacht, wir sind seit zwölf Stunden auf Tour, trotz alledem: Wir sortieren uns unmittelbar vor der Bühne ein, nicht mit voyeuristischen Blick auf Steve Earle, es geht uns vielmehr darum, wie er solo seine Songs interpretiert. Vom ersten Takt nimmt uns der große Grantler mit auf seine Copperhead-Road, ein Riesen-Storyteller, der beim Blick auf die Dinge überzieht, polarisierend, doch zwischen den einzelnen ätzenden Songs um verbalen Klebstoff bemüht ist. Der eigensinnige Endfünfziger (inzwischen schon sieben mal verheiratet) presst die Textsilben förmlich ins Publikum, bei kaum geöffneten Lippen, so als ob es keine vorstellbar größere Anstrengung für ihn gibt. Kein großer Gitarrenkünstler und kein Übersänger, aber mit dieser Art „Nicht-Stimme“ gesegnet, wie beispielsweise ein Townes Van Zandt oder ein Bob Dylan. Instrumental-Akrobatik braucht in dieser Americana-Liga sowieso niemand. Deutlich erkennbar sein großes Vorbild Townes, der schimmert durch die Songs der Soloshow. Klar, irgendwas spielt er vom neuen Album „The Low Highway“, bleibe bis zur VÖ auf jeden Fall gespannt. Was könnte Steve Earle in knapp einer Stunde neben „My Old Friend The Blues“ oder „City Of Immigrants” für grandiose Songs auf die Setlist stellen, aber eine Stunde, dass ist die reale Quadratur des musikalischen Kreises. Nachvollziehbar, dass er ohne „Dead Flowers“ auskommt, gefreut hätte sich der Schreiber dennoch.
Die Anwesenden feiern den auch heute selten lächelnden frenetisch. Nach der Show höre ich mich sagen: „Steve Earle ist der größte Americana-Songwriter der Geschichte. Und ich stehe hier im Parish nach John Hiatt und Richard Thompson mit einer Flasche Shiner.“
(Für Klugscheißer: geklaut und abgewandelt von Steve Earle!!!)

Steve Earle

Das ist kein Deal zwischen uns, ich gehe gerne mit in die Dirty Dog Bar zu Lacuna Coil. Florian gelingt es dennoch recht clever mich zu interessieren, die Frontfrau würde super aussehen und texanische Grundnahrungsmittel gibt’s natürlich auch in der Dirty Dog Bar, die um 1:00 Uhr morgens leider auch so aussieht. Jeder kennt den Sound eines sich öffnenden Klettverschlusses. Drei Schritte durch den Laden, hm, das klebrige Geräusch kommt uns bekannt vor. Sicher ist, dass nahezu jeder Musik eine soziale Komponente beigemessen werden muss, es wird immer ein mehr oder weniger spezielles Publikum gebündelt. Bei Lacuna Coil sind alle Headbanger mittelschwer betrunken. So gesehen passt da auch ein Roots-Rocker ganz gut dazu. Von der Musik habe ich denkbar wenig Ahnung, laut, schnell, nach m. E. drei Akkorde, aber wilde Grimassen schneidend, so als hätte die Band just now eine unentdeckte Hendrix- LP vollendet. Die Frontfrau, die is’ schon was … und da ich wirklich ahnungslos bin liefert Florian stilsicher in gewohnter Qualität:

Schön den Ball weitergespielt ... jetzt liegt es an mir (Florian), Roots-Gunthers Versuch eines Metal-Show-Reviews zu vervollständigen. Dass wir zu Lacuna Coil recht einfach reinkommen, wundert mich ... die Dirty Dog Bar ist im Bühnenbereich nicht der allergrößte Laden und Lacuna Coil doch ein bekannter Name. Vielleicht liegt es an der Uhrzeit? Dass Gunther Lacuna Coil nicht so recht gefallen, wundert mich da weniger, auch wenn er es oben nicht so direkt ausgedrückt hat. Ich habe die fünf Mannen und Front-Beauty Cristina Scabbia (auch heute wieder alle im coolen Uniform-Outfit) mehrfach gesehen, Anfang der 00er-Jahre mit Sentenced zum Beispiel, „Comalies“-Zeiten. Hätte Gunther damals die Musik mit „laut, schnell, drei Akkorde“ abgestraft, ich hätte es ohne zu zögern gelöscht. Das war aber zu ihren Gothic Metal-Zeiten, mit tollen Alben wie eben „Comalies“ oder „Unleashed memories“ und epischen Songs. Danach wurde der Sound aber merklich amerikanisiert, um nicht zu sagen: KORNisiert, „Karmacode“ habe ich noch gekauft, danach aber das Interesse an der Band verloren. Und warum, das zeigt auch der Gig heute: Cristina ist immer noch eine Augenweide, der Wechselgesang mit Andrea gut, aber die Musik schwimmt mittlerweile irgendwo in der Grauzone zwischen melodischen Refrains und Nu Metal-Grooves ... moderne, einfache, rhythmische Riffs, „drei Akkorde“. Durchaus kompetent gespielt, aber in meinen Ohren konturlos und mit Cristina als einzigem Alleinstellungsmerkmal. Gute Melodien und Hitpotential kann man den MailänderInnen nicht absprechen, ebenso wenig eine energiegeladene Performance ... aber berühren tut mich ihre Musik nicht mehr. Als Freitags-Rausschmeißer aber natürlich ganz OK und mit „Heaven’s a lie“ war immerhin ein Song aus goldenen Zeiten im Progamm.

Lacuna Coil
Hammertag, übrigens der erste komplett gemeinsame, der wieder mit einem Zimmer-Besprechungs-Shiner um 3:30 Uhr endet, es gelingt mir heute sogar, die Schuhe abzustreifen.

