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Wichtige Alben 2012

von Florian Störzer

 

Diamond Dogs | „Set fire to it all“

Legal Records

Müde waren sie zuletzt, die Hunde. Die letzten Alben der Schweden, „Most likely“ (2008) und vor allem „The grit & the very soul“ (2010), tönten sehr relaxt und ruhig, folkig und in meinen Ohren auch nicht so hochklassig wie die zahlreichen Vorgänger. Aber schon das Cover der neuen Scheibe verspricht pünktlich zum 20-jährigen Jubiläum einiges: sieben abgerissene Typen stehen vor flammendem Hintergrund, dazu die unmissverständliche Aufforderung „Set fire to it all“ und das alte Logo ist auch wieder da. Und schon der Opener hält alles: „On the sunny side again“ sind sie, weg sind die Akustikgitarren und die Geigen, der Boogie-Rock ist wieder da. Die Klampfen rocken, das Piano des Dude of Honk klimpert, das Saxophon trötet aus dem Background und die besungene Sonne geht direkt über der Stereoanlage auf. Achtziger? Neunziger? Oder NOCH moderneres Zeug? Brauchen sie nicht... einen großen Batzen Faces und ein bisschen Slade, das reicht im Grunde. Und das alles völlig authentisch, sympathisch und mit großer Spielfreude, wie gleich der folgende, überragende Titeltrack untermauert. Natürlich ist das alles von den Großen der 60er und 70er... sagen wir: inspiriert. Mal klingen die Beatles an („Mama let the mad dog run“), das jammige Instrumental „Bad but not ruined“ klingt nach Hippie-Kiffer-Sound, und die Stones dürften ihnen auch nicht unbekannt sein, aber das ist komplett egal: die Jungs liegen endlich wieder so völlig fernab von jeglichem Zeitgeist wie vor 10, 11 Jahren, als ich sie entdeckt habe und machen wieder genauso viel Spaß. Hoffentlich auch bald wieder in deutschen Clubs.

Bis dahin: Set fire to it all and blame it on Rock ‘n‘ Roll!!!

P.S. nicht unerwähnt bleiben soll das illustre Aufgebot an Gastmusikern, die die Schweden ins Studio gelockt haben: dabei sind u. a. ex-Hellacopters-Keyboarder Boba Fett (früher DD-Mitglied), ex-Thunder-Sänger Danny Bowes, Quireboys-Frontmann Spike und Dan Baird (ex-Georgia Satellites)

Setlist:
On the sunny side again
Set fire to it all
Mama let the mad dog run
Scars and enblems
Lay me down on solid ground
Bad but not ruined (instr.)
Ball of lightning
The inner jukebox blues
Sweethearts for Christmas
Burn one down
Nothing can change this love
Stand by the rhythm
In each and every ballroom

 

 

Wichtige Alben 2012

von Gunther Böhm


Jetzt sind wir schon wieder knapp ein Jahr auf Sendung, da steht der zweite Rückblick an. Wieder einmal hatte, wie könnte es anders sein, das legendäre SouthbySouthwest einen entscheidenden Einfluss auf meine Favoritenauswahl. Darüber hinaus gab es abseits der Hauptstraße eine Menge toller Sachen zu entdecken, alte Meister wie Walter Trout, Newcomer wie Alabama Shakes und sensationelles wie Wovenhand. Blue Rose hatte auch ein paar gute Alben am Start, absolut gelungen Leeroy Stagger oder Neuling Lincoln Durham.

Und hier geht’s los mit meiner subjektiven Reihenfolge:


Wovenhand | „The Laughing Stalk“ (LP/CD)

Moderne und brachiale Bergpredigt des Charismatikers David Eugene Edwards, Producer Alex Hacke hat ganze Arbeit geleistet, Umdeutung der Gitarren, kein Schwingen, es scheppert bedrohlich, konsequente Fortsetzung von „Treshing Floor“, unfreundlich, heftig-heavy, abgefahren. Mein definitives Album 2012. Frisst und fräst sich ins Hirn. Ein Monolith! Sorry, Walter!