Samstag, 16. Märzmicro

Frühstück bei Denny’s, einer Memphis-Eingebung folgend, Omelett at it’s best! Der Spannungsbogen ist immer noch gewaltig, der letzte Festival-Tag steht an, der auf den ersten Blick nicht so viel zu bieten hat. Wir schlappen ganz gemütlich und zu Fuß zum Lone-Star-Fest, wieder an der South Congress. Es ist bestes Shiner-Wetter.

Nicht aus Ideenlosigkeit, sondern weil Dustin Welch wirklich klasse ist, gibt’s heute den dritten Aufguss. Bei dreißig Grad im dunklen Sakko, zelebriert er uns wieder glaubhaft den Americana-Indie-Folk-Helden, etwas düster blickend, sehr konzentriert, nach dem Auftritt aber gesprächsbereit. Den würden wir uns auch 2014 wieder anschauen. Nochmals: die aktuelle Platte ist ein dicker Tipp!

Teal Collins kenne ich noch von den Mother Tuckers, das war seinerzeit ganz passabler Countryrock. Heute mit den Whiskey Sisters ist das laues, nein, unterirdisches und unauthentisches Countryzeug, die cool sein wollen wie ’ne Red-Dirt-Band und feminin wie die Trishas. Woher der Titel beim Austin-Music-Award „Best New Band in 2013“ kommt, bleibt uns ein Rätsel. Die Amis allerdings fahren voll drauf ab. Außerdem kommt Teal Collins auch noch ziemlich exaltiert rüber. Furchtbar aufgesetztes „Musikantenstadel-Dauergrinsen“, das Marianne befürchten muss, ihr Michael geht eine transatlantische Union des schlechten Geschmacks ein: Michael & Teal! War nix. Dann lieber die Dixie Chicks! Und wer jetzt denkt, das war’s an Soundgrausamkeiten, sieht sich getäuscht. Nach den komischen Whiskey-Schwestern kommt eine noch viel komischere „Mariachi-Tex-Mex-Irgendwas-Kapelle“, zwei Trompeten, unser favorisiertes Akkordeon darf nicht fehlen. Wenn die wenigstens langweilig wären, das könnten wir mit Margaritas überbrücken, die nerven richtig, nicht subtil, sondern voll drauf, immer auf die gleiche Stelle, freilich helfen wir uns mit Margaritas. Den Namen haben wir aus Barmherzigkeit nicht notiert. Fast in, fast out.

Da sind die „Shurmanner“ wenn auch vom Wetter und der Dauer des Festivals gezeichnet, (oder sonst was) ein wahrer Segen. Wie immer gut gelaunt spielt der Vierer um Aaron Beavers ihren ziemlich straighten Guitar-Rock/ Country Rock. Grundlage ist wie in den vergangenen Shows der Rock ’n’ Roller „Inspiration“. Wäre mal Zeit für ein neues Album. Eine Liveband die begeistert. Country just ain’t country! Sind was für die Christmas-Party. Habe ich das schon mal erwähnt?

Shurman

So nebenbei lauern wir Stuttgart-Dieter auf (der ist mit dem Auto da, was von Vorteil sein kann), den „Extrem-Sammler“, der auch die großen Namen schon persönlich getroffen hat, in Austin 2013 natürlich Nick Cave … Wir nutzen bereitwillig seine Taxi-Dienste und verabschieden uns an den Upperdecks mit Frühstücks-Rock-Date morgen. Schön, dass das auch mal klappt, zu erzählen gibt es ja jede Menge.

„Excellent“ donnert uns der Tipgeier von gestern auf unsere Coke-Order entgegen. Was daran exzellent sein soll, bleibt sein Geheimnis. Die Chlor-Coke holt uns zumindest vorübergehend in die Realität zurück. Unser Beschluss für den Abend: Wir werden versuchen ins Moody Theatre zu kommen, John Fogerty als Headliner lässt uns zweifeln, zu Unrecht, wie wir feststellen. Mit Wristband kein Problem, für irgendwas müssen die 175 $ ja auch Sinn machen. Hier spielen die größeren Acts, im letzten Jahr z. B. Lucinda Williams, wir haben das vorher als chancenlos abgetan, ein Fehler, das Moodys ist riesig, großer Innenraum, zwei Emporen, cooles Catering, mit Weltklasse-Margaritas zu ebensolchen Preisen. Egal. Wir entern zwei Hocker und genießen einen unverbaubaren Blick auf die Bühne. Natürlich treffen wir auf Edgar und Beate, die wissen, wo’s cool ist.

Living Legend Bobby Bare Sr. eröffnet uns den letzten SXSW-Abend. Einer der ganz Großen, der sie alle noch kannte, Waylon Jennings, Fam. Cash um nur die zwei wichtigsten zu nennen. Den Cowboyhut trägt er mit Würde, die puristischen Countrysongs mit Würde eines musikalischen Elder Statesman der amerikanischen Volksmusik vor. Nur die E-Gitarre, die trägt er eher als Accessoire, stets bemüht, die Saiten nicht zu treffen, warum auch immer. BB Sr. hat im kleinen Finger mehr Countryfeeling als ein Garth Brooks im ganzen Leib. Auch wenn das nicht immer unsere Musik ist, glaubhaft ist das allemal, ähnlich Billy Joe Shaver. Der Senior macht das, was ein Bandleader machen sollte, er dirigiert die Band, muss nicht durch instrumentale Klasse glänzen sondern eher die Noten an die Band verteilen oder gar seinen inzwischen auch schon 46jährigen Sohn „My Little Baby Boy“ auf die Bühne zitieren. Bare Jr. hat im ersten Musikerleben Kurt Wagner’s Band im Rücken, aka Lambchop (!), spielt mit den Pixies oder tourt mit den Black Crowes (!). Ein Bluesrocker in Daddy’s Countrydiktat – ohne zu murren. Und die im Country manchmal langweilige Violine bekommt heute Bestnoten, wer auch immer, das war fantastisch. Besser geht Volksmusik kaum.

Bobby Bare Senior

Die True Believers kennen wir nur vom Namen, Edgar greift uns mit Musiknachhilfe unter die schlappen Arme. Alejandro Escovedo und Jon Dee Graham sind schon Koordinaten, die wir auf der Soundlandkarte einordnen können. Ich reibe mir wieder mal die Augen, das ist tatsächlich JDG, äußerlich kaum wiederzuerkennen, Escovedo schon eher. Da stehen Luzifer und Beelzebub des Indie-/Alternativerock und rocken wüst und wild die Hölle. Insbesondere Jon Dee Graham habe ich so intensiv, so losgelöst und frei von späteren Klangmalereien, viele Jahre nicht mehr erlebt. Beide wissen mit ihren Gitarren was anzufangen, nicht auszudenken, was aus denen hätte werden können. 1986 hatten die bei EMI sogar einen Major-Deal. Indie-/Alternativ ist ja ein sehr strapazierter und dehnbarer Begriff, genauso straight und krachend stelle ich mir das vor. Dinosaur Jr auf Highspeed.
Gitarrenattacken, Riffs und Freaks, da staunt selbst der andere Jr. Baby Boy, eben noch Country „gefidelt“, jetzt kompromisslos. Was für ein Wechselbad. Zur Abkühlung zwei Margaritas.

True Believers

Langsam aber sicher neigt sich das SXSW 2013 dem Ende zu. Schlusspunkt dieses Jahr bietet CCR-Legende John Fogerty und um das Fazit vorwegzunehmen: ein sensationeller Abschluss für ein sensationelles Festival. Fogerty fehlte bislang auf unserer musikalischen Landkarte, mit seinem Solo-Material sind wir nicht vertraut und so spekulieren wir vorab: ob er die eine oder andere Creedence-Nummer ins Programm packt?? Natürlich macht er das, der erste Nicht-CCR-Song ist Nummer 7, Kracher wie „Who’ll stop the rain“ und „Lookin’ out my backdoor“ haben hier dem Publikum schon ordentlich eingeheizt. Fogerty hat eine ganze Armada an Musikern mitgebracht, mit ihm selbst vier Gitarren und mit einem demnach extrem fetten Sound hievt er die 70er-Klassiker ins Jahr 2013, zeitlos gute Musik einfach, der man ihr Alter zu keiner Sekunde anmerkt. Dies gilt selbstverständlich ebenso für John Fogerty selbst, der mit 68 Jahren wohl seinen zweiten Frühling erlebt und wie ein Mittzwanziger über die Bühne tobt und sichtlich großen Spaß hat. Er selbst führt quasi im Alleingang durch die Show, seine Bandkollegen stehen brav im Hintergrund und kommen immer nur auf Zuruf oder auf Zuwinken zu einem kleinen Gitarrenduell vor an den Bühnenrand. Ausflüge ins Solo-Repertoire sind heute nur rudimentär angesagt, unsere Zweifel waren unbegründet, er macht genau das, was er bei so einem Festival-Gig machen muss: er feuert das totale CCR-Best of-Programm von der Bühne und reißt das Publikum vor der Bühne der mittlerweile proppenvollen Halle ebenso mit wie die beiden BBB-Schreiberlinge auf Ihren Barhockern im 1. Rang. Ein grandioser Abschluss des Festivals, besser hätten wir es vorher auch nicht planen können. Außer vielleicht noch „Long as I can see the light“ in die Setlist ...

Setlist John Fogerty:
Travellin Band
Green River
Who'll Stop The Raun
Born On The Bayou
Lodi
Lookin' Out My Back Door
Hot Rot Heart
Someday Never Comes (w/Dawes)
Ramble Tamble
Blue Moon Night
Midnight Special
Keep On Chooglin'
Have You Ever Seen The Rain
Pretty Woman
Down On The Corner
Centerfield
Old Man Down The Road
Bad Moon Rising
Fortunate Son
Up Around The Bend
Proud Mary

John Fogerty

Nach der Show macht es keinen Sinn, irgendwohin zu Live-Music zu gehen. Wir hatten das ja vor Jahren schon mal nach einem fulminanten Heathens-Auftritt im Amsterdam-Cafe. Ganz Austin feiert in den Paddy’s Day, wir feiern im Woodrow’s John Fogerty. Muss morgen ins Waterloo! Schon wieder.

Sonntag, 17. Märzmicro

Frühstück mit Collector-Dieter im Curras, da heißt es jetzt schon langsam Abschied nehmen. Farewell-Tacos, ich bin sicher, wir kommen wieder. Dieter hat ein unglaubliches Musikwissen, ein Sammler mit Stil, der (fast) ersten Stunde, der alle möglichen Rock-Memorablia besitzt und vor Ideenreichtum überquillt. Wir sind jetzt auch schon ein paar Jahre dabei, Dieter kann uns trotzdem mit Tipps und Tricks ausstatten (vom Free-Breakfast bis zur signierten Gitarre), nichts was es nicht gibt und schon gar nichts, was er nicht versucht hätte, um die Sammlung aufzupolieren. Das ist nicht zu beschreiben, zuhören und staunen. Smarter Talking-Blues.