Walter Trout | „Blues For The Modern Daze“ (LP/CD)

Der Blues-Workaholic Walter Trout hat ein reifes Album ohne Längen rausgedonnert, nicht so der bisweilen gewohnte Dampframmenstil, handwerklich erstklassig, selbst in branchenübergreifenden Magazinen mit Höchstnoten bedacht. Ein Muss für 12-Takt-Fans.

Alabama Shakes | „Boys & Girls“ (LP/CD)

In Austin entdeckte Roots ’n’ Roller mit Soul und R ’n’ B-Zutaten um Frontfrau Brittany Howard. Augen zu, erinnert mich an Big Brother & The Holding Company. Geile Platte, die tatsächlich ewig auf’m Teller war. Warmer Klang des Vinyls!

Reverend Peyton | „Between The Ditches“ (CD)

Der Reverend wieder mit Band (!) wenn man so will, Waschbrett, Schlagzeug, Gitarre, immer noch archaisch genug und immer noch Patton-like, wie gehabt zwei Flaschen Rotwein und der Reverend reichen aus, um den Weltschmerz zu besiegen.

Howlin Rain | „Russian Wilds“ (LP/CD)

Intensive Jam-Offensive aus San Francisco, meine Live Band in 2012 (fast, nach Wovenhand),play it loud, Gov’t Mule-Liga bis schräger Stoner Sound, klingt wie ’ne Big Band auf Acid.

Chris Robinson Brotherhood
„Big Moon Ritual“ und „The Magic Door“ (LP/CD)

Keine Ahnung warum innerhalb von ein paar Monaten gleich zwei Alben der feinstens besetzten Band um Black-Crowes Mastermind Robinson, Neal Casal (g, voc), Adam MacDougall (keys, voc), George Sluppick (dr) und Mark Dutton (b, vocals) in die Regale, ähem, in den Mailorder kommen. Wer eine moderne Ausgabe von Grateful Dead haben möchte, bitteschön, hier ist sie.

Shurman | „Inspiration“ (LP/CD)

Neu auf Blue Rose, neu in Austin, sympathisches Quartett um Frontmann Aaron Beavers, Abgeh-Gitarrenrock, der nie langweilt. Klasse-Album, sicher.


Lincoln Durham
„The Shovel Vs. The Howling Bones“ (LP/CD)

Ebenfalls neu auf Blue Rose, im Songwriting zwischen den Koordinaten Blues und Country pendelnd. Verweise? Townes van Zandt etwa, …

Richard Bargel und Klaus Heuser
„Men In Blues“ (CD)

BAP-Gitarren-Gniedler Major auf semiakustischen Bluespfaden mit Richard Bargel. Intensive Arbeit, hochmusikalisch, ohne das Mittachtziger-Schwanzrockposing. Mehr davon, leider hat das Duo wohl (aus gesundheitlichen Gründen) die Zusammenarbeit auf Eis gelegt. Jammerschade.


Bob Dylan | „Tempest“ (LP/CD)

Ein wahrhaft spätes Meisterwerk, in das viel (Unsinniges) hineingedeutet wird, etwa das allerletzte Album der Karriere, da das letzte Shakespeare-Stück auch „Tempest“ hieß. Bluesig, R ’n’ B, keine Altersheim-Schunkelmusik, bisweilen richtig dreckig. Sein seit 1996 gewohnt hohes Level gehalten.

Disappears | „Pre Language“ (LP)

In Austin im Plattenladen entdeckt, erinnert an Sonic Youth, brillanter Klang der LP. Ungewohnt, habe einige Landeanflüge benötigt.

Shearwater | „Animal Joy“ (LP/CD)

Okkerkill-River-Fortsetzung (ohne Will Sheff), radikaler, indielastig, Gitarren singen und sägen, das Vibraphon setzt den Sound-Kontrapunkt.