Sonntags in den USA einkaufen ist eigentlich kein Problem. Plötzlich und unerwartet stellt Florian fest: Übergepäck! Es ist jetzt fast Mittag, heute Abend Clapton, morgen geht der Flieger, da bleibt doch reichlich Zeit für eine sonntägliche Additional-Taschen-Odyssee quer durch Austin, die uns in die entlegensten Winkel der Hauptstadt führt. An komische Orte mit komischen Leuten, die aber andererseits auch die Sinne für das wirkliche Wichtige im Leben schärfen. In einem „Fourth Hand“ (dagegen bietet die Heilsarmee regelrechten Luxus) starten wir unseren Erkenntnistrip. Ich bin mir sicher, hier hat Tom Waits nicht nur das Equipment für die „Swordfishtrombones“ gefunden (7 $-Mikrofon und 21 $ Megafon), die Menschen die sich zwischen den Regalen wegducken, haben gleichermaßen für Inspiration und Frustration gesorgt. Hier willst du keine Tasche kaufen. Bestimmt nicht. Wir stellen uns vor, was die 27 Vorbesitzer alles transportiert haben könnten, da ist schmudligge Wäsche oder mit Strychnin gestrecktes Heroin noch das Harmloseste. Dritte Welt im Industriestaat. Innehalten und raus hier, schockierend. Im Family Dollar sieht es besser aus, Reisetaschen gibt es keine, dafür eine Menge nutzloser Dinge, die kein Mensch braucht. Immerhin haben hier die Kunden wenigstens (schlecht) bezahlte Jobs, im ersten Laden hatten die nicht mehr als ihr Leben.
Wir testen noch einen Family Dollar, wieder erfolglos, im HEB gibt es auch keine Transportmittel für zu viel gekaufte Scheiben, dafür könnten wir für ein paar Minuten zum Camel-Riding, mitten in der Stadt, mit fünf Dollar wären wir dabei. Hilft uns nicht weiter. Wir fahren das Austin-Schachbrett von längs nach quer und von quer nach längs, ah da vorne kommt sogar ’ne Kurve, hey, bald sind wir in Giddings, Taschen-Armageddon in Austin, wie cool, noch vor der Interstate ein Einkaufszentrum, also doch kein Weltuntergang. Tasche gekauft, zurück ins Hotel, Schätze verstauen.

Es gibt diesen alten Indio-Glauben, der besagt, eine Krankheit dann besiegt zu haben, wenn es gelingt, sie einem anderen erfolgreich anzuhängen. Dann müsste Duisburg-Thomas wieder fit sein, bei mir klopft eine aufziehende Angina an. Helfe mir mit Akupressur, wie sich doch die Zeiten ändern, früher hätte ich mit einem Meter Single Malt drauf gehalten. Wird schon, müssen ja noch ins Waterloo und zu Mr. Slowhand. Da war doch noch was mit CCR? Finde eine sensationelle Compilation, drei CD’s, davon eine Live, mit Liner-Notes, akzeptabler Klang, alle Kracher drauf, für 24 Dollores. Ich stehe ja schon bei „C“, vorsichtshalber mal nach rechts und links geschaut, dass mir jetzt bloß nicht der Edgar über den Weg läuft, wäre das peinlich! Vor ein paar Tagen habe ich stumm einer Labelchef-Laudatio auf Rodney Crowell (mit „After All This Time“ Grammy-dekoriert) gelauscht. „Houston Kid“ (2001) sei sein wichtigstes Album, noch mal umdrehen, kein Edgar in Sicht, ab an die Kasse und schnell bezahlen. Klar, Leute, „Houston Kid“ die Rodney-Crowell-Scheibe, die man haben muss, schon alleine wg. „Walk The Line Rev.“ Logisch, die hab ich! Seit wann? Schon e-w-i-g!!! Naja, fast …

Im Woodrow’s diskutieren wir Clapton aus, hingehen oder nicht? OK, wir haben Tickets und warum sind wir hier? Also hingehen! Der Taxifahrer, mal wieder einen Freak erwischt, will wissen, wo die „Hühner“ besser sind, in Deutschland oder in den USA? Florian ist um Höflichkeit bemüht, voted für die USA. Auf jeden Fall sind die Autos in Deutschland besser, findet er jedenfalls. Mal ganz ehrlich, woher sollen wir das auch wissen?

Am Frank-Erwin-Center ist nicht viel los, Ticket-Mafia und ein paar unentwegte Clapton-Fans. Wir trinken teures Budweiser. Clapton, Event, Kommerz, könnte man steigern. Abwarten. Auf jeden Fall schleicht sich aus den Hallen-Amps das brandneue Album „Old Sock“ clever in unsere Gehörgänge. Wenn das kein Zufall ist.

Vielleicht hätte ich „crazy“ durch „funny“ ersetzen sollen, der Redneck direkt vor uns fragt mich streng: „Is it a good or a bad crazy?“, dabei wollte ich mit „Austin is the most craziest city where I ever been in my life“ nur Bewunderung für seine Hauptstadt ausdrücken. Den Trommelrevolver lässt er stecken. Wir punkten mit Clapton-Kompetenz, alles noch mal gut gegangen.