Leeroy Stagger | „Radiant Land“ (LP/CD)

Ambitioniertes Country-Rock-Americana-Album, dass die seltenen Längen des Studiovorgängers „Everything Is Real“ komplett verblassen lässt. Das Album erinnert in seinen besten Momenten an Tom Petty (Dirty Windshields) und auch an Steve Earle (Capitalism Must Die). Riesen Namen, Großes Album.


Rich Hopkins & Luminarios | „Buried Treasures“ (LP/CD)

Endlich wieder eine Gitarrenattacke, so wie wir es gewohnt sind, kein Himmel voller Geigen. Rich gibt Vollgas! Wüstenrock at it’s best!! Was für ein Brett!


John Hiatt | „Mystic Pinball“ (LP/CD)

John Hiatt eben, wie gewohnt, beste „Handmade Music“ vom Roadtroubadour. Songs zwischen „bluesiger Bratzgitarre und bratziger Bluesgitarre“, Uptempo und Harmonieverdächtiges. Organische Sache, das.


US Rails | „Wire & Wood“ (LP/CD)

Halfspeedsongs (semiakustisch) der kleinen Supergroup. Die werden auch nach der zehnten Liveshow und dem zwanzigsten Anhören nie dröge! Coole Typen, coole Band. Sehr schön, sehr fein.


Biber Herrmann | „Love And Good Reasons” (CD)

… for the Blues, ließe sich der Albumtitel fortsetzen. Das Mississippi-Delta im Rheingau, die Peitsche beim Unkrauthacken, egal wo Du bist, der Blues lauert, klasse umgesetzt auf Akustischer und Dobro. „Leaving Town Blues“ berührt.

Wieder fehlt einiges, Chuck Prophet zum Beispiel, die Live-Heathens, Tom Gillam, Derek Trucks, Nels Andrews, American Aquarium und und und… Enttäuscht hat mich Patti Smith’s „Banga“, dieses von der Kritik bejubelte Album hat nur selten die alte Klasse von „Wave“, „Horses“ oder „Easter“. Gleiches gilt für Little Feat, „Rooster Rag“, neun Jahre Wartezeit haben sich nicht wirklich gelohnt, auch wenn das eine ziemlich exklusive Meinung ist, zu viele Zutaten haben hier eindeutig dem Ergebnis, einer an sich fantastischen Band, geschadet. Wer weiß, eventuell erreicht mich der wahre Wert des Albums auch erst später.

Filme gab es diesmal nicht, jedenfalls nichts was hängengeblieben wäre. Ein Buch möchte ich dennoch an dieser Stelle erwähnen:

Ron Wood | „Ronnie“

Offen, authentisch, schonungslos und immer mit einem Augenzwinkern, pendelnd zwischen Geldproblemen, Drogensumpf, Gitarren, Sex und Weibern. Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll und Ronnie. Gleiche Liga wie sein Alter Ego Keith. „Life“.

Und: Zum 80. Geburtstag hat das Magazin Rocks (!) ein opulentes Johnny-Cash-Sonderheft (!!!) aufgelegt, gute Stories, bis hin zu Coverbands plus Poster und CD, 132 Seiten, die sich lohnen. Ist noch lieferbar, dicker Tipp.

Wiederentdeckt:

Das Dritte Ohr: „Negerküsse“

Der schaurig-schöne Teutonenblues aus Hildesheim, nicht ohne Hörvergnügen, nach 10 Jahren Pause wieder im Player gelandet. Textkostprobe:
… stell dir vor du schaust in den blinden Spiegel
und du siehst dein Gesicht wie ein überfahrener Igel …
… was du siehst mit den blutunterlaufenen Augen
wird an deiner Seele saugen …
… woher hast du das Recht so auszusehen

Hmm, … genug ist genug, … hmm, was ist zu tun
leg eine Blues Platte auf
und spiel sie rückwärts ab und guck,
deine Frau kommt zurück
du hast deinen Job zurück
du hast dein Geld zurück
allerdings bist du auch wieder stocknüchtern …

Danke, mach ich!

Das muss für heute reichen!


Gunther Böhm