2010 haben Schulzie und Gunther Jakob Dylan versäumt. Heute mit The Wallflowers spielt er den Support-Act für Clapton. Wir finden, trotz der Jahre, die Wallflowers gehören in die gleichen Liga und mit „Bringing Down The Horse“ (1996) haben sie Unvergängliches geschaffen. So gesehen auch kein Wunder, dass rund die Hälfte des heutigen Sets mit Songs des 1996er Geniestreiches gefüllt ist. Zugegeben: mit dem weiteren Repertoire der Wallflowers bin ich nicht vertraut („Kann man alle kaufen!“, sagte Edgar am Vortag), aber viele alte Bekannte sind heute Abend dabei: das schöne „6th Avenue heartache“, der größte Hit der Band „One headlight“, „Three marlenas“ ... knapp 17 Jahre ist es her, dass diese Platte zu Hause zum ersten Mal rotierte mit dem Hinweis: „Das ist der Sohn von Bob Dylan!“. Damals sicherlich ein Türöffner, muss sich Jakob diesen Anstecker heute nicht mehr anheften. Dass sie für Clapton eröffnen dürfen, liegt sicherlich daran, dass sie eine klasse Band sind und Jakob und seine vier Mitstreiter nutzen ihre gute Dreiviertelstunde bestens; natürlich hat Mr. Slowhand nicht die volle P.A. zur Verfügung gestellt und auch nur ein wenig Licht, aber die Musik der Wallflowers braucht keinen dicken Sound oder große Bühnenshow: die fünf überzeugen mit warmen Rocksound an der Grenze zum Americana, klasse gespielt und gesungen, ehrliche, zeitlose Musik. In den USA sind sie scheinbar immer noch ein recht bekannter Name, und werden dementsprechend mit weit mehr als nur Anstandsapplaus belohnt. Toller Auftritt und vielleicht schon eine erste Notiz auf einem eventuellen SXSW 2014-Platten-Einlaufszettel ... die anderen, außer „Bringing Down The Horse“...

Die Setlist:
The Devil's Waltz
Three Marlenas
Sleepwalker
6th Avenue Heartache
Love is a Country
Standing Eight Count
One Headlight
The Difference
(What’s So Funny ’bout) Peace, Love and Understanding? (Brinsley Schwarz Cover)
Die Band:
Jakob Dylan (voc, g)
Stuart Mathis (g)
Greg Richling (b)
Rami Jaffee (keyb)
Jack Irons (dr)
Die Alben:
The Wallflowers (1992)
Bringing Down The Horse (1996)
Breach (2000)
Red Letter Days (2002)
Rebel, Sweetheart (2005)
Collected: 1996-2005 (2009)
Glad All Over (2012)

Wallflowers

Boah, was für ein Auftakt, trotz des runtergeregelten Sounds.
„Clapton is God“, stand in den 60ern an einer Londoner Hauswand. Um es vorwegzunehmen, „Gott“ haben wir heute nicht getroffen. Vielmehr einen mit allen Fähigkeiten ausgezeichneten Saitenzauberer, der auch an den Vocals zu glänzen vermag, dreifach in die Rock ’n’ Roll Hall Of Fame aufgenommen (Yardbirds, Cream, Solo), der anders als John Fogerty immer auf Linie mit seiner Band bleibt. Eric Clapton irdisch. Manche seiner Blues-Licks sind so irdisch-real, zum Greifen nahe, schwingend leicht und unbekümmert, das man meinen könnte: Gitarre ist das Einfachste überhaupt.

Der augenzwinkernde Starter „Hello Old Friend“ lässt schon darauf schließen, dass ein ziemlich entspannter Abend vor uns und vor dem Tremolohebel liegen könnte. Der Sound ist ausgewogen, insgesamt etwas zu leise, die Instrumente der Big Band sind gut und differenziert hörbar. Clapton überlässt nichts dem Zufall. Slowhand überrascht uns schon mit der zweiten Nummer mit einem musikalischem Tiefschlag, der bei einer einstündigen Show zur Disqualifikation geführt hätte: „My Fathers Eyes“ der emotionale Tiefpunkt des ganzen Abends, trägt deutlich Simon Climie’s Handschrift der ein an sich schon schwaches Album („Pilgrim“, 1998) restlos zu Tode produziert hat. Eine Bluesnacht war bei dieser Werkschau ohnehin nicht zu erwarten, Songs wie „My Fathers Eyes“ perlen ab wie lauer Nieselregen an einer imprägnierten Wachsjacke. Die Hoffnung stirbt nicht ganz so schnell und der Meister lässt uns sofort an seiner Blueswahrheit „Tell The Truth“ aus größten Dominostagen teilhaben. Wird’s doch ein Bluesabend? Was ist hier los? Roy Lichtenstein neben Caspar David Friedrich, in der gleichen Galerie? War das nur eine gezielte Provokation, das Antesten des Publikums? Allerspätestens die Albert-Collins-Nummer „Black Cat Bone“ holt die ausverkaufte Halle ab. EC weiß, was er Austin schuldig ist, „Black Cat Bone“ jammt er gemeinsam mit dem „kleinen Bruder“ seines wohl größten Weggefährten, Jimmie Vaughan. Austin rockt. Bei „Driftin Blues“ kommt Jimmie ein zweites Mal zu Ehren, ist nicht wirklich ein Blues-Gigant, Feeling hat er.
Die unvermeidliche Abteilung „Slow“ von Slowhand, „Lay Down Sally“, „Tears In Heaven“ (auch wenn das technisch wie gesanglich uneingeschränkt das Prädikat „Güteklasse I“ verdient, finde ich die Ver-Öffentlichung, die Häutung bis zur Selbstkasteiung, das Blankziehen der Seele, um es dann in eine Singleveröffentlich münden zu lassen, höchst fragwürdig, auch dann, wenn das Volk danach geiert) und „Wonderful Tonight“, so gut diese auch interpretiert sein mögen, berührt uns nicht so. Jedenfalls nicht so sehr, wie mich/uns die reinen Zwölftakter erreichen. Clapton ist als Musiker ganz offensichtlich am meisten er selbst, wenn er zur Urform seiner Musik zurückkehren kann. Auch „Layla“, das in Austin semiakustisch daherkommt, kann uns nicht hundertprozentig überzeugen, wobei wir schon gerne konstatieren, dass diese Version viel schwerer, viel intensiver und tatsächlich auch viel aufwändiger ist als die Full-Band-Version. Aber irgendwie finden wir den Zugang nicht, alles klasse, du stehst vor der geöffneten Tür und wirst von einer unsichtbaren Schranke blockiert. Um Längen besser ist dann tatsächlich die Robert-Johnson-Ecke, saugut „Stones In My Passway“ phänomenal meine ultimative Lieblingsaufnahme des Seelenverkäufers „Love In Vain“, um Welten besser als auf der Studio CD „Me And Mr. Johnson“. Back To The Roots. Und jetzt wo die Erdung endlich da ist, kann nur ein Song folgen. „Cocaine“! 15.000 holen einen entspannten Clapton zurück, der sich den ganzen Abend als Frontmann in den Dienst der Band gestellt hat, eben nicht dröge solierend, feiern „Sunshine Of Your Love“ in Full-Band-Full-Length-Version. Clapton braucht keinen Tremolohebel. Kurve gekriegt, die Halle verneigt sich versammelt vor einem der größten Musiker aller Zeiten. Und das ist zweifellos gerechtfertigt.

Die Band:
Eric Clapton – guitar, vocals
Doyle Bramhall II – guitar
Greg Leisz – pedal steel guitar
Chris Stainton – piano, keyboards
Paul Carrack - organ, keyboards
Willie Weeks – bass
Steve Jordan – drums
Michelle John – backing vocals
Sharon White – backing vocals
Setlist:
Hello Old Friend
My Father’s Eyes
Tell the Truth (Derek and the Dominos Song)
Gotta Get Over
Black Cat Bone Albert Collins Cover, with Jimmie Vaughan)
Got to Get Better in a Little While (Derek and the Dominos Song) Tempted Squeeze Cover, Paul Carrack on lead vocals)
I Shot the Sheriff (Bob Marley & The Wailers Cover)
Driftin’ Blues (Johnny Moore's Three Blazers Cover, with Jimmie Vaughan)
Lay Down Sally
Tears in Heaven
Wonderful Tonight
Layla (Derek and the Dominos Song)
How Long (Ace Cover, Paul Carrack on lead vocals)
Stones in My Passway (Robert Johnson Cover)
Love in Vain (Robert Johnson Cover)
Crossroad (Robert Johnson Cover)
Little Queen of Spades(Robert Johnson Cover)
Cocaine (J. J. Cale Cover)
Encore:
Sunshine of Your Love (Cream Song)
High Time We Went (Joe Cocker Cover, Paul Carrack on lead vocals)
Die Solo-Alben:
Eric Clapton (1970)
461 Ocean Boulevard (1974)
There’s One in Every Crowd (1975)
No Reason to Cry (1976)
Slowhand (1977)
Backless (1978)
Another Ticket (1981)
Money and Cigarettes (1983)
Behind The Sun (1983)
August (1986)
Journeyman (1989)
From the Cradle (1994)
Pilgrim (1998)
Reptile (1999)
Riding With The King (2000, mit B.B. King)
Me and Mr. Johnson (2004)
Sessions for Robert J. (2004, CD+DVD)
Back Home (2005)
Clapton (2010)
Old Sock (2013)

Eric Clapton

Clapton Halle

Wir wählen die Variante „zu Fuß zurück ins Hotel“ war gar nicht so weit. Bei Edgar ziehen wir die letzten Shiner ab und lassen die Tage in Form der traditionellen Bewertung Revue passieren. Nachzulesen unter www.bluerose-records.com Wehmut schleicht sich ins Herz. Bis bald!

Montag, 18. Märzmicro

Wir verabschieden uns im Kerbey Lane von der „World Capital Of Live Music“, dem verrücktesten Platz auf dieser Erde, mit den verrücktesten Leuten die du dir vorstellen kannst.
Ziemlich lustloses Rumgestochere im Rührei, beide sind wir mit unseren Gedanken beschäftigt.

Auch auf der Interstate kommt kaum eine Unterhaltung zustande, Florian steuert unser japanisches „Metal-Blues-Rock-Glam-Country-Punk-Freak-Vehicle“ sicher, von ein paar Sekundenschlafattacken mal abgesehen, Richtung Houston. Eh das schlimmer wird, fahren wir lieber mal raus zum Kaffeefassen. Wäre doch blöd, ausgerechnet auf dem Rock ’n’ Roll-Freeway das Lebenslicht ausgeblasen zu bekommen – nach dem SXSW. Da gab es andere Möglichkeiten. Mitten in der texanischen Weite, mit einem Kaffeebecher in der Hand, steht wie eine biblische Erscheinung unser Rich-Hopkins-Spezl, Duisburg-Thomas, vor uns und grinst sich einen. Unglaublich, Texas ist ja nicht gerade eng. Letztes Jahr an der Theke der Flughafenbar (nachvollziehbar), jetzt mitten im Nirgendwo. Rock ’n’ Roll Rules.

Wir geben unsere Kiste ab, hat alles prima geklappt, und zerren, wie in einer Slapstick-Komödie, unser Music-Über-Gepäck Richtung Abfertigung. Mit unseren Kutten fallen wir auf, mal ganz ehrlich, das haben wir genauso geplant. Berechnet wird für das Übergepäck nichts, keine Ahnung warum, das war schon deutlich zu viel. Andererseits haben wir jetzt 50 Dollar für die Flughafenbar übrig – jeder! Also blasen wir zum Sturm wie einst die Konföderierten auf die Union, nur: wir verlieren nicht sondern erlangen den Respekt der Bartender durch unsere Fähigkeit, problemlos auch größere Mengen Alkohol in Hochgeschwindigkeit energetisch in Kalorien umzuwandeln. Die Stewardessen empfangen uns: „Die Rock ’n’ Roller kommen!“ Genau!

 

Fazit Gunther

I’m Southern“ röhren „The Cadillac Black” im Opener des sensationellen “Country-Fuzz-Angriffs”, Nashville, TN“. Ja, könnte man sagen, nein, kann ich ganz sicher sagen, zumindest für diese gnadenlos guten 15 Tage, „I’m Southern!“ Vor 350 Tagen stand fest, wird wohl das letzte Mal gewesen sein, eine Pause war auf jeden Fall beschlossene Sache. Irgendwie gab es aber auch immer ein wenig Resthoffnung. Die Geschichte und das Ergebnis sind bekannt. Wie groß, wie sensationell, wie cool das war, schreibe ich nicht mehr, ich denke, auf den vorliegenden Seiten haben wird das halbwegs einfangen können. Whiskey Myers im Tourbus, New West Party, John Fogerty, Brandon Jenkins, Karl und Julie, Henk und Gerard, Langzeit SXSW-Kumpel Justin Black … undundund … der emotionalste Song aber, den hat uns Shooter Jennings abgeliefert:

„The Gunslinger“
Stepped off of the train in this town
may look kind of strange, kind of rough all around
You don’t know what I’ve been through
But you’d better not stare better watch your mouth boy
Don’t be fool! No need to be scared,
but you need to be aware you think you own this town,
I don’t care.
At they bear, I’m just looking for some brothers
in arms and the woman with the long dark hair.
But don’t call an outlaw no,
I’m a motherfucking gunslinger
You wanna run your mouth all day long
You’d better keep your eye
on my motherfucking trigger finger
Do you feel me punk?
Some people think they know me
Think they can predict me,
Think they gotta dis me,
When I’m not around and when I come darking in the door,
They get weak in the knees and crumble like a castle to the ground ’Cause they know I ain’t taking no shit
I got a woman who left me,
white with a heart of cold stone
When they see black in my eyes,
they see a man so deep in the red that it chills them to the bone.
But don't call me an outlaw no,
I’m just cold as the day as long
and I’m lost and lost so song
so you best just move alone
Gonna like to feel alone.
But don't call me an outlaw no,
I’m just cold as the day as long
Blue Rose Records Link

 

Fazit Florian

Unverhofft kommt oft – ein Hauch von Wehmut lag in der Luft, als wir der World Capital of Live Music am 19. März 2012 verließen. Klasse war's ... aber teurer, größer, voller ... für uns vorerst mal Zeit für ein Break, steht ja im Bericht von 2012. Ein gutes halbes Jahr hielten wir durch, danke hier an die US Rails, die bei uns (oder wohl, eher bei mir) in Heilbronn wieder völlig zurecht das Feuer entfachten. Also: was kümmert mich mein Geschreibe von gestern! Und was wir alles verpasst hätten ... D-A-D an einem Apartment-Pool, kostenlos, hat einen Platz in meinen Top-3-Konzerten ever. Der Ausflug mit Edgar und Beate ins Hill Country war denkwürdig. Und natürlich zig Bands entdeckt, von denen man sonst nie etwas hören würde. Das schönste aber im Grunde: am 18. 03. 2013 verließen wir Austin ohne Wehmut ... denn dass wir 2014 wieder am Start sind, war da schon zu 99 % klar und das letzte Prozent kam eine gute Woche später mit der Hotelbuchung dazu. Vorfreude also ... und Fragen über Fragen: wer ist alles noch mit am Start? Man munkelt von SXSW-Newbies in 2014. Nehmen wir Einzel- oder Doppelzimmer? Risiko mit Wristbands oder doch mal ein Badge für das volle Programm? Schaffen wir es in 2014 endlich mal an diesen ominösen See, an dem ein riesiger Biergarten sein soll? Und natürlich die wichtigste: kann 2013 überhaupt noch übertroffen werden? Zumindest letztere Frage könnte man eigentlich klar mit „nein“ beantworten, aber: it’s SXSW! So, Austin TX: see you on March, 2nd. And keep the Shiner Bock cold!

Abschließend noch ein paar Worte zu Gunthers Gedanken: das SXSW ist eine riesige Chance für alle ambitionierten Bands. Alle wollen auf das offizielle Line Up, nur wenige schaffen es, zu welchen Konditionen auch immer. Trotzdem fallen Horden von Bands ein, spielen sich in zum Teil zig Gratis Shows verteilt über die ganze Stadt die Ärsche ab und gehen, wenn es gut läuft, null auf null aus der Geschichte raus. Gut, D-A-D können sich das sicherlich leisten (sind eh zu cool für diese Welt), aber – um mal beim gleichen Event zu bleiben – schon bei Crucified Barbara und Crashdiet sieht das mit Sicherheit anders aus ... und wenn man dann einen Schritt weiter geht und sieht, dass eine Band wie Kadavar Tage vorher noch bei Facebook händeringend nach Übernachtungsmöglichkeiten suchte, dann kann man sich ausmalen, was manche für (finanzielle) Risiken eingehen, nur um ihrer Leidenschaft nachzugehen und alle Chancen zu nutzen, die sich bieten. Das, was hier geboten ist, darf nicht einfach nur mit der typischen „Geiz ist geil!“-Mentalität „abgegriffen“ werden. Musik ist Kunst, kein Konsumgut. Und wer das auch so versteht, der wird die Leistung der Musiker entsprechend honorieren.

Danksagung

Gründe genug gibt es für ein paar Zeilen, Florian für die 15 Nächte auf einem Zimmer, größte Schnittmenge, klar die Musik und die dazugehörigen Begleitumstände, würde ich immer wieder so machen, Tommy für die Bearbeitung und grafische Umsetzung unserer Texte. Natürlich auch an Beate und Edgar für „Taxidienste“ und „Austin-Connections“, Beziehungen schaden wirklich nur dem, der keine hat. Nicht zu vergessen Nadine, die in mühevoller Handarbeit meine Austin-Jacke genäht hat. Die Zahl der Nutzer unserer Seite hat sich auch entwickelt, irgendwie ist das unser Weg „Musik zu machen“. Macht viel Arbeit und mindestens so viel Spaß. Bleibt uns gewogen, wir bleiben dran.

Die Wichtigsten sind die Musiker in Austin, ohne die, welch banale Binsenweisheit, gäbe es kein Festival. Wir reden nicht über Madonna’s, die Stones oder U2, die meisten wären glücklich, von ihrer Arbeit leben zu können. Vor ein paar Jahren saßen Florian und ich im Blue Moon bei Kevin And The Krawlers, bestes klassisches Bluesentertainment (wenn das Florian drei Stunden aushält, muss was dran sein), die haben vor gar nicht mal so wenig Leuten sich fast den Arsch abgespielt. In einer Free Show, also „No Cover“, alle halbe Stunde machte das Tipglas die Runde, das meistens ignoriert wurde – von „Fans“ die das Wristband sparen und Musik zur jederzeit verfügbaren Massenware erklären. Wem drei Stunden eine Show nicht gefällt, was ja durchaus passieren kann, weiß das doch schon spätestens nach fünf Songs. Dann geht man einfach. Schlimmer noch sind die Typen, die einen Dollar übrig haben. Es war ihnen also genau einen Dollar wert. Drei Stunden lang.
HimmeldieSterne, welch ein Irrsinn.

Im Elektronikfachmarkt, komisches Wort für Schallplattenladen, sucht man freilich vergeblich nach der neuen Kevin And The Krawlers. Die können ja gar keine Scheibe aufnehmen. Wovon denn? Zuerst müssten die ihre Zähne reparieren und sich dann irgendwann mal neue Schuhe kaufen. Leute, so schlimm ist es wirklich. Entscheidend ist die Frage: In welcher Musikwelt wollen wir eigentlich leben?

Man muss sich mal die Mühe machen und sich vorstellen, welchen Aufwand z. B. Baskery betreiben um vier Shows in Austin zu spielen und welcher kommerzielle Erfolg dahintersteht. Die Schwedinnen sind mit zwei Veröffentlichungen sogar privilegiert.
Und eines nicht mehr allzu fernen Tages, da bin ich mir sicher, stehen dann wirklich nur noch Madonna’s in den Regalen. Wir haben es in der Hand.
„Die Nahrung des Geizhalses besteht aus Geld und Verachtung“ (Honoré de Balzac)

Last but not least gilt mein ganz persönlicher Dank einem Menschen, der 14 Tage um mich bangt. Ist wieder mal gut gegangen.


Widmung

Anscheinend sind die Austintage ein schlechtes Omen, Alex Chilton verstarb 2010 während des Festivals, der unvergessliche Pinetop Perkins 2011, wir haben die Nachricht bezeichnenderweise in Clarksdale erhalten. Am 6. März 2013 hat Alvin Lee für immer seine Gitarre in den Schrank gestellt.
Egal ob nun besonders passend oder nicht, ich möchte meinen Teil des Berichtes Alvin Lee widmen.


Gastfazit Beate Heckmann

HOLY MOLY !
Ich soll also hier was für die BBB-Webseite schreiben, sozusagen mein Résumé vom SXSW 2013.
Blues Beer and Burgers habe ich von Beginn an aufmerksam und mit breitem Grinsen verfolgt. Edgar las mir immer wieder im Hotelzimmer in Austin die neusten Berichte vor! Ich fühle mich geehrt und hoffe, ich kann hier mithalten.
 
Da ich 1997 das letzte Mal beim SXSW gewesen bin, wurde mir (fast täglich) gesagt, wie sich doch alles im Laufe der Zeit verändert hat, sprich voller – lauter – anders halt! Warteschlangen vor jedem Club.
Über die gesehenen Künstler werde ich nichts schreiben, sie haben mir alle gefallen, naja, bis auf den Gurf Morllix, aber ich denke, zu einer anderen Zeit/Ort hätte er mich eher vom Hocker gerissen. Sein CD Cover (mit Dynamit auf dem Tisch) ließ Explosives erwarten – leider weit verfehlt!
 
Gleich am ersten Tag wurde mir wieder gesagt wie voll es in der Stadt sei, Schlangen vor jeder Kneipe. Gut, die 6th street war brechend voll – voll Betrunkener! Und siehe da, keine Wartezeit oder Schlangen – doch halt, eine einsame Papierschlange lag am Boden (wird noch von Silvester gewesen sein). Leider hatten wir da schon das Wristband (189 $) gekauft.
Es gibt ja da diese Day Partys und lieber Gunther, nicht nur Free SHINER auch leckere Magaritas!
 
Erwähnen möchte ich auch noch unseren Ausflug nach Concan-Rio Frio Festival zu WHISKEY MYERS – meiner Lieblingsband – hatte ich es schon erwähnt …
1 Nacht mit 3 Männern in einem Zimmer, bei gefühlten -5 °C und es lag nicht an den tollen Schlafanzügen!!!!
Musik und Whiskey Myers waren spitze, die Betten zu kurz und die Nacht auch!
Übrigens Florian und Gunther entdeckten eine neue Band THE AUSTIN ROACHES! Diese Band wird wohl jedes Jahr beim SXSW mitmischen!
 
DANKE für die Aufnahme im BBB Club und für das tolle T-Shirt als erster offizieller FAN, welches mir im RED River HN übergeben wurde.

Beate Shirt
Alles in allem waren es tolle 15 Tage ... danke Gunther ... danke Florian!
Hope to see you next year SXSW 2014
and with THE AUSTIN ROACHES
xoxo Mrsbluerose

 

Logos

P.S.: Von meinem Küchenschrank grinst gierig das Austinsparschwein „2014“ …
… ach ja, Flüge für 2014 und Hotel sind schon gebucht. Keine Diskussion, denn: „We’re Southern!